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Grund zum Grübeln. Stefan Leitl (rechts) muss bis zum Start der Zweitligasaison noch einige Rätsel lösen.

© imago/Matthias Koch/imago/Matthias Koch

Die Erkenntnisse aus dem ersten Testspiel: Der Kader von Hertha BSC hat noch zu viele Unwuchten

Die Berliner wollen im dritten Anlauf endlich die Rückkehr in die Bundesliga schaffen. Doch der Test beim Ludwigsfelder FC zeigt deutlich, wo Hertha noch nachbessern muss.

Stand:

Fabian Reese sah aus, als wäre er kurz davor zu zerfließen. Der Schweiß rann aus jeder Pore seines Körpers, als er sich im Waldstadion von Ludwigsfelde in die Kabinen flüchtete.

Wie nahezu alle seiner Kollegen von Hertha BSC, so hatte auch Reese bei brennender Sommersonne im Testspiel gegen den Sechstligisten Ludwigsfelder FC eine Halbzeit auf dem Rasen gestanden. Danach aber war der Arbeitstag noch längst nicht zu Ende. Henrik Kuchno, Athletiktrainer des Berliner Fußball-Zweitligisten, ließ die Spieler nach dem Schlusspfiff noch einige Male in anspruchsvollem Tempo den Platz rauf- und runterlaufen.

Wir müssen halt einfach mehr Tore machen.

Herthas Trainer Stefan Leitl

Eine Strafe für den zeitweise trägen Auftritt und den dürren 3:0-Erfolg gegen die Amateure aus Brandenburg? Natürlich nicht. „Für mich ist wichtig, dass wir physisch unseren Umfang erzielen, dass die Jungs auf die Parameter kommen, die wir vorgeben“, sagte Herthas Trainer Stefan Leitl. Deswegen die Läufe.

Das Thema Fitness wird in der Vorbereitung auf die neue Zweitligasaison bei den Berlinern eine zentrale Rolle einnehmen. Leitl hat das bereits offen so kommuniziert. Und wer bei den Trainingseinheiten regelmäßig zuschaut, der wird nicht daran zweifeln, dass er es ernst meint. Athletiktrainer Kuchno bekommt jedenfalls ausreichend Raum und Zeit, sich und seine Vorlieben auszuleben.

Am dritten Tag der Vorbereitung schickte er die Spieler auf die blau-weiße Tartanbahn im Hanns-Braun-Stadion auf dem Olympiagelände. Die Vorgabe: fünf Runden unter sieben Minuten. Irgendwann sortierte sich das Feld. Vornweg liefen die Offensiv- und Mittelfeldspieler, danach kamen die Verteidiger und am Ende die Torhüter.

Nur Sebastian Gröning sprengte die Ordnung. Der Mittelstürmer kam als Drittletzter über die Ziellinie, knapp vor Innenverteidiger John Anthony Brooks, der nach einjähriger Verletzungspause gerade um Anschluss ringt, und etwas weniger knapp vor dem vierten Torhüter Robert Kwasigroch. „Ich glaube, dass man den Jungs, die wie Sebastian aus der Dritten Liga kommen, einfach ein bisschen Zeit geben muss, hier anzukommen“, sagt Stefan Leitl.

Dass der neue Stürmer, der ablösefrei vom FC Ingolstadt nach Berlin gewechselt ist, sich noch an Intensität und Geschwindigkeit in seiner neuen sportlichen Umgebung anpassen muss, ist offensichtlich. Es zeigte sich auch am Samstag in Ludwigsfelde, als sein Puls gerade in den für einen Mittelstürmer entscheidenden Momenten womöglich einen Tick zu hoch war. Beim Torabschluss nämlich.

Nach einer knappen Viertelstunde hatte der 28 Jahre alte Däne im ersten Einsatz für seinen neuen Verein die erste richtig gute Chance. Jon Dagur Thorsteinsson legte den Ball auf ihn ab, Grönning stand vier Meter vor dem Tor völlig frei – und schaffte es trotzdem nicht, Konstantin Lehmann zu überwinden. Ludwigsfeldes Torhüter lenkte Grönnings Schuss an den Pfosten.

Nicht drin. Sebastian Grönning vergab die große Chance zum 1:0. Torwart Konstantin Lehmann lenkte den Ball an den Pfosten.

