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Para-Reiterin Nowak kam über Umwege an ihr Ticket für Paris.

© IMAGO/Mika Volkmann/IMAGO/Mika Volkmann

Die Geschichte von Para-Reiterin Nowak: „Ich verdanke meinen Pferden mein Leben“

Die Para-Reiterin kam über Umwege an ihr Ticket für Paris. Bei ihrem Paralympics-Debüt am Mittwoch belegte sie mit ihrem Pferd Siracusa OLD nun den vierten Platz.

Von Carla Vitón Tamayo

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Nach einigen Tagen Urlaub in der Türkei tragen Isabell Nowak und ihr Mann die gepackten Koffer vor das Hotel. Sie wollen gerade die Heimreise antreten, als plötzlich das Handy klingelt. Als die Para-Reiterin rangeht und den Worten am anderen Ende der Leitung lauscht, fängt sie direkt an zu weinen – denn dieses Telefonat hat ihr soeben einen Lebenstraum erfüllt: Sie fährt zu den Paralympics nach Paris.

Nowak, die 2022 in den Para-Bundeskader berufen wurde, hatte die Shortlist für die Sommerspiele in Paris verpasst und erhielt stattdessen die Position als erste Reserve. Als dann wenige Wochen vor der Abreise das Pferd von Martina Benzinger verstarb, erhielt Nowak den Anruf und rückte als vierte Reiterin im deutschen Team nach.

Die dunkelhaarige Sportlerin brauchte erstmal eine Woche, um alles begreifen zu können. Vor allem, weil sie in Gedanken bei Benzinger war. „Natürlich weiß man immer, wenn man als erste Reserve zum Zuge kommt, dass ein Schicksal vorausgehen muss“, erzählt die ehemalige Polizistin: „Aber in meinem Fall hat das Schicksal einfach zu hart zugeschlagen.“

Es dauerte, ehe die Freude durchkam und auch der Stolz. „Natürlich ist es ein Lebenstraum, hier mal mitreiten zu dürfen“, erzählt die 41-Jährige. Durch ihre stetig ansteigenden Leistungungen konnte sie „die ganze Saison vorne mitmischen“. Sicherlich nicht einfach – aber sie möchte in Paris alles geben. „Jetzt werden wir sehen, wofür es reicht.“

An Siracusa OLD kam Para-Reiterin Nowak über die Instagram-Story einer Freundin

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Als Reservistin hat sich Athletin die Wochen vor den Paralympics genauso vorbereitet, als wenn sie teilnehmen würde. So gab es geregelte Abläufe – harte Trainings- und entspannte Ruhephasen –, die für ihren hochsensiblen Wallach Siracusa OLD, Siri genannt, nötig sind.

Morgens kam Siri erst auf seine Weide, danach folgten Training und eine reichhaltige Mahlzeit. Die Vorbereitung plante sie ganz strukturiert, in dem Nowak viel Abwechslung hereinbrachte: einen Tag im Viereck mit Lektionen aus der gestellten Aufgabe, den nächsten Tag locker im sogenannten vorwärts-abwärts reiten oder im Ausreitgelände die Seele baumeln lassen.

Als Vorbereitung trainierte Nowak im Olympiastützpunkt in Hannover zusammen mit anderen Kaderathleten, auch aus dem Regelsport. Sie versuchte, ihren Körper immer ein bisschen mehr zu stabilisieren, sodass „ich vielleicht doch etwas mehr einwirken kann und aus meinem Handicap alles so optimal raushole, wie es geht.“ Im Jahr 2007 hatte Nowak einen Verkehrsunfall, geblieben ist davon vor allem eine Bewegungs- und Kraftschwäche. Um ihre zurückerlangte Rückenbeweglichkeit aufrechtzuerhalten, muss Nowak jeden Tag reiten.

Nach dem Unfall habe sie nicht mal ihren Kopf selbstständig halten können – durch den Reitsport bekam sie mehr zurück, als sie erhofft hatte. Schon als sie im Regelsport ritt, verspürte sie eine tiefe Verbundenheit zu ihren Tieren. „Jetzt ist das aber einfach nochmal viel bedeutsamer – ich verdanke meinen Pferden mein Leben und die Qualität, mit der ich es leben kann.“

Bei Siri merkt man, dass er einen immer mehr verstehen will.

Isabell Nowak

An Siracusa OLD kam sie, als sie die Instagram-Story einer Freundin sah, die ihn als Verkaufswert bei sich hatte. Nachdem Nowaks Kaderpferd Stanford verstorben war, machte sie sich auf Pferdesuche – was sich als eine kleine Herausforderung entpuppte. Es sei nicht einfach, ein Pferd zu finden, „was dann auch auf das Handicap matcht.“ Aber beim Probereiten von Siri wusste sie schon im Schritt: Das ist das Pferd für mich.

„Bei Siri merkt man, dass er einen immer mehr verstehen will“, sagt IsabellNowak. Seit anderthalb Jahre sind die beiden nun ein Paar, was für die Sportart noch keine lange Zeit ist. Über Kleinigkeiten haben die beiden daran gearbeitet, dass Pferd und Reiter sich immer mehr verstehen. Für bestimmte Lektionen hat sie eine gewisse Atemtechnik, wo er dann genau wisse, was sie von ihm erwartet. Zusätzlich bestärke sie ihn durch ihre Stimme. Diese Saison war das anhand einer beständigen Steigerung ihrer Prozente bemerkbar, findet die Reiterin.

Ihren Eindruck konnte Nowak am Mittwoch, ihrem ersten Para-Reitsporttag in Versailles, sogleich bestätigen. Lange Zeit durfte sie sogar auf eine Medaille hoffen – am Ende wurde es der undankbare vierte Platz, der ihr aber immerhin zur Qualifikation für die Kür am Samstag reichte.

Wenn Isabell Nowak von ihrem Pferd spricht, hat sie ein Grinsen im Gesicht und ihre Augen leuchten. Siri vibriere leicht, wenn er einen richtig guten Tag habe. Dann wisse er auch, dass er sehr gut gewesen ist. „Wenn wir abgeliefert haben und ich ihn dann lobe“, sagt die Reiterin: „Wiehert er einmal los – so nach dem Motto: Yeah!“

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