
© ZB/Jörg Carstensen/dpa
Quartiersentwicklung: Sanierungsarbeiten an der Planungsruine Blankenburger Süden
Der neue Stadtteil hat bis keine Leitidee - dabei könnte alles so einfach sein. Ein Plädoyer
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Wenn es um den Wohnungsbau und die Quartiersentwicklung in Berlin geht, klaffen Wunsch und Wirklichkeit, bautypologisches Ideal, Architekturvorstellungen und zeitliche Horizonte im Abgleich mit der Realität weit auseinander. Ein besonders gutes Beispiel dafür ist der Blankenburger Süden, derzeit weit entfernt davon ein Berliner Modellquartier zu werden.
Im Sommer 2020 legten vier Planungsbüros Entwürfe vor, wie das Stadtquartier zwischen Blankenburg und Heinersdorf aussehen könnte, die der damalige Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel (Linke) Journalisten vorstellte. Im Detail gibt es jeweils zahlreiche Unterschiede, etwa in der Frage, wo das geplante Gewerbegebiet seinen Platz bekommt, wie viele Schulen und Kitas es geben soll oder bei der Zahl der Wohnungen, die je nach Entwurf zwischen 5300 und 6000 schwankt. Auch die Frage, wie hoch hinaus es in dem neuen Stadtquartier gehen darf, das zum Großteil auf landeseigenen Flächen entstehen soll, beantworten die Planer sehr unterschiedlich: So sieht ein Entwurf vor, maximal sechs Geschosse zuzulassen, bei einem anderen könnten es auch 15 sein.
Vier Planungsbüros legten bereits 2020 Entwürfe vor
Dabei wäre doch alles so einfach. Der Bund Deutscher Architekten, Landesverband Berlin, forderte bereits Jahre vor dem Beginn der Pandemie und dem Krieg Russlands gegen die Ukraine ein Umdenken in der Stadtplanung. „Die bloße Zweckerfüllung, also größtmögliche Wohnflächen ohne städtebaulichen Qualitätsanspruch, ist nicht die Lösung“, schrieben die Architekten Berlin ins Stammbuch. Eine Binsenweisheit.
Entwickler wie Luca Bauernfeind, geschäftsführender Gesellschafter der Kauri Cab Devolopment, die derzeit das Havelufer Quartier plant, geht einen Schritt weiter: „Es greift zu kurz, nur von Alleinstehenden, Paaren, Familien und Senioren und Seniorinnen auszugehen.“ Die Frage laute vielmehr: „Was ist die Leidenschaft der neuen Quartiersbewohner:innen? Was sind Überzeugungen und Ideale? Herausfordernd ist es zum Beispiel, einen größeren Projektanteil als Gemeinschaftsfläche zu deklarieren – bei der Bank, den Partnern oder Ausführenden.“

© Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen Berlin
Dass nachhaltige Materialien und ressourenschonendes Bauen allein nicht reichen, schwant mit Blick auf den Blankenburger Süden inzwischen auch Berlins Stadtentwicklungs- und Bausenator Andreas Geisel (SPD). Vor einem Interregium als Berlins Innensenator hatte er den Blankenburger Süden bereits im April 2016 als eines der zwölf geplanten neuen Stadtquartiere vorgestellt – heute ist der Blankenburger Süden so etwas wie eine „Planungsruine“.
Zunächst waren 10.000 Wohnungen geplant, nun sind es knapp 6.000
Im Frühjahr 2018 wurden die Senatsplanungen für den Bau von etwa 10.000 Wohnungen abgelehnt. Der Bezirk Pankow forderte, dass maximal 5.800 Wohnungen im Blankenburger Süden entstehen sollen. Aber was gehört zu einem lebendigen Quartier, das nicht nur zu den vorhandenen Strukturen vor Ort, sondern auch in die Zeit passt?
Wie ist es mit der demographischen Entwicklung der Gesellschaft, mit der wachsenden Notwendigkeit altersgerechten Neubau zu betreiben und Platz für betreutes Wohnen/Pflegeheime gleich mit zu planen? Mit der Pandemie haben sich die Anforderungen an das Wohnen (Homeoffice!) verändert und müssen Eingang in Stadtteilplanungen finden – Außenräume sind allein nicht mehr als Grünflächen zu verstehen, sondern eben auch als Begegnungs- und Aufenthaltsräume, zumal in einer ländlichen Gegend.

