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Potsdam-Mittelmark: Spenden statt vernichten

Brandenburgs Obstbauern können jetzt EU-Hilfen beantragen. In Werder wird das vielen nicht helfen

Von Eva Schmid

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Werder (Havel) - Es ist eines der besten Erntejahre in Werder, die Lager sind reichlich mit Äpfeln gefüllt, jetzt geht der Preiskampf los. Für die Obstbauern, die unter dem russischen Importverbot für europäische Lebensmittel leiden, soll es nun Hilfe geben. Das teilte das brandenburgische Agrarministerium am Mittwoch mit.

„Ab sofort können Betriebe über die drei Erzeuger-Organisationen in Brandenburg Anträge stellen“, sagte Ministeriumssprecher Lothar Wiegand. Da die Bundesregierung beschlossen habe, kein Obst vernichten zu lassen, könnten Obstbauern einen Teil ihrer Ernte an Schulen, Seniorenheime oder Kliniken spenden. Im Gegenzug sollen sie dafür rund 17 Cent pro Kilo und einen Zuschuss für die Transportkosten erhalten.

Wie berichtet, hatte Brüssel bereits vor Monaten rund 165 Millionen Euro an Hilfen zugesagt. Wie viel davon auf Deutschland entfalle, konnte der Ministeriumssprecher nicht beziffern. „Das Kontingent für Deutschland liegt bei 16 000 Tonnen Obst“, so Wiegand. Deutschland ist im Vergleich zu Polen, Spanien oder den Niederlanden nicht direkt vom russischen Importstopp betroffen.

In Werder ist man von dem Hilfsprogramm der EU und dem Spendenaufruf der Bundesregierung wenig begeistert: „So viel ich mitbekommen habe, bekommt man die 17 Cent nur, wenn man Mitglied in einer der drei Erzeugergemeinschaften ist“, sagte der Geschäftsführer des Werderschen Obst- und Gartenbauvereins, Stefan Lindicke. Die wenigsten Obstbauern in der Region Werder seien jedoch in der Genossenschaft organisiert. Von der Hilfe würden die Werderaner daher nicht profitieren.

Der Aufruf zum Spenden sei außerdem nicht zu Ende gedacht: „Angenommen, die Äpfel werden kistenweise in Kitas verschenkt, dann greifen die Eltern zu und kaufen auf dem Markt keine Äpfel mehr ein“, sagte Obstbauer Lindicke. So hätten die Produzenten noch weniger Kunden, das Minusgeschäft würde noch größer werden.

Der Druck auf dem Markt sei nicht nur wegen der Russland-Sanktionen hoch: Hinzu komme, dass es in diesem Jahr in ganz Europa eine besonders reiche Apfelernte gegeben habe. Die Saison sei in Werder bisher gut angelaufen. Auf den Wochenmärkten und in den Hofläden würde man bisher noch keine Umsatzeinbußen spüren. „Viele Kunden wissen von dem Embargo und fragen, wie es uns damit geht“, so Lindicke. Dennoch fürchtet er ein drohendes Absatzproblem. Jüngst hatte er in einem Markt ein Kilo Äpfel für 49 Cent gesehen. „Irgendwann wird es schwierig, den Kunden den Unterschied zwischen den Supermarktpreisen und unseren Preisen zu erklären.“

Von dem Hilfsprogramm profitiert auch einer der größten Produzenten in der Region, Thomas Giese, nicht. Der Chef von Havelfrucht baut auf 180 Hektaren an, 1500 Tonnen Äpfel hat er in diesem Jahr geerntet, seine Früchte lässt er über Werder Frucht vermarkten. „Da ich meine Äpfel abgebe, kann ich auch keinen Antrag auf Hilfe stellen“, so Giese. Nur die sogenannten Industrieäpfel, die er zu Saft verarbeiten lasse, vermarkte er selbst. Für die bekomme er derzeit vier Cent pro Kilo, das sei ein Viertel vom Vorjahrespreis. „Industrieäpfel mit Druckstellen kann ich auch nicht spenden.“ Giese schätzt, dass beschädigtes Obst niemand haben wolle.

Auch Giese rechnet mit hohen Verlusten in diesem Jahr – unklar ist, ob und wie sie kompensiert werden können. „Das wird sich am Ende des Jahres herausstellen.“ Einen Hoffnungsschimmer gibt es immerhin: Die Supermarktketten, die Werder Frucht beliefere, hätten sich zumindest zu deutschen Äpfeln in ihrem Sortiment bekannt. „Jetzt muss man schauen, ob man mit dem Preis noch verhandeln kann“, sagte Giese. Eva Schmid

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