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Bob Hanning spricht über das Füchse-Chaos: „Der schwierigste Prozess meines Lebens“
Nach dem Paukenschlag mit der Doppel-Entlassung von Stefan Kretzschmar und Jaron Siewert äußert sich Hanning zu den Gründen. Unterdessen tritt der neue Trainer Nicolej Krickau ein sehr schweres Erbe an.
Stand:
Eigentlich undenkbar: Vor dem Spitzenspiel in der Handball-Bundesliga wird kein Wort über das Sportliche gesprochen. Am Samstag (15.40 Uhr, Max-Schmeling-Halle/ARD live) empfangen die Füchse Berlin den SC Magdeburg – doch beim amtierenden Meister herrscht Ausnahmezustand.
Trainer Jaron Siewert ist weg, Sportvorstand Stefan Kretzschmar ebenfalls. Dafür kommt Nicolej Krickau. Geschäftsführer Bob Hanning versuchte am Freitag zu erklären, wie es auf dem Höhepunkt des Erfolgs zu diesem Chaos kommen konnte.
Ausgangpunkt der Kettenreaktion sei ein Gespräch zwischen Kretzschmar und Hanning Anfang vergangener Woche gewesen. Kretzschmar habe erklärt, dass er sich ohne eine Verlängerung des eigenen Vertrages „nicht in der Lage sieht, weitere Personalgespräche zu führen“, berichtet Hanning. „Eine Klarheit und Wahrheit, und wichtig von ihm zu wissen.“ Wenige Tage später habe es dann einen ersten Kontakt mit Krickau gegeben, den Hanning als neuen Sportvorstand im Blick hatte.
Letzten Dienstag war es wiederum Kretzschmar selbst, der via Instagram die Reißleine zog und sein Ausscheiden zum Saisonende bekannt gab. Hanning selbst wusste es nicht – hat nach eigener Aussage erst danach eine WhatsApp-Nachricht erhalten. Hanning dazu: „Es ist sein gutes Recht. Ob mir das gefällt als Chef, kann sich jeder selbst vorstellen.“
Es ist sein gutes Recht. Ob mir das gefällt als Chef, kann sich jeder selbst vorstellen.
Bob Hanning über die Vorgehensweise von Stefan Kretzschmar
Wie inzwischen bekannt ist, wird es für Kretzschmar nicht mehr bis Saisonende weitergehen. Man sei gemeinsam zu dem Schluss gekommen, dass sich die Wege sofort trennen, sagt Hanning: „Damit hat er natürlich auch gerechnet.“
Was sich parallel abspielte, betrifft die Situation um Meistertrainer Jaron Siewert. Und hier wird es skurril. Die Verhandlungen zur Verlängerung seines Vertrages seien bereits sehr weit fortgeschritten gewesen. Man hätte sich „bis auf Kleinigkeiten“ bereits geeinigt, sagt Hanning.
Der Geschäftsführer habe das vor dem Saisonauftakt gegen den Bergischen HC am letzten Sonntag sogar schon bekanntgeben wollen. „Aber mit der immer mehr entstandenen Unruhe hatte es keinen Sinn, wenn wir auf der Position etwas anderes tun wollen. Also habe ich das wieder ein Stück weit verschoben.“
Und letztlich komplett gestrichen. Auf eins legt Hanning dabei besonderen Wert: Die Trennung von Siewert sei eine kurzfristige Entscheidung gewesen. Am Mittwoch haben sich die Gesellschafter getroffen und „ich habe unseren neuen Trainer angerufen und ihn gebeten, nach Berlin zu kommen.“
Es kam zur schnellen Einigung, am Tag darauf habe Krickau unterzeichnet. Aber eben nicht nur als Sportvorstand, sondern auch als Trainer. Für die nächsten drei Jahre wird er in Personalunion die Mannschaft trainieren und für die sportlichen Verpflichtungen mit verantwortlich sein.
Jaron Siewert erfuhr erst am Donnerstag von seiner Freistellung
Siewert, der am Mittwochabend beim Sieg in Göppingen noch an der Seitenlinie stand, wusste von nichts. Erst am Donnerstagmorgen informierte Hanning den 31 Jahre alten Coach über dessen sofortige Freistellung.
Und warum? Der Füchse-Boss spricht immer wieder davon, zukunftsorientiert zu denken. Offenbar sah er in seiner Zukunftsvision keinen Platz mehr für Siewert. Genaue Gründe nannte er nicht. „Ich habe die Entscheidungen zu treffen, die für den Verein die vermeintlich richtigen sind.“
Ein schlechtes Gewissen scheint Hanning gegenüber Siewert zu haben, den er seit dessen 15. Lebensjahr kennt: „Ich fühle mich Jaron gegenüber natürlich nicht gut. Ich habe ihm gesagt, dass es der schwierigste Prozess meines Lebens ist, und dass das eine Gesamtsituation ist, die es erfordert, das zu tun.“ Und ergänzt: „Ich habe mich bei ihm entschuldigt.“
Der Zeitpunkt für diesen Wechsel der sportlichen Führung wirkt unverständlich, das gibt auch Hanning zu: „Wenn ich gewusst hätte, dass ich heute hier mit der Entscheidung sitze, hätte ich das im Sommer machen müssen.“ Kretzschmars klare Äußerungen hätten aber überhaupt keinen Handlungsspielraum mehr gelassen. „Dass jede andere Lösung vor dem Spiel gegen Magdeburg eine bessere gewesen wäre, darüber brauchen wir nicht zu diskutieren.“
Nicolej Krickau muss sich jetzt schnell einarbeiten und das Team kennenlernen. Der 38-Jährige war zuletzt bei der SG Flensburg-Handewitt aktiv und dort seit Dezember freigestellt. Der Däne steht nun vor der undankbaren Aufgabe, seinen Einstand direkt gegen den wohl größten Konkurrenten im Titelkampf zu geben. „Mein erster Tag wird unnormal sein“, so Krickau.
Und auch für die Spieler wird alles neu. „Sie sind durch den Erfolg mental auch robuster. Aber klar, wir haben keine Ahnung, wie die Einzelspieler auf so eine Situation reagieren“, sagt der neue Trainer. Am Samstagnachmittag wird man mehr wissen.
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