© Quelle: SenSBW•Stand: September 2022•Tsp/Rita Böttcher
Doch dort gibt bis heute nicht einmal ein Verkehrskonzept, dass die zu entwickelnden Räume in Blankenburg, Karow und Buch im Zusammenhang mit der Entwicklung Bernaus betrachtet – derzeit so etwas wie der stärkste Magnet des Umzugs junger Familien in den Speckgürtel. Ein Verkehrskonzept wäre aber zunächst die Voraussetzung, um den Blankenburger Süden zu realisieren.
„Zeitgemäße Quartiersentwicklungen sollten in Berlin nicht nur auf die Erschließung der Lage setzen, sondern auch auf das, was vor Ort zur Energiegewinnung vorhanden ist“, sagt Lutz Keßels, der aktuell das Quartier Am Humboldthain auf den Weg bringt. Er bringt einen weiteren Gedanken ins Spiel: „Innovative Versorgung ist dabei mehrdimensional und setzt nicht nur auf eine Komponente, sondern kombiniert verschiedene Energieerzeuger in einem korrespondierenden Netz.“
Berlins Umweltsenatorin Jarrasch plant ein Pilotprojekt für Geothermie in Blankenburg
Keßels meint damit das Potenzial von Geothermie in Berlin. Neben den Innenstadtlagen sei auch der Nordosten besonders für geothermische Nutzung geeignet, sagt Keßels, der unter anderem bei der WBM Wohnungsbaugesellschaft Berlin Mitte mbH tätig war. Ab 2024 ist im Blankenburger Süden ein Geothermie-Pilotprojekt geplant, kündigte Berlins Senatorin für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz Bettina Jarrasch (Grüne) Ende August an.
Im Untergrund liegen weitere Potenziale - in vorhandener Infrastruktur wie Abwasserkanälen. „Das Abwasser kommt mit ca. 15-20 Grad aus den Haushalten und lässt sich durch Einsatz von Wärmetauschern zur Energiegewinnung nutzen. Hinzu kommt die Einbindung von Solarkollektoren auf Dächern, die ebenfalls einen Beitrag zur Energiegewinnung leisten“, sagt Keßels.
Der Klimawandel stellt weitere Anforderungen an den Wohnungsbau. Was bedeuten heiße Sommer, Starkregenereignisse, was bedeutet Wassermangel im staubtrockenen Brandenburg für die Quartiersplanung? Grünzüge, wie sie im Blankenburger Süden vorgesehen sind, begründen allein noch keine klimagerechte Ortsteilentwicklung. Bundesweit sind in nur 13,4 Prozent aller Entwicklungen so genannte „Pocket Parks“ – kleine Freiräume, die gärtnerisch gestaltet werden – sowie Nutzgärten entstanden. Auch im Blankenburger Süden ist dergleichen bisher nicht vorgesehen.
Am Ende muss das Berliner Abgeordnetenhaus zustimmen
Wie auch immer die Planungen dort einmal fortgeschrieben werden: „Am Ende werden die Abgeordneten zustimmen müssen“, sagte Dennis Buchner (SPD), Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses für Weißensee-Nord, Blankenburg und die Stadtrandsiedlung Malchow in einem Fachgespräch zum Blankenburger Süden am 30. August in der Albert-Schweitzer-Stiftung in Blankenburg. „Eine gemeinsame Trasse durch das Kleingartengebiet für Straßenbahn und Autos wird es politisch nicht geben, jedenfalls nicht in dieser Koalition.“
Noch gibt es keine bevorzugte Entwicklungsvariante
Wo der Blankenburger Süden im Dreieck zwischen Paragrafen, Wohnungsproduktion und Problemlösung angesiedelt wird, dürfte indes auch über den März des kommenden Jahres hinaus noch lange offen bleiben. Positiv immerhin: Es ist noch nicht zu spät, das Projekt Blankenburger Süden noch einmal komplett neu zu überdenken. „Es ist nicht so, dass man nur noch diese eine oder andere Variante akzeptiert und nichts anderes mehr – und auch nicht mehr ändern kann“, sagte Christian Gaebler, Staatssekretär für Bauen und Wohnen in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen des Landes Berlin, auf der Veranstaltung.
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