
© Andreas Klaer
Fremdenhass in Potsdam-Mittelmark: Rechte Hetze an Laternen
Seit Anfang des Jahres kleben haufenweise asylfeindliche Sticker in Teltow. Rechtsextreme Flyer werden verteilt, Verwaltungsmitarbeiter und Helfer bedroht. Doch nicht nur Teltow hat damit zu kämpfen.
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Teltow - Asylfeindliche Aufkleber an Straßenlaternen, Flugblätter von Rechtsextremen, Rathausmitarbeiter, die bedroht werden und eine Ehrenamtliche, deren Haus mit Eiern beworfen wurde. In der Region Teltow wird seit diesem Jahr massiv Stimmung gegen Flüchtlinge und deren Helfer gemacht. Das bestätigt auf PNN-Anfrage der Sprecher des Netzwerkes Tolerantes Teltow-Kleinmachnow-Stahnsdorf, Conrad Wilitzki.
Er und sein Team von rund 20 Ehrenamtlichen sind seit Anfang des Jahres einmal pro Woche unterwegs, um die vielen fremdenfeindlichen Sticker aus dem Stadtbild zu entfernen. Am Ende einer Tour haben sie meist bis zu 100 Aufkleber abgekratzt. Die Hetzbotschaften ziehen sich vom Ruhlsdorfer Platz bis in die Altstadt. Auch das Teltower Rathaus schlug jüngst Alarm: Die Stadt sei vor wenigen Wochen regelrecht übersät gewesen von fremdenfeindlichen Aufklebern, so Rathaussprecherin Andrea Neumann.
Einst war Teltow ein Leuchtturm in Sachen Integration
Was war passiert – nachdem es in den vergangenen Jahren ruhig geblieben ist? Laut Netzwerksprecher Wilitzki sind für das Wiedererstarken der rechten Szene in Teltow zwei Faktoren verantwortlich. So soll ein in der Szene bekannter Neonazi Anfang des Jahres aus der Haft entlassen worden sein. Wilitzki vermutet, dass er sein Netzwerk wieder aktiviert habe. Zudem wurde die Facebook-Seite „Stahnsdorf-Teltow-Kleinmachnow wehrt sich“ erstellt, die mit fast täglichen Posts im sozialen Netzwerk Hetze betreibe. Rund 600 Personen haben die Seite mit „gefällt mir“ markiert. „Besorgniserregend ist, dass viele ihrer Mitglieder aus Teltow und der Region stammen“, so Wilitzki.
Anders als bei den „Nein-zum-Heim“- Facebook-Seiten, von denen man annimmt, dass sie über die NPD gesteuert werden, handele es sich hier um einen Zusammenschluss von Rechtsextremen und deren Sympathisanten aus der Region. Anhand der Postings nimmt Wilitzki an, dass es sich um junge Erwachsene handele, die genau wüssten, was sie schreiben dürften. „Ich habe mehrmals versucht, die Seite bei Facebook als Hetzseite zu melden – leider erfolglos“, sagt der 31 Jahre alte Netzwerksprecher. Der Brandenburger Verfassungsschutz stuft die Seite als „rechtsextremistisch beeinflusst“ ein.
Die Stimmung in Teltow, das bisher im Land als Leuchtturm in Sachen Integration galt, ist derzeit nicht gut. Das haben auch Mitarbeiter des Bauhofes zu spüren bekommen, als sie im April unterwegs waren, um Hetzsticker zu beseitigen. Auf Anfrage bestätigt das Rathaus: „Zwei vermummte Personen forderten die Bauhof-Mitarbeiter unter Gewaltandrohung auf, das Entfernen der Aufkleber zu unterlassen. Eine der Personen führte einen größeren Hund bei sich.“
Die Kollegen hätten sich umgehend an die Polizei gewendet und Strafanzeige erstattet, so Rathaussprecherin Neumann. Danach habe man die Streife zum Entfernen der Aufkleber vergrößert. Es habe seither keine Zwischenfälle mehr gegeben, auch gebe es mittlerweile etwas weniger Sticker.
