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„Ich bin ein Kind der A-Nationalmannschaft“, sagt Rudi Völler (r.), der neue DFB-Sportdirektor.  Dieses Foto aus dem Jahr 1981 ist der Beleg dafür.

© imago/Sportfoto Rudel

Die Fußball-Nationalmannschaft und ihre Lehren aus Katar: Vorwärts in die Vergangenheit

Nach der verkorksten WM soll im deutschen Fußball einiges anders und besser werden. Die Verzahnung zwischen der Nationalmannschaft und der U 21 zum Beispiel.

Hansi Flick mag über viele Qualitäten verfügen, zu einem aber taugt er ganz sicher nicht: zum Zeitzeugen, der die Öffentlichkeit ausgiebig an seinen wertvollen Erinnerungen teilhaben lässt. Der Versuch, dem Bundestrainer der deutschen Nationalmannschaft zu Ereignissen aus der Vergangenheit, zu legendären Fußballspielen zum Beispiel, etwas Erhellendes zu entlocken, ist hoffnungslos zum Scheitern verurteilt. Flick redet einfach nicht gerne darüber, was früher war.

Das unterscheidet ihn von Rudi Völler, dem neuen Sportdirektor des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Am Montagvormittag sitzen beide zusammen mit Antonio di Salvo, dem Trainer der deutschen U 21, auf dem Podium im Medienraum der neuen DFB-Akademie. Eigentlich soll es um die Zukunft des deutschen Fußballs gehen. Aber bei Völler mit seinem reichen Erfahrungsschatz als Spieler, Trainer und Funktionär funktioniert das nicht ohne Rückgriff auf die Vergangenheit.

Dass genau diese drei zur Eröffnung des Länderspieljahres auf dem Podium sitzen, das sei „mit Bedacht gewählt“, berichtet Völler. Es steht für die Verzahnung der beiden wichtigsten DFB-Teams im Männerbereich, Flicks A-Nationalmannschaft und di Salvos U 21. „Die Verzahnung ist wichtig“, sagt der Bundestrainer.

Warum, das kann Rudi Völler mit Beispielen aus der Vergangenheit belegen. Als die Deutschen 2014 bei der WM in Brasilien letztmals einen Titel holten, da standen im Kader der Nationalmannschaft sechs Spieler, die im Sommer 2009 mit der U 21 in Schweden Europameister geworden waren.

Noch weiter liegen Völlers eigene Erfahrungen zurück. „Ich bin ein Kind der U 21“, sagt er. Mit den Junioren, trainiert von Berti Vogts, wurde er 1982 Vizeeuropameister. In diesem Team, so Völlers Erinnerung, habe bereits gut die Hälfte der Weltmeister von 1990 gespielt. Im Grundsatz stimmt das, auch wenn in den beiden U-21-Finalspielen gegen England tatsächlich nur drei spätere Weltmeister zum Einsatz kamen: Lothar Matthäus und Völler im Hinspiel, sowie Pierre Littbarski in beiden Begegnungen (1:3, 3:2).

Derzeit bereiten sich sowohl die U 21 als auch die A-Nationalmannschaft in Frankfurt am Main auf ihre ersten beiden Länderspiele im Jahr 2023 vor. Zweimal in dieser Woche werden sie auf dem DFB-Campus „Tür an Tür“ trainieren, wie di Salvo sagt. Außerdem ist ein gemeinsames Essen im Hotel der A-Nationalmannschaft geplant. „Damit wir diesen Zusammenhalt wieder kreieren“, sagt Völler.

Drei Mann, zwei EM-Turniere, ein Ziel. Hansi Flick, Rudi Völler und Antonio di Salvo (v. l.), für den mit der U 21 schon in diesem Sommer die EM-Endrunde ansteht.
Drei Mann, zwei EM-Turniere, ein Ziel. Hansi Flick, Rudi Völler und Antonio di Salvo (v. l.), für den mit der U 21 schon in diesem Sommer die EM-Endrunde ansteht.

© dpa/Arne Dedert

Ein bisschen aktionistisch wirkt das alles, genau wie der Versuch, sich mit einer öffentlichen Trainingseinheit nach Jahren der totalen Abschottung auf einmal wieder volksnah zu geben. Manches ist von Panik getrieben nach der verkorksten WM im Advent und mit Blick auf die Europameisterschaft im Sommer des kommenden Jahres. Aber das heißt ja nicht, dass es falsch ist.

In Flicks ursprünglichem Kader für die Länderspiele gegen Peru (Samstag) und Belgien (nächsten Dienstag) standen fünf Spieler, die noch für die U 21 spielen dürften, darunter drei der fünf Neulinge. Mit Malik Thiaw vom AC Mailand, der für den verletzten Armel Bella Kotchap nachnominiert wurde, ist ein sechster Neuling und ein fünfter U-21-Spieler hinzugekommen. Der Innenverteidiger war zuletzt sogar Kapitän in di Salvos Team.

Flick fürchtet, dass der Trainerkollege aus der U 21 „nicht ganz so erfreut von unseren Gedanken“ gewesen sei – weil für ihn und seine Mannschaft schon in diesem Sommer die EM-Endrunde (in Georgien und Rumänien) ansteht. Aber dem widerspricht di Salvo: „Ich war erfreut, ich bin erfreut.“ Schließlich sei die Nominierung in die A-Nationalmannschaft nicht nur eine Auszeichnung für die Spieler selbst, sondern auch für all deren Trainer, die mit ihnen gearbeitet haben.

„Unsere Aufgabe ist es, dass wir die Mannschaft breiter aufstellen“, erklärt Flick. In seinem Aufgebot sei daher auch der eine oder andere Spieler, den die Experten nicht so auf dem Schirm gehabt hätten, aber: „Wir sehen Potenzial in den Spielern“, sagt der Bundestrainer. „Man muss schon sagen, dass es ein gutes Team werden kann.“

Die beiden anstehenden Länderspiele sowie die nächste Maßnahme im Juni dienen Flick explizit der Kandidatensichtung. In Phase zwei wird es dann darum gehen, eine Stammelf für die EM im Sommer 2024 herauszubilden. „Dann haben wir noch ein Jahr Zeit“, sagt der Bundestrainer. „Das müsste vollkommen ausreichen.“

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