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Florian Lipowitz

© dpa/Stefano Cavasino

„Die große Hoffnung des Radsports“ : Florian Lipowitz will bei der Tour de France auftrumpfen

Erst 24 Jahre alt und schon die größte Hoffnung des deutschen Radsports – doch davon will Florian Lipowitz nichts wissen. Seine Leistungen versprechen ein starkes Debüt bei der Tour de France.

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Dieser junge Mann ist besonders. Er steht immer öfter im Mittelpunkt, schert sich aber nicht sonderlich darum. Er begann mit Wintersport – auf Skiern und mit einer Waffe auf dem Rücken. Jetzt hat er einen Sattel unter dem Gesäß und gelegentlich eine Trinkflasche unter dem Trikot verstaut.

Florian Lipowitz heißt er, und er ist momentan Deutschlands größte Radsporthoffnung. Denn nach einer Periode mit großen Sprintern wie Marcel Kittel und André Greipel sowie dem Zeitfahrspezialisten Tony Martin, können die Fans hierzulande sich endlich wieder über jemanden freuen, der bei großen Rundfahrten auftrumpfen kann. Die 112. Tour de France, die an diesem Samstag in Lille beginnt, könnte daher zum Sprungbrett für eine große Karriere werden.

Sein Potenzial deutete Lipowitz schon in den vergangenen beiden Saisons an. Bei der Spanienrundfahrt 2024 kam er auf einen starken siebten Gesamtrang – und das trotz Helferaufgaben für Teamkollege und Gesamtsieger Primoz Roglic.

Ich würde ihn weder in die Kategorie Edelhelfer, noch Co-Leader, noch sonst irgendwas packen.

Rolf Aldag, Sportdirektor von Bora-hansgrohe über die Rolle von Florian Lipowitz

Lipowitz war immer zur Stelle, wenn ihn sein Chef brauchte. An einigen Tagen schien er sogar stärker als der Slowene. Er wartete dann auf den Kapitän und brachte ihn mit geschicktem Pacing wieder nach vorn. Als seine große Stärke bezeichnete er später seine Regenerationsfähigkeit. „Mein Körper kann sich gut erholen“, sagte er nach der Vuelta dem Tagesspiegel.

Lipowitz macht Fortschritte in Sachen Explosivität

Luft nach oben sieht er aber auch noch. Vor allem in Sachen Explosivität und in der Spezialdisziplin Zeitfahren möchte er sich verbessern. Für den Kampf gegen die Uhr quälte er sich im Windkanal, optimierte so seine Sitzposition, die aerodynamisch, aber auch biomechanisch günstig ist. Zugleich vermittelte ihm der ganze Stab von Trainern und Materialtüftlern beim Windkanaltraining, wie wichtig er für den Rennstall ist, wie viele Ressourcen gerade für ihn eingesetzt werden.

Fortschritte in Sachen Explosivität zeigte er im Juni bei der Dauphiné-Rundfahrt, dem großen Vorbereitungsrennen für die Tour de France. Dort vermochte er zwar – noch – nicht Schritt zu halten mit den beiden Tour-Siegern Tadej Pogačar und Jonas Vingegaard. „Da fehlt noch etwas, um auf deren Niveau zu kommen“, gab er freimütig zu. Aber den dritten der großen Drei im Grand-Tour-Geschäft, Vuelta-Triumphator und Zeitfahrolympiasieger Remco Evenepoel, hängte er mit seinen Beschleunigungen ab.

Lipowitz wurde Gesamtdritter – und danach auch von der internationalen Presse gefeiert. Als den „Deutschen mit dem großen Motor“ stellte ihn etwa das Sportblatt „L’Equipe“ den Leserinnen und Lesern in Frankreich vor. Von der „großen Hoffnung des Radsports“, nicht nur des deutschen Radsports, sondern der globalen Rennradbranche, schrieb die belgische Tageszeitung „Le Soir“.

Vor fünf Jahren war dies alles noch kaum vorstellbar. Da fühlte der Nachwuchsbiathlet Lipowitz vorsichtig beim Rennstallgründer von Bora – hansgrohe, Ralph Denk, vor, was er bei einem Wechsel in den Radsport zu beachten habe. „Er wollte von mir wissen, was er tun muss, um Radprofi zu werden. Denn als Biathlet traf er kaum noch etwas“, erzählt Denk.

Florian Lipowitz gilt als große Hoffnung des Radsports.

© dpa/Roth

Dem Oberbayern gefiel die Chuzpe, dass Lipowitz direkt bei ihm anrief. Ihn begeisterte dann regelrecht, dass der junge Mann die Fahrt vom Skigynmnasium Stams in sein Büro in Bayern mitten im Winter per Rad erledigte – und trotz Schnees auch am Abend wieder zurück mit dem Rad fuhr. „Es braucht solche Menschen mit Energie und Willenskraft“, meinte Denk später.

Nach einem ersten Eignungstest wurde Lipowitz dann zum Kooperationsrennstall Tirol KTM Cycling vermittelt. Seit Januar 2023 ist er vollwertiger Radprofi im Team. Dort überzeugt er vor allem mit seinen Kletterqualitäten. Er ist darin mittlerweile so gut, dass man für ihn eine neue Rolle im Rennstall erfand.

„Ich würde ihn weder in die Kategorie Edelhelfer, noch Co-Leader, noch sonst irgendwas packen“, meinte Sportdirektor Rolf Aldag vor der Tour. Co-Leader würde die Erwartungen noch weiter anheizen. Mehr als ein Edelhelfer ist Lipowitz aber auch. Die ersten neun Tage wird er vor allem durch die Klassikerfraktion im Team vor Rückschlägen bei den durch Wind und giftige Anstiege geprägten Etappen in Nordfrankreich geschützt verbringen.

Wohin die Reise in der Gesamtwertung für ihn gehen kann, dürfte sich beim flachen Zeitfahren auf der fünften Etappe klarer abschätzen lassen. Sein Lieblingsterrain erreicht er dann ab Etappe zwölf, wenn es erstmals in die Pyrenäen geht. Bis dahin wäre es ein gutes Zeichen, wenn er so Kraft sparend und damit unauffällig fährt, dass es nichts über ihn zu berichten gibt.

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