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„Das sportliche Ziel muss der Aufstieg sein“: Hertha BSC sieht sich für die neue Saison gut aufgestellt
Die Mitgliederversammlung von Hertha BSC steht im Zeichen des Optimismus. Der Klub nimmt sich den Aufstieg zum Ziel und will die Schulden mittelfristig auf null reduzieren.
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Die Mitgliederversammlung lief eine knappe Dreiviertelstunde, als Fabian Drescher, mit frisch gestutztem Bart, erstmals Abbitte beim Auditorium leisten musste. Der Präsident von Hertha BSC gab zu, dass er – sprichwörtlich – mit leeren Händen vor die Mitglieder getreten war. Er hatte auch keinen Zylinder dabei, aus dem er einen neuen Sportgeschäftsführer für den Berliner Fußball-Zweitligisten hervorzauberte.
In der Vergangenheit waren Mitgliederversammlungen für die Entscheidungsträger von Hertha BSC oft eine beliebte und genehme Gelegenheit, spektakuläre Neuigkeiten zu verkünden. Auf die Nachricht, wer künftig bei Hertha als Nachfolger von Tom Herrich operativ die Geschäfte führen wird, müssen die Mitglieder und Fans des Klubs jedoch noch ein bisschen warten.
„Eine Entscheidung ist noch nicht gefallen“, berichtete Drescher. Die rund 1400 anwesenden der aktuell 59.217 Hertha-Mitglieder bat er in dieser Angelegenheit noch um etwas Geduld. „Wir lassen uns bei unserer Entscheidung nicht treiben“, sagte er. „Die Person muss zu Hertha BSC passen – und Hertha BSC zu dieser Person.“
Dass es mit Jonas Boldt nicht gepasst hatte, ist inzwischen bekannt. Mit dem früheren Sportvorstand des Hamburger SV hatte Hertha nachweislich verhandelt. Eine Einigung aber konnte nicht erzielt werden. Für den Posten waren oder sind auch Jochen Sauer, der Nachwuchsleiter des FC Bayern München, und Samir Arabi, der frühere Geschäftsführer Sport von Arminia Bielefeld, im Gespräch.
Namen möglicher oder ehemaliger Kandidaten wollte Drescher nicht kommentieren. Er gab allerdings bekannt, dass für die Suche nach dem passenden Kandidaten „ein externer Personalberater hinzugezogen“ worden sei. Auch ohne den neuen Geschäftsführer aber sei bei Hertha „eine sorgfältige und professionelle Saisonvorbereitung gewährleistet“.
Die Saison 2025/26 soll für Hertha eine wegweisende sein. Nach Platz elf in der gerade abgelaufenen Spielzeit sehe man die kommende ausdrücklich nicht als Übergangssaison, sondern „als ambitionierten Neustart“, erklärte Herthas Präsident. „Wir müssen ambitioniert und hungrig sein“, forderte er. Ziel sei es, „eine Mannschaft aufzustellen, die in der Lage ist, im oberen Bereich der zweiten Bundesliga mitzuspielen“.

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Zu diesem Ziel bekennt sich explizit auch das Ressort Sport. „Diese Ambition ist sehr, sehr klar und deutlich“ und solle auch entsprechend kommuniziert werden, nach innen wie nach außen, sagte Sportdirektor Benjamin Weber.
Nach nun zwei Jahren in der Zweiten Liga sieht er Hertha „ein Stück weit stabiler“ aufgestellt. Die Profimannschaft gehe jedenfalls dank der bereits getroffenen Neuverpflichtungen und Vertragsverlängerungen deutlich besser vorbereitet in die Sommerpause, als es seit dem Abstieg 2023 der Fall gewesen sei.
Hertha zahlt fürs Stadion die volle Miete
Auch finanziell sieht sich der Klub für dieses Unterfangen gerüstet. Hertha habe zuletzt „viel zu viel Geld für viel zu wenig Tabellenplatz“ ausgegeben, sagte Finanzgeschäftsführer Ralf Huschen. „In der Vergangenheit wurde aus sehr viel sehr wenig gemacht“, in Zukunft solle es umgekehrt sein.
Herthas Finanzgeschäftsführer sagte mit Blick auf die neue Saison: „Wir haben ein Budget, das reicht, um unter die ersten drei zu kommen. Das sportliche Ziel muss der Aufstieg sein.“
Huschen, der seit dem vergangenen Sommer für den Klub arbeitet, gab zwar zu, dass Aussagen über Herthas finanzielle Situation „in der Vergangenheit nicht immer gut gealtert“ seien. Trotzdem äußerte er sich über den aktuellen Zustand sehr optimistisch: „Wirtschaftlich haben wir wichtige Fortschritte gemacht.“
Bereits im aktuellen Geschäftsjahr, das am 30. Juni endet, werde Hertha ein positives operatives Ergebnis erzielen, kündigte Huschen an. Ziel für die kommende Saison sei dann „erstmals nach vielen Jahren ein Nettogewinn“. Mittelfristig, nämlich innerhalb der nächsten fünf Jahre, sei es das Ziel, „den Verein komplett schuldenfrei darzustellen“.
Der Klub sei dabei „auf einem guten Weg“, sagte Huschen. „Ich glaube, dass man schon Licht am Ende des Tunnels sehen kann.“ Auf Nachfrage erklärte er, dass Hertha die im ersten Zweitligajahr gestundete Miete für das Olympiastadion zurückgezahlt habe – und dass die Miete schon in der vergangenen Saison gar nicht mehr gestundet worden sei. „Als ordentlicher Kaufmann zahle ich immer meine Rechnungen“, sagte Huschen.
Keine Neuigkeiten konnte Präsident Drescher in Sachen des Investors 777 Partners verkünden, der sich inzwischen in Abwicklung befindet und mittlerweile von der New Yorker Versicherungsgesellschaft Advantage Capital Holdings LLC kontrolliert wird. Das Unternehmen hält 78,8 Prozent der Anteile an Hertha BSC. Es gebe immerhin wieder Kontakt, erklärte Drescher, allerdings bisher „keinerlei Signale, dass kurzfristig ein Verkauf der Anteile im Raum steht“.
Das drängendste Problem besteht derzeit darin, dass Hertha aktuell noch keine gültige Lizenz für die kommende Zweitligasaison besitzt und dafür bis zum 4. Juni noch eine Auflage der Deutschen Fußball-Liga erfüllen muss. Huschen bestätigte, dass die Lizenz an der Nordic-Bond-Anleihe über 40 Millionen Euro hängt, die Hertha im November zurückzahlen muss.
Der Klub fährt in dieser Angelegenheit zweigleisig. Erste Option ist ein Finanzierungskonzept, damit Hertha die Anleihe fristgerecht zurückzahlen kann, etwa über ein Darlehen zu einem möglicherweise geringeren Zinssatz, als die Anteilseigner aktuell erhalten. Alternativ könnte die Anleihe erneut verlängert werden. Einem entsprechenden Angebot müsste bis zum 4. Juni mindestens die Hälfte der Anteilseigner zustimmen.
„Plan ist ganz klar, die Anlage am 8. November zurückzuzahlen“, sagte Huschen. Aus rechtlichen Gründen könne er sich noch nicht ausführlicher zu dieser Angelegenheit äußern, aber was die Lizenzerteilung angehe, das sei er „sehr, sehr optimistisch“.
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