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Nach der stimmungsvollen EM: Ist Berlin bereit für Olympia?
Eine Million Fans auf der Fanmeile, Fußball-Feierlaune in der ganzen Stadt. Die EM war eine erfolgreiche für Berlin – und lässt direkt erneute Ambitionen auf eine Olympia-Bewerbung aufflammen. Zu ambitioniert?
- Kaweh Niroomand
- Martin Einsiedler
- Tanja Kunesch
Stand:
Es dauerte nicht lange bis die ersten Stimmen für eine Berliner Olympia-Bewerbung wieder laut wurden. Kaum ist die EM gemeistert, soll direkt das nächste sportliche Großereignis in der Hauptstadt stattfinden. Doch kann eine EM ein Argument für Olympia sein? Und ist Berlin überhaupt gewappnet dafür?
Drei Experten geben dem Tagesspiegel ihre Einschätzung. Alle Folgen unserer Serie „3 auf 1“ finden Sie hier.
Eine EM taugt nicht als Argument
Kommt sie, die Olympiabewerbung, nun, da in Deutschland eine exorbitant stimmungsvolle und gelungene Fußball-EM zu Ende gegangen ist? Nehmen wir doch mal die schwarz-rot-goldene Brille ab und setzen die weiß-blau-rote oder die weiß-kastanienbraune auf.
Und siehe da: Stimmt, die jüngsten Fußball-Weltmeisterschaften in Russland und Katar waren wunderschön. Gut organisiert, die Fans sind herzlich empfangen worden und Fußball wurde auch gespielt. Soll heißen: Die abgelaufene EM taugt nicht als Argument für Olympia. Viele Länder sind in der Lage, ein großes Sportevent professionell aufzuziehen. Und ja, Deutschland gehört auch dazu. Mehr aber auch nicht.
Gegen Olympia sprechen seit Jahrzehnten die gleichen Gründe: Die Spiele sind wahnsinnig teuer, den Reibach macht der Sportweltverband IOC. Und die Spiele sind – entgegen allen Beteuerungen – nicht nachhaltig.
Für Olympia spricht seit Jahrzehnten: Es bietet die Chance, die Infrastruktur aufzumöbeln (nicht nur die sportliche). Und ja, der sportliche Wettkampf über knapp drei Wochen macht Spaß. Man muss also abwägen, vor allen Dingen aber: die Zustimmung der Bevölkerung dafür einholen.
Es gibt Wichtigeres als Olympia
Olympia ist das größte, prestigereichste Sportereignis der Welt. Wer das erfolgreich austrägt, kann sich des Ruhmes sicher sein. Nach außen, aber auch nach innen. Gleichzeitig lässt sich so ein Mammut-Event auch nur stemmen, wenn die eigene Bevölkerung dahintersteht. Kann sie das aktuell überhaupt? Deutschland ist von Meinungen zerklüftet: Eine Mehrheit schweigt, der Rest ist gespalten und sieht bangen Blickes auf die kommenden Landtagswahlen im Osten.
Es gibt kaum noch ein Thema, über das nicht gestritten wird – ob in der Ampel, am Stammtisch oder zu Hause. Viele sind unzufrieden, von der Inflation gebeutelt und kritisieren die vielen Baustellen in Deutschland, für die nie genug Geld da zu sein scheint: Bildung, Rente oder Pflege. Um die Olympischen Spiele austragen zu können, müssten Millionen in neue Bauten und eine funktionierende Infrastruktur gepumpt werden. Die können der Sportnation Deutschland zwar langfristig zugutekommen, aber sie bergen auch die Gefahr, dass andere wichtige Themen weiter nur auf der Ersatzbank sitzen.
Schub durch Olympia
Eine Olympia-Bewerbung erscheint immer wahrscheinlicher. Das Land Berlin hat sich bereits für die Ausrichtung der Spiele ausgesprochen. Nun sollte auch die Bundesregierung nachziehen. Eine Bewerbung gelingt aber nur dann, wenn sie vom ganzen Land getragen wird.
Gerade für die Stadt Berlin bietet die Austragung große Chancen. Denn Tourismus ist der wohl wichtigste Wirtschaftsfaktor. Leider hat Berlin stark unter der Corona-Pandemie gelitten und sich nicht so schnell erholt wie andere Städte. Die Olympischen Spielen könnten den Tourismus endlich wieder ankurbeln. In Paris wurden dadurch über 150.000 neue Arbeitsplätze in mittelständischen Unternehmen geschaffen.
Darüber hinaus könnte Berlin durch die Ausrichtung der Spiele weltweit an Relevanz gewinnen. Die Jahre nach der Wende haben der Stadt einen Schub verliehen, doch für den ganz großen Schub bräuchte es ein sportliches Großereignis wie Olympia. Die EM hat gezeigt, wie viel Zusammenhalt und Freude so eine sportliches Großevent schaffen kann. Das waren Wochen voller Emotionen, Jubel und positiver Stimmung. Die Spiele wären ein Ziel, auf das wir alle gemeinsam hinarbeiten können.
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