Anti-Asyl-Sticker auch in Michendorf, Werder (Havel) - Anschläge in Bad Belzig
Die Polizei tappt indes noch im Dunkeln, wer die Bauhofmitarbeiter bedroht haben könnte, auch der Anschlag mit den Eiern auf das Haus einer Kleinmachnower Ehrenamtlichen ist noch ungeklärt. Die Betroffene wollte sich gegenüber den PNN dazu nicht äußern.
Nicht nur in Teltow, auch in Bad Belzig, wo ebenfalls Rechtsextreme wohnen, hat sich die Lage in den vergangenen Monaten zugespitzt. Trauriger Höhepunkt: Mitte Mai sind auf das Café „Der Winkel“, in dem sich regelmäßig Flüchtlinge zum Austausch treffen, im Abstand von weniger als zwei Wochen zwei Anschläge verübt worden. Dabei befestigten unbekannte Täter an Tür und Fensterscheibe Knaller und rissen Löcher in die Gläser. Der Staatsschutz ermittelt, da „eine politisch motivierte Kriminalität nicht ausgeschlossen werden kann“, so Polizeisprecherin Jana Birnbaum.
Was ist in Sachen Fremdenfeindlichkeit in Potsdam-Mittelmark los? Laut dem aktuellsten Verfassungsschutzbericht von 2014 konnte die NPD in Potsdam-Mittelmark neue Strukturen aufbauen beziehungsweise alte reaktivieren und sich teilweise verjüngen. Zudem wird laut den Verfassungsschützern der Facebook-Auftritt der NPD Potsdam- Mittelmark aktiv betrieben, obwohl diese Struktur offiziell nicht existiert.
Rechtsextremismus-Expertin: "Junge Leute sind im Pegida-Rausch"
Frauke Postel vom Mobilen Beratungsteam Potsdam, die die rechte Szene seit Jahren in Brandenburg beobachtet, spricht von einem „Pegida-Rausch“. Auch in Potsdam-Mittelmark gebe es viele junge Leute, „die erlebnisorientiert dabei sein wollen“. Sie würden sich bestärkt fühlen, sich offen auf der Straße zu zeigen, aktiv zu werden, indem sie Flyer und Sticker verteilten, oder Veranstaltungen, bei denen es um neue Flüchtlingsunterkünfte oder die Integration gehe, zu stören.
„Das Ganze wird flankiert durch rechtspopulistische Positionen in den Medien, die für Diskussionen sorgen“, so Postel. Bei den jungen Erwachsenen handele es sich nicht unbedingt um reflektierte Neonazis. Offen sei, wie sich der „Pegida-Rausch“ entwickeln werde. Nach wie vor sieht Postel gerade in Mittelmark eine starke Bürgerschaft, die rechtsextremen Tendenzen entgegentritt.
Auch in Werder (Havel) und Michendorf werden immer wieder Anti-Asyl-Sticker von Freiwilligen entfernt. In Werder wurden wie berichtet Anfang des Jahres Flyer der Splitterpartei „Der III. Weg“ verteilt, auch dort gibt es eine rechtsextreme Facebook-Seite. Mehrere Parteimitglieder des „III. Wegs“ wohnen in der Havelstadt. In Michendorf hat die Berliner Aktivistin Irmela Mensah-Schramm des Öfteren rassistische Schmierereien entdeckt. Dort stehen die Parolen an den Wänden in der Bahnhofsunterführung.
In Teltow hofft man, dass die rechten Aktivitäten im Sande verlaufen
Die 70 Jahre alte Frau, die in ganz Brandenburg fremdenfeindliche Sticker entfernt und Graffitis übermalt, hat auch den Anstieg der Aufkleber in Teltow bemerkt. Vergangene Woche seien ihr über 100 Sticker auf der Mahlower Straße aufgefallen. Einen Großteil konnte sie entfernen. Die Sticker bewahrt Mensah-Schramm auf, ein Teil aus ihrer Sammlung ist derzeit in einer Ausstellung über antisemitische und rassistische Aufkleber im Deutschen Historischen Museum in Berlin zu sehen.
In Teltow hofft man indes, dass den Rechten bald die Puste ausgehen wird. „Es sind nicht mehr ganz so viele Aufkleber“, so Wilitzki. Eine vor Monaten von Rechten angekündigte Demo habe nicht stattgefunden und „auch die Facebook-Seite wird hoffentlich mit der Zeit verpuffen“.
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