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Lars Klingbeil, Vorsitzender der SPD

© dpa/Sebastian Gollnow

Update

Schlagabtausch im Bundestag erwartet: SPD-Chef Klingbeil warnt FDP vor Blockade des Rentenpakets

Lange stritten die Ampelparteien über die Zukunft der Rente. Jetzt berät erstmals der Bundestag über die Reformpläne. Doch selbst in den eigenen Reihen gibt es Streit.

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Vor Beginn der parlamentarischen Beratungen über das Rentenpaket II im Bundestag hat SPD-Chef Lars Klingbeil die FDP vor einer Blockade gewarnt. In einem Video-Interview der Deutschen Presse-Agentur erinnerte er daran, dass die Reform im Koalitionsvertrag fest verankert ist. „Klar ist: Das, was wir verabredet haben, das muss kommen. Alle haben vertragstreu an dieser Stelle zu sein“, sagte Klingbeil. „Ich kann nicht ganz verstehen, dass die FDP-Fraktion sich jetzt gegen ihren eigenen Parteivorsitzenden auflehnt.“

Im Plenum wird ein Schlagabtausch erwartet. Die Opposition lehnt die Pläne in jetziger Form komplett ab. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Liberalen, Johannes Vogel, preschte zudem per Interview vor - aus seiner Sicht ist die Reform zu teuer.

„So ist das Rentenpaket im Parlament noch nicht zustimmungsfähig“, sagte Vogel der „Bild“. Vogel argumentiert, das Rentenpaket lasse „die Beiträge für die arbeitende Mitte immer weiter steigen“.

FDP-Fraktion beharrt auf Änderungen

FDP-Chef Christian Lindner hatte kürzlich deutlich gemacht, dass er das bereits im Mai vom Kabinett beschlossene Reformprojekt für ausverhandelt und zustimmungsfähig hält. Die FDP-Bundestagsfraktion beharrt aber auf Änderungen. Sie beklagt, dass die Rentenbeiträge damit weiter steigen würden. Am Freitag berät der Bundestag erstmals über das Paket.

Der Gesetzentwurf sieht unter anderem einen Einstieg in eine aktiengestützte Säule der Rentenversicherung vor - das sogenannte Generationenkapital. Vorgesehen ist, dass der Bund dafür dieses Jahr zwölf Milliarden Euro als Darlehen zur Verfügung stellt. Die FDP hatte ursprünglich eine Aktienrente mit deutlich größerem Volumen gewünscht.

Paket gehöre zum „Herbst der Entscheidungen“

Klingbeil sagte, wenn jetzt nichts passiere, stürze das Rentenniveau von Millionen Menschen in den nächsten Jahren ab. Für die SPD sei daher völlig klar, dass das Paket in diesem Herbst verabschiedet werden müsse. Das gehöre zum „Herbst der Entscheidungen“ in der Ampel-Koalition, den die FDP nach ihren Wahlniederlagen in Ostdeutschland ausgerufen hatte.

Grundsätzlich müsse die Koalition aufhören, sich um sich selbst zu drehen, forderte Klingbeil. Sie habe viele Entscheidungen in diesem Herbst zu treffen. „Und ich hoffe, dass keinem der drei Partner da die Puste ausgeht. Ich kann für die SPD nur sagen, wir sind bereit.“

Wir sind vorbereitet auf harte Verhandlungen.

Pascal Kober, sozialpolitischer Sprecher der FDP

Die FDP-Fraktion rechnet nach Angaben ihres sozialpolitischen Sprechers Pascal Kober mit einer schwierigen Debatte um das Rentenpaket II im Bundestag. „Wir sind vorbereitet auf harte Verhandlungen“, sagte Kober dem „Tagesspiegel“.

Auf Kabinettsebene sei das Rentenpaket zwar ausverhandelt, „aber es gilt das Strucksche Gesetz: Es kommt kein Vorhaben so aus dem Bundestag heraus wie es hereingegangen ist“, argumentiert Kober mit Verweis auf den ehemaligen Verteidigungsminister und SPD-Fraktionsvorsitzenden Peter Struck.

Arbeitsminister Heil wirbt für Reform

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) verteidigt die Pläne ebenfalls und wirbt für sie als nötig. „Wir müssen das entscheiden“, sagte der Minister. „Das ist wichtig nicht für die Koalition, sondern für die Menschen in Deutschland, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Rentnerinnen und Rentner von heute und die von morgen.“

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) warnt vor einer künftigen Schlechterstellung der Rentnerinnen und Rentner in Deutschland.

