Potsdam-Mittelmark: Pilotprojekt „Schmergower Wiesen“
Ministerrunde informierte über Ausgleichsmaßnahmen für umstrittenen Havelausbau
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Werder - Die Zerstörung der Natur bei Verkehrsprojekten soll künftig zunehmend über größere Schutzflächen an anderer Stelle ausgeglichen werden. Ein entsprechendes Pilotprojekt mit einer „Poollösung“ beim Havelausbau in Berlin und Brandenburg sei bundesweit wegweisend, erklärten Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee und Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) gestern übereinstimmend.
Mit einem Ausflugsschiff der Weißen Flotte, begleitet von Landesumweltminister Dietmar Woidke (SPD) und einem großen Pressetross, fuhren sie eineinhalb Stunden von Werder bis nach Ketzin. Sie durchquerten dabei eines der reizvollsten Stücke der Mittleren Havel, die nach wie vor trotz aller Proteste von Naturschützern, Anrainern und Fischern für 185 Meter lange, zweilagige Containerschiffe ausgebaggert und verbreitert werden soll. Als Teil des Verkehrsprojekts 17 „Deutsche Einheit“ sei dies politisch beschlossen, nun kommen es darauf an, den Flusslauf so umweltschonend wie möglich auszubauen und die Eingriffe in die Natur an anderer Stelle effektiv auszugleichen, hieß es.
Als konkretes Flächenpool-Projekt wurden die „Schmergower Wiesen“ auf der Gemarkung von Groß Kreutz (Havel) vorgestellt. Dabei handelt es sich um eine zusammenhängende Fläche von 45 Hektar, die viele Jahre intensiv bewirtschaftet wurde. Jetzt gibt es mit dem dortigen Landwirt eine Vereinbarung über eine extensive Bewirtschaftung. Es werden Senken angelegt und 18 Meter breite Hecken gepflanzt, um Brutplätze für Vögel zu schaffen. Finanziert wird das mit dem Geld, das das Wasserstraßen–Neubauamt als Bundesbehörde für die erheblichen Eingriffe in die Natur zahlen muss. Bereits für den ab 2008 geplanten Ausbau des Sacrow-Paretzer Kanals bei Potsdam wird eine Kompensationsfläche von 250 Hektar gebraucht. 60 Hektar davon liegen unmittelbar in der Kanal-Region, 110 Hektar kommen aus dem Flächenpool, zu dem auch die Schmergower Wiesen gehören. Zur Umsetzung dieses Projektes wurde eine Flächenagentur unter dem Dach der Stiftung Naturschutzfonds Brandenburg gegründet. Diese Agentur sei inzwischen landesweit mit der Entwicklung von Flächenpoolkonzepten betraut worden, so Woidke.
Lob für diese Idee kam auch vom Geschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), Gerhard Timm. Grundsätzlich betonte er jedoch, dass der Havelausbau auf Grund des prognostizierten geringen Schiffsverkehrs eine „Verschleuderung von Steuergeldern und eine sinnlose Naturzerstörung“sei. Ebenso sieht es die Grünen-Bundestagsabgeordnete Cornelia Behm aus Kleinmachnow. „Es wird höchste Zeit, die noch aus dem Jahr 1992 stammenden Prognosen der Realität anzupassen“, sagte sie. In der Region hätte sich bei weitem nicht so viel Industrie entwickelt, wie einst erwartet. Zudem befürchte sie negative Auswirkungen für den Tourismus durch den Havelausbau. Gerade in der Kombination von Naturschutz und Tourismus sieht Chris Rappaport, Vorsitzender des Fördervereins Mittlere Havel e.V., die größte Entwicklungschance für die Region. Diesem Verein gehören unter anderem die Kommunen Brandenburg/Havel, Groß Kreutz, Lehnin und Ketzin an. Gemeinsames Ziel ist die Gründung eines Naturparks Mittlere Havel. Mit der Flächenagentur gebe es bisher leider keinerlei Zusammenarbeit. „Das Projekt Schmergower Wiesen hat auf kommunaler Ebene noch keine Rolle gespielt“, so Rappaport. Im Gegensatz zu den Gegnern des Havelausbaus glaubt Minister Tiefensee an den Aufschwung der Binnenschifffahrt und die Anbindung bis nach Rotterdam. Bis 2020 werde das Transportaufkommen insgesamt um etwa 35 Prozent wachsen. Deshalb seien moderne Wasserstraßen unabdingbar. Begonnen wird in der Region Potsdam 2008 mit dem Ausbau des 12,7 Kilometer langen Sacrow-Paretzer Kanals. Unter anderem soll der Kanal zum Nordufer hin um 4 bis 5 Meter verbreitert werden. Allein für diesen Abschnitt werden 71 Millionen Euro veranschlagt. Bis 2017 soll dann auch der natürliche Havellauf für die Großcontainerschiffe präpariert werden. Die Gesamtkosten für das Verkehrsprojekt betragen 2,2 Milliarden Euro. Hagen Ludwig
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