© imago/Matthias Koch/imago/Matthias Koch

Wiederum eine Viertelstunde später schlug Herthas Linksverteidiger Michal Karbownik mit seinem rechten Fuß eine Flanke in den Ludwigsfelder Strafraum. Am langen Pfosten rauschte Grönning heran. Er erwischte den Ball zwei Meter vor dem Tor knapp über der Grasnarbe mit dem Schädel und setzte ihn am Pfosten vorbei.

„Da musst du als Stürmer sein“, sagte Leitl. „Er war dort, kann die Tore dann auch machen.“ Doch vielleicht brauche der Däne jetzt, da die Belastung im Training richtig hoch sei, einfach den einen oder anderen Moment mehr zum Regenerieren. „Aber dafür ist eine Vorbereitung ja auch da.“

Sebastian Grönning ist mit der Empfehlung nach Berlin gekommen, in der vergangenen Saison 17 Tore für Ingolstadt erzielt zu haben. Wie viele das umgerechnet auf die Zweite Liga sind? Schwer zu sagen. Der Däne hat bereits viele Vereine auf verschiedenen Ländern in seinem Lebenslauf stehen, CD Castellón aus Spanien, OFI Kreta aus Griechenland und die Suwon Bluewings auf Südkorea. Auf höchstem Niveau aber hat er sich noch nicht dauerhaft durchsetzen können.

Fünf Wochen sind es noch, bis Hertha mit dem Spiel beim FC Schalke 04 in die neue Saison der Zweiten Liga startet. Der Kader ist im Kern zusammengeblieben, aber dass es in ihm noch einige Unwuchten gibt, das hat auch das Spiel in Ludwigsfelde gezeigt. Sie betreffen vor allem den Sturm, aber nicht nur.

John Anthony Brooks feierte sein Comeback

In einigen Mannschaftsteilen ist Hertha mehr als üppig besetzt. Im zentralen Mittelfeld zum Beispiel, aber auch in der Innenverteidigung, in der John Anthony Brooks am Samstag nach mehr als einem Jahr sein Comeback feierte und womöglich tatsächlich noch mal eine ernstzunehmende Alternative werden könnte. Allein für die linke Position der Dreierkette gäbe es dann mit ihm mit Marton Dardai, dem Rückkehrer Tim Hoffmann sowie Neuzugang Niklas Kolbe vier Kandidaten.

Auf den Außenbahnen hingegen ist das Angebot eher eingeschränkt. Dass sich Deyovaisio Zeefuik unter der Woche im Training an der Wade verletzt hat, sei „schon mal ärgerlich“, sagte Trainer Leitl. „Deyo ist ein unglaublich wichtiger Spieler.“ Gegen Ludwigsfelde musste er Boris Lum, der eigentlich zentraler Mittelfeldspieler ist, mangels anderer Kandidaten als rechten Schienenspieler aufbieten. Immerhin soll Zeefuik nicht allzu lange ausfallen, maximal zehn Tage.

Luca Schuler fehlt weiterhin

Die Suche nach einem weiteren Mann für die Außenbahn genießt bei Hertha trotzdem eine gewisse Dringlichkeit. Noch dringlicher aber wäre die Verpflichtung eines treffsicheren Mittelstürmers. Die Lücke, die Haris Tabakovic mit seinem Wechsel nach Hoffenheim im August des vergangenen Jahres gerissen hat, ist immer noch nicht geschlossen worden.

Luca Schuler, im Sommer 2024 als Ersatz für Tabakovic verpflichtet, hat die Erwartungen mit nur vier Toren aus 20 Spielen nicht erfüllen können. Zudem ist er weiterhin verletzt, eine Prognose für seine Rückkehr ins Teamtraining derzeit nicht möglich.

Hertha BSC wird auch in der kommenden Saison im 3-5-2-System auflaufen. Heißt: Trainer Leitl benötigt noch einen Nebenmann für Fabian Reese, der beim 3:0-Sieg in Ludwigsfelde die letzten beiden Tore erzielt hat. Am Ende der vergangenen Saison war das vornehmlich Derry Scherhant, der mit sieben Treffern hinter Reese (elf) der zweitbeste Torschütze der Berliner war – der aber inzwischen beim SC Freiburg unter Vertrag steht.

Auch Florian Niederlechner, Herthas drittbester Torschütze (sechs Treffer), und Ibrahim Maza, der fünftbeste Torschütze (fünf Treffer), haben den Klub inzwischen verlassen. Dass Stefan Leitl nach dem Spiel in Ludwigsfelde klagte „Wir müssen halt einfach mehr Tore machen“, war daher angesichts dieser Voraussetzungen vermutlich leichter gesagt als getan.

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