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Ein Jahr nach Olympia in Paris: Viele Franzosen fühlen sich verschaukelt
Olympia in Paris war eine große Party. Doch nach der Feier folgt ein Jahr später die Ernüchterung: Etliche Versprechungen konnten nicht eingehalten werden.
Stand:
Am Abend, wenn es schon dunkel ist, steigt dieser Tage wieder der olympische Ballon auf. Sein künstliches Feuer leuchtet, Tausende Menschen verfolgen das Spektakel am Jardin des Tuileries neben dem Louvre. So wie vor genau einem Jahr, als der Ballon in der französischen Hauptstadt die weltweit so gefeierten olympischen Tage in Paris abrundete.
Olympia in Paris war so etwas wie die Wiedergeburt der Spiele mit den fünf Ringen. In den Jahren zuvor war die olympische Bewegung aus dem Tritt geraten, nachdem die Strippenzieher der Spiele mit Kriegstreibern und Autokraten paktierten und später auch noch Corona das letzte bisschen Lust auf die Spiele zunichtegemacht hatte.
Die Macher von Paris 2024 hatten Großes versprochen – und die Kommentatoren weltweit waren sich einig: Sie hatten den Mund nicht zu voll genommen. Die Spiele waren ein durchschlagender Erfolg.
Aber wie fällt die Meinung darüber ein Jahr später aus, und was ist das Erbe der Spiele für die Pariser?
Olympia bekommt man nicht umsonst. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) muss überzeugt werden – vor allem aber die eigene Bevölkerung. Hierfür braucht es symbolpolitische Vorhaben.
Im Falle von Paris 2024 war dies die Beteuerung, die verdreckte Seine so zu reinigen, dass man darin baden kann. Eine saubere Seine ist ein alter Traum der Franzosen, den schon Jacques Chirac in den Achtzigern vergeblich versprach.
Bei den Spielen im vergangenen Jahr funktionierte das Vorhaben nur so halb. Da es in den Tagen vor und auch während Olympia immer wieder geregnet hatte, war die Wasserqualität häufig schlecht.
Wettbewerbe mussten verlegt werden, ein paar Athletinnen und Athleten berichteten von Magenkrämpfen und Übelkeit nach den Wettkämpfen. Es herrschte der Eindruck, dass die Organisatoren der Spiele den schönen Schein über das Wohl der Athleten stellten.

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Indes: Es wurde sehr viel getan, um die Wasserqualität in der Seine zu verbessern. 1,4 Milliarden Euro wurden investiert. Die Kosten umfassten auch den Bau eines Rückhaltebeckens, um zu verhindern, dass bei starkem Regen Kanalisationswasser in den Fluss gelangt.
Vor einem Monat dann wurde der Badesommer in der Seine für die Öffentlichkeit eröffnet. Drei neue offizielle Badestellen wurden am 5. Juli in Betrieb genommen, in Bercy, zwischen dem Hafen von Grenelle und der Île aux Cygnes sowie nahe dem Rathaus.
Die Schlangen an den Einlässen waren lang, und die Aufnahmen der französischen Sender von diesem Eröffnungstag machten den Eindruck, als hätten die Badegäste in dem 25 Grad warmen Wasser viel Spaß gehabt.
Franzosen hatten sich mehr erhofft von Olympia
Tatsächlich aber hatten sich die Pariser durch Olympia etwas mehr erhofft als ein paar kleinere Spots zum Schwimmen. Und selbst an diesen wird vor dem Badespaß durch die Behörden gewarnt. Besonders bei Regen ist das Bad in der Seine für vulnerable Personen (Ältere, Kranke und Schwangere) ein Risiko. Viele „E. coli“-Bakterien und Enterokokken tummeln sich dann im Wasser.
Ein weiteres Vorhaben, mit dem die Organisatoren Argumente für die Austragung der Spiele in Paris sammeln wollten: die Aufwertung von Saint-Denis, einer Stadt nördlich von Paris, in der die sozialen Probleme grassieren.
30 Prozent der Menschen in Saint-Denis leben unter der Armutsgrenze. Das Freizeitangebot für Kinder und Jugendliche ist sehr beschränkt.
Umso schöner, dass mit Olympia neben dem neu gebauten Schwimmzentrum sieben weitere Bäder renoviert oder entstanden sind. