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Kleinmachnow: High-Tech gegen Pestizide auf dem Essen
Das Beispiel der Firma Analytica Alimentaria zeigt: Der Kleinmachnower Technologiegürtel wächst.
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Kleinmachnow - Kräuter aus Italien, Obst aus Indien oder Tomaten aus Brandenburg: Pestizide werden in fast allen Bereichen der Landwirtschaft eingesetzt. Dass der Verbraucher sie nicht unbewusst mitisst, wird in Kleinmachnow kontrolliert: Die Firma Analytica Alimentaria in der Fahrenheitstraße analysiert dort pro Jahr etwa 15 000 Lebensmittelproben, Tendenz steigend. „Wir haben ein organisches Wachstum von etwa zehn Prozent pro Jahr“, sagt Geschäftsführer Udo Lampe am gestrigen Donnerstag bei einem gemeinsamen Termin mit der Wirtschaftsförderung Land Brandenburg GmbH (WFBB) und der Kreisverwaltung.
Derzeit wird der Firmensitz in Kleinmachnow ausgebaut, die Investition wird von der WFBB mit 2,37 Millionen Euro gefördert. Dafür sollen vor Ort bis zu 20 neue Arbeitsplätze entstehen, 50 gibt es bereits. „Die Technologieaffinität hier in der Region ist sehr hoch, und die Analytica Alimentaria ist mit ihrer Spezialisierung auf eine Nische ein typisches Erfolgsbeispiel für eine wachsende Firma“, so Steffen Kammradt, Geschäftsführer der WFBB. Neben dem „Flagschiff ebay“ sei durch diese Firmen ein Technologiegürtel in der Teltower Region entstanden.
Die Förderung der WFBB war im Jahr 2017 allein im Landkreis mit einem Investitionsvolumen von 21 Millionen Euro verbunden – etwa drei Viertel der Summe wurden von den Unternehmen aufgebracht, der Rest gefördert. 190 neue Arbeitsplätze seien so allein 2017 bei 31 verschiedenen Firmenprojekten entstanden. „Inzwischen hat unsere Region eine Sogwirkung bis in den Süden und Westen Deutschlands“, so Landrat Wolfgang Blasig (SPD). Qualifizierte Mitarbeiter würden von dort zu den Unternehmen etwa nach Kleimachnow kommen. Damit das so bleibt, müsse die Kommune aber für bezahlbare Mieten sorgen. Auch die Verkehrsinfrastruktur müsse durch den Ausbau von S- und Regionalbahn in den drei Kommunen verbessert werden.
Von Spanien und Italien bis Peru oder Indien
Das bestätigt auch Udo Lampe. Ein Großteil der Mitarbeiter würde in Berlin wohnen. „Wenn es morgens leer ist, wissen wir, dass es wieder irgendwo Stau gibt oder die S-Bahnen ausgefallen sind“, so der Geschäftsführer. Die von ihm und seiner Frau gegründete und zu gleichen Teilen geführte Analytica Alimentaria gibt es seit 2012 in Kleinmachnow. Beide hatten vorher eine Landwirtschaft in Spanien betrieben und waren auf der Suche nach Labors zur Analyse ihrer Erzeugnisse. Die habe es kaum gegeben, daher kam die Idee zur eigenen Firmengründung. Für Kleinmachnow sprach Lampe zufolge die Nähe zu Berlin, wo man auch mit Spaniern in Kontakt kommen konnte. Zudem gab es von der WFBB eine Förderung von 1,25 Millionen Euro.