© dpa/Sebastian Gollnow

Ohne die geplante Rentenreform würden die Rentnerinnen und Rentner im Vergleich zur arbeitenden Bevölkerung „ärmer werden“, sagte Heil. Durch die Reform solle ein Absinken der Bezüge der mehr als 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner in Deutschland vermieden werden. „Das werden wir verhindern, indem wir dafür sorgen, dass das Rentenniveau dauerhaft für alle Generation stabil bleibt“, sagte der Minister.

Durchsetzen wolle er die Reform, so Heil, „damit auch zukünftig die Rentenerhöhungen den Lohnerhöhungen folgen“. Zuletzt sind die Renten in Deutschland zum 1. Juli um 4,57 Prozent gestiegen. Der Beitragssatz liegt bei 18,6 Prozent des Einkommens.

Heil verspricht: „Wir sorgen vor, dass die Beiträge in der zweiten Hälfte der 30er-Jahre nicht zu stark steigen.“ Dann gerät die Rentenkasse wegen des anstehenden Übertritts von immer mehr geburtenstarken Babyboomer-Jahrgänge aus dem Arbeitsleben unter Druck.

Hier soll der von der FDP durchgesetzte Teil des Gesetzes zum Tragen kommen, das Generationenkapital. Lindner spricht von einer „Zäsur in der deutschen Rentenpolitik, dass wir im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung nun auch in Wertpapieren anlegen werden“.

Die Bundesregierung werde auch dafür sorgen, dass es mehr Betriebsrenten gibt, sagte Heil. Außerdem solle die private Altersvorsorge reformiert werden. Aber für die meisten Menschen in Deutschland sei die wichtigste und für viele Menschen auch die einzige Absicherung im Alter die gesetzliche Rente. „Das gilt besonders in Ostdeutschland.“

Der Arbeitsminister sprach sich gegen ein höheres Renteneintrittsalter aus. „Wer will und kann, soll länger arbeiten.“ Dafür werde die Regierung auch finanzielle Anreize setzen. Aber eine Erhöhung des gesetzlichen Renteneintrittsalters über 67 Jahre hinaus sei wirklichkeitsfremd.

Die Grünen warnten die Liberalen vor der Einbringung des Rentenpakets II in den Bundestag, für das Generationenkapital Rentenbeiträge verwenden zu wollen. Dies solle „gesetzlich ausgeschlossen werden“, forderte der sozialpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Frank Bsirske, in gegenüber den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (Freitagsausgaben).

Der rentenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, Markus Kurth, forderte, die Anlagekriterien an Klima- und Sozialstandards auszurichten. „Den Grünen ist es wichtig, dass das Generationenkapital in seinen Anlagekriterien mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens kompatibel ist“, sagte Kurth dem RND.

Auch die Einhaltung sozialer Mindeststandards seien relevant. „Um eine parlamentarische Kontrolle über die Einhaltung dieser Standards zu haben, müssen Abgeordnete in das Kontrollgremium der Stiftung entsandt werden, und das Parlament muss mit über die Anlagekriterien entscheiden“, argumentierte der Grünen-Politiker.

Unions-Fraktionsvize Hermann Gröhe nannte das Rentenpaket eine verpasste Chance für mehr Generationengerechtigkeit. Es sei ein Neustart in der Rentenpolitik notwendig. „Dafür ist es am besten, die Ampel geht in die Rente.“

Kritik aus der deutschen Wirtschaft

Aus der deutschen Wirtschaft kommt scharfe Kritik an dem geplanten neuen Rentenpaket. Das damit verbundene Versprechen, ein Rentenniveau von 48 Prozent bis 2039 zu garantieren, sei angesichts der derzeitigen demografischen Herausforderung „schlicht kurzsichtig und unseriös“, erklärte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger am Freitag. Leidtragende und Lasttragende seien die Jüngeren und die Arbeitgeber - so werde Arbeit „immer unattraktiver“.

Die Regierung sollte sich stattdessen auf „nachhaltige Reformen bei der betrieblichen und privaten Altersvorsorge konzentrieren“, forderte Arbeitgeberpräsident Dulger. Auch der Hauptgeschäftsführer des Maschinenbauverbands VDMA, Thilo Brodtmann, übte Kritik an dem Rentenpaket. Es mache „Versprechungen auf Kosten der Beitragszahler“. Junge Menschen und Arbeitgeber „sollen Probleme lösen, die die Politik nicht strategisch angeht“. (dpa/AFP)

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