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Die Zukunft des deutschen Frauenfußballs: Ein DFB-Team mit Potenzial, ein System mit Problemen
Diese EM hat offenbart, dass Deutschland den Top-Nationen auf struktureller Ebene weiterhin hinterherhinkt. Christian Wück stellt daher zurecht Forderungen an Verband und Vereine.
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Es wirkte fast so, als wollte Christian Wück schnellstmöglich vom eigentlichen Thema des Abends ablenken: der Niederlage Deutschlands im Halbfinale gegen Spanien. Kurz betonte der Bundestrainer in der Nacht auf Donnerstag, wie stolz er auf sein Team sei, dann aber sprach er schon die ganz großen Themen des deutschen Frauenfußballs an.
Er bemängelte einerseits die eigene fußballerische Qualität: „Die Ballbesitzphasen müssen wir besser machen. Das gehört zu einer Top‑Mannschaft – und das fehlt uns natürlich noch zu Spanien oder England.“ Genau dort müsse man ansetzen und die im vergangenen Oktober bei seinem Amtsantritt begonnene Entwicklung weiter vorantreiben. „Sodass die Mannschaft dann auch irgendwann wieder in der Lage ist, solche Turniere zu gewinnen.“ Andererseits forderte Wück auf struktureller Ebene eine bessere Talentförderung in Deutschland.
Das DFB-Team hat durchaus bewiesen, dass es noch immer mit den Nationen an der Weltspitze wie Spanien, England oder Frankreich mithalten kann. Dass sie Mannschaften diese allerdings auch mal bei einer wichtigen Endrunde besiegt, stellt mittlerweile eher die Ausnahme dar.
Das Maß aller Dinge bleiben die aktuellen Weltmeisterinnen aus Spanien, die nun am Sonntag in Basel gegen England auch nach dem EM-Titel greifen. „Sie haben bewiesen, welche Ausnahmetalente sie in ihrer Gruppe haben“, lobte Wück. „Das war für den neutralen Zuschauer schon ein Genuss, da zuzuschauen, wie sie den Ball haben laufen lassen, welche Technik die einzelnen Spielerinnen besitzen.“
Wir alle müssen das zusammen hinbekommen, dass wir die Talentförderung auf das nächste Level heben.
Christian Wück, Bundestrainer
Um dahin zu kommen, brauche es ein Umdenken auf Vereins- und Verbandsebene. „Wir alle müssen das zusammen hinbekommen und schauen, dass wir die Talentförderung auf das nächste Level heben“, meinte Wück. „Im Juniorenbereich sind wir da viel, viel weiter als im Juniorinnenbereich, aber es kommen immer mal wieder Talente.“
Dabei hob er die jungen Nachwuchsspielerinnen Carlotta Wamser (21) und Franziska Kett (20) hervor, welche die hohen Erwartungen an sie vollends erfüllt hätten. „Wir brauchen viel mehr von denen. Wir brauchen Geschwindigkeit, gute Ballbehandlung, sehr gutes Zweikampfverhalten.“
Der DFB schaffte einst die Juniorinnen-Bundesliga ab
Der DFB hat vor etwas über zwei Jahren bereits versucht, einen ersten Schritt in diese Richtung zu gehen, indem er zur Saison 2024/25 die Juniorinnen-Bundesliga abschaffte. Das Argument damals lautete, dass zu wenig Nationalspielerinnen aus der B-Juniorinnen-Bundesliga (BJBL) hervorgehen würden. Einige Vereine kritisierten diese Entscheidung scharf, zumal Spielerinnen wie Klara Bühl, Laura Freigang, Lea Schüller oder Jule Brand alle mal die BJBL durchliefen.
Die Entscheidung der Verantwortlichen beruhte auf der Voraussetzung, dass die Grundlagen für den Aufbau der Förder- und Leistungszentren in Vereinen, sogenannter Nachwuchsleistungszentren (NLZ), gegeben seien. In der Realität werden die in der Installierung teuren NLZ’s zwar gefördert, aber nicht entsprechend finanziell honoriert.
Nach wie vor gibt es keine Ausbildungsentschädigungen im Frauenfußball, was es gerade kleineren Vereinen schwer macht, zu Topklubs wie dem FC Bayern oder dem VfL Wolfsburg aufzuschließen. Andere Nationen wie England oder selbst Italien sind viel weiter, wenn es um die Professionalisierung der Spitze, aber auch der Breite geht.
Es braucht eine Debatte abseits von Zuschauerrekorden
Nach diesem Turnier braucht es daher in Deutschland eine viel größer angelegte Debatte, die auch über den Fokus auf die Erste Bundesliga und etwaige Zuschauerrekorde hinausgeht. Die EM hat abermals für große Euphorie hierzulande gesorgt, das Interesse der deutschen Fans ist aber ohnehin stetig am Steigen. Selbst ein Ausscheiden im Viertelfinale hätte diesem Wachstum keinen Dämpfer verpasst.
Die geplante Auslagerung der Bundesliga aus dem DFB hin zu einer eigenständigen Ligastruktur – ähnlich wie bei der DFL im Männerfußball – bleibt aber eines der wichtigsten Strukturprojekte im deutschen Frauenfußball, um die Professionalisierung aller Teams voranzubringen. Diese Auslagerung soll aller Voraussicht nach schon zur kommenden Saison umgesetzt werden.
Das deutsche Nationalteam war schon immer das Aushängeschild der Bundesliga und dieses Turnier war auch ohne das Erreichen des anvisierten EM-Gewinns mit der Halbfinalteilnahme ein Erfolg. Wenngleich die fußballerische Qualität dabei durchaus noch viel Potenzial nach oben hat. „Ich denke, die Mannschaft hat eine sehr vielversprechende Zukunft, wir haben viele junge Spielerinnen in unseren Reihen, die wirklich ein herausragendes Turnier gespielt haben und genau das stimmt mich sehr positiv für den deutschen Frauenfußball“, meinte Nationalspielerin Sara Däbritz.
Sie wird erstmal die einzige Europameisterin im aktuellen Kader bleiben. Und die Durststrecke, seit Olympia 2016 keinen Titel mehr gewonnen zu haben, noch mindestens zwei weitere Jahre bis zur WM in Brasilien 2027 andauern. „Wir werden weitermachen und weiter hart an uns arbeiten und stärker zurückkommen.“
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