Noch immer geht es international im Unternehmen zu: 20 Sprachen sprechen die Mitarbeiter Udo Lampe zufolge. Auch acht Geflüchtete gehören zur Belegschaft. Sie haben meist damit angefangen, Lebensmittelproben für die Laboranalyse vorzubereiten, also zu pürieren und abzufüllen. Einige haben sich aber inzwischen qualifiziert und werden in anderen Bereichen eingesetzt. „Wir haben bisher noch keine Enttäuschung mit den Geflüchteten erlebt“, so Lampe. Seine Mitarbeiter analysieren Obst- und Gemüseproben aus einer Vielzahl an Ländern, neben Spanien und Italien etwa aus Peru oder Indien. Doch auch aus Brandenburg werden Tomaten oder Paprika getestet. Auftraggeber dürfe Lampe jedoch nicht nennen.
Neben großen Lebensmittelerzeugern sind es vor allem Handelsketten, die die Proben beauftragen. „Wenn etwa Containerladungen mit indischem Obst in Rotterdam ankommen, wegen hoher Pestizidbelastung aber nicht in den Handel dürfen, ist es ein enormer finanzieller Verlust für die Handelsketten“, so Analytica Alimentaria-Projektleiter Jens-Peter Krause. Deshalb werden Proben des Obstes mit Passagierflugzeugen eingeflogen und untersucht. Wenn die Pakete am Vormittag ankommen, gibt es nachmittags Ergebnisse.
Gaschromatographen ermitteln Bestandteile der Proben
Dafür stehen verschiedene Gaschromatographen in den Firmenhallen, die die Bestandteile der Proben ermitteln. Das teuerste Analysegerät kostet eine halbe Million Euro – dafür nennt es einem alle Bestandteile der Probe und nicht nur die, nach denen gesucht wird. Ausgewertet werden die Ergebnisse dann von den Chemikern der Firma. Allerdings seien die teuren Geräte am Wochenende oft ungenutzt. „Wir würden sie dann gern für ein geringes Entgeld etwa Studenten zur Verfügung stellen“, so Udo Lampe. Wie berichtet gibt es in Potsdam und Potsdam-Mittelmark ein Ernährungscluster, an dem auch die Universität Potsdam beteiligt ist (s. Kasten). Zwar ist Analytica Alimentaria kein Mitglied des Clusters, WFBB-Geschäftsführer Kammradt wolle aber den Kontakt vermitteln.
Udo Lampe zufolge wurden durch die Arbeit auch schon Lebensmittelskandale verhindert, etwa kurz nach der Aufregung um EHEC-Bakterien auf Obst und Gemüse. „Besonders in Spanien hatten viele Produzenten so viel Angst vor dem Erreger, dass sie alles desinfiziert haben.“ Als Ergebnis waren dann Spuren des Desinfektionsmittels auf den Lebensmitteln messbar – glücklicherweise, bevor sie in den Handel kamen. Analytica Alimentaria berät Firmen nicht nur in solchen Fällen, sondern allgemein zum Umgang mit Giften. So laufe in Spanien ein Projekt zur Verringerung des Einsatzes des umstrittenen Pflanzenschutzmittels Glyphosat: Ein Produzent hat auf einem Feld eine geschlossene Gräserdecke angelegt, die Wasser speichern, nützliche Insekten anlocken und so Schädlinge minimieren soll.
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Ernährungscluster
Am Ernährungscluster „NutriAct“ sind etwa 50 Unternehmen und Forschungseinrichtungen aus Berlin und Brandenburg beteiligt. Unter dem Management der Wirtschaftsförderung Land Brandenburg GmbH forschen sie an Nahrungsmitteln der Zukunft. Einer der größten Partner ist das Deutsche Institut für Ernährungsforschung in Rehbrücke, das in einer Studie derzeit prüft, ob Ernährungsumstellungen auch im Alter noch Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Weitere Beteiligte in Potsdam-Mittelmark sind unter anderem die Kleinmachnower Firma BioAnalyt, die Geräte zur Nahrungsmittelanalyse herstellt, oder die Herbafood Ingredients GmbH aus Werder (Havel), die Zusatzstoffe für Lebensmittel herstellt. Aus Potsdam sind auch die Fachhochschule und das Leibnitz-Institut für Agrartechnik beteiligt.
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