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Morbider Charme: das alte Bahnhofsgebäude Annahütte

© Pablo Hassmann / Pablo Hassmann

Verwaiste Orte in Brandenburg: Neue Ideen retten leere Bahnhofsgebäude

Sie sind das Tor zur Stadt – doch an vielen Bahnhöfen möchte man beim Blick aus dem Zugfenster lieber sitzenbleiben. Neue Nutzungskonzepte sollen das ändern.

Der Putz bröckelt, Graffitis zieren die Fassade. Die Fenster hat jemand mit ein paar Brettern zugenagelt. Wer mit der Bahn durch Brandenburg fährt, kommt an so manchen Bahnhofsgebäuden vorbei, die ihre Lebzeiten längst hinter sich hatten.

Von 310 Stationen in Brandenburg sind laut Deutscher Bahn (DB) nur noch 28 im Eigentum der DB. Alle anderen wurden verkauft. Wohin und an wen, das ist häufig nicht leicht zu ermitteln. „Das ist organisierte Verantwortungslosigkeit“, sagt der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege. Statt gepflegte Eingangstore zur Stadt zu sein, gammelten viele Gebäude vor sich hin. Flege spricht von einem „verkehrspolitischen Drama“.

Das ist organisierte Verantwortungslosigkeit.

Dirk Flege, Geschäftsführer Allianz pro Schiene

Viele Bahnhöfe vor allem im Osten Deutschlands verkauft

Vor allem in den ostdeutschen Bundesländern seien viele Bahnhöfe nach der Bahnreform in den 90er Jahren verkauft worden. In Brandenburg gehört der Bahn nur noch jedes zehnte Gebäude. „Das war ein wahrer Ausverkauf“, so Flege. Deutschlandweit sind laut Allianz pro Schiene 2824 von 3507 Stationen verkauft worden. Das sind 81 Prozent.

Das in Ländern wie Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt so viele Bahnhöfe verkauft worden sind, habe vor allem am Bevölkerungsrückgang gelegen. Bahnhöfe waren mangels Menschen, die dort den Zug be- und entstiegen, nicht mehr rentabel, sagt Flege.

81
Prozent ihrer Bahnhöfe hat die Deutsche Bahn seit 1999 verkauft.

Musikerpension, Co-Working-Space, Bäckerei

Um Bahnhofsgebäude vor ihrem Verfall zu retten, legen Kommunen sowie einige engagierte private Eigentümer neue Nutzungskonzepte vor, auch, um Fördergelder des Bundes und des Landes zu beantragen, um die maroden Gebäude zu sanieren.

Schaut man sich in Brandenburg um, findet man einige Bahnhofsgebäude, die neu genutzt werden. Architekt Simon Breth weiß, worauf man sich beim Kauf und der Umgestaltung eines ehemaligen Empfangsgebäudes einlässt. Gemeinsam mit seiner Frau hat Breth 2016 den alten Bahnhof Annahütte in der Gemeinde Schipkau im Süden Brandenburgs gekauft. Preis: 27.000 Euro.

Schallschutzgerecht: Tonstudio im „Musikbahnhof Annahütte“ in Südbrandenburg
Schallschutzgerecht: Tonstudio im „Musikbahnhof Annahütte“ in Südbrandenburg

© Diego Castro / Diego Castro

Dass das Gebäude nahe eines Sees und der einstigen Glaswerksiedlung so günstig war, lag auch daran, dass Breth und seine Frau erst einmal eine Außenbereichssatzung aufstellen mussten. Mit dieser wird geregelt, dass bestimmte öffentliche Belange einem Bauvorhaben im Außenbereich einer Gemeinde nicht entgegengehalten werden können.

„Es geht darum, dass das Gesamtbild erhalten bleibt“

Das habe ein Jahr gedauert. „Wenn das nicht genehmigt wird, ist das Geld erstmal weg“, sagt Breth. Das Architektenpaar aus Berlin hat es dennoch nicht davon abgehalten, den Bahnhof zu kaufen und es in eine Musikerpension mit eingebautem Tonstudio umzugestalten.

Architekt Simon Breth 
Architekt Simon Breth 

© Pablo Hassmann / Pablo Hassmann

Breth sagt, für die Nutzung solch alter Fabrikgebäude bedarf es Pioniergeist. Auch der Denkmalschutz stelle Bauleiter bei den alten Stationsgebäuden vor Herausforderungen. Laut Breth durften beispielsweise keine Kunststofffenster verbaut werden. Auch Öffnungen dürften nicht vergrößert werden. „Es geht darum, dass das Gesamtbild erhalten bleibt.“ Dennoch, so Breth, könne man den Innenraum meist nach seinen Wünschen gestalten.

In der Kreisstadt Herzberg in Elbe-Elster hat die Kommune das Bahnhofsgebäude zurückgekauft und sitzt gerade daran, ein Nutzungskonzept zu entwickeln, um Gelder aus dem Fördertopf der Wirtschaftsregion Lausitz für die Sanierung zu erhalten.

Altes Gemäuer: Bahnhofsgebäude der Kreisstadt Herzberg im Landkreis Elbe-Elster
Altes Gemäuer: Bahnhofsgebäude der Kreisstadt Herzberg im Landkreis Elbe-Elster

© Kreisstadt Herberg / Kreisstadt Herzberg

Bürgermeister Karsten Eule-Prütz (parteilos) hat große Pläne mit dem rund 175 Jahre alten Bau. So soll das Bahnhofsgebäude Kultur- und Arbeitsstätte werden. Eine Heizung soll rein, WLAN muss her. „Es soll als Kreativort den Menschen zur Verfügung stehen“, erzählt er am Telefon.

Auch Schlafplätze sollen geschaffen werden, damit die Leute, die zu Veranstaltungen in den Ort kämen, auch dort übernachten könnten. Doch noch stecke das Projekt in den Kinderschuhen. Eule-Prütz sagt, wichtig sei ein sinnvolles Nutzungskonzept. „Und dann muss es auch jemand machen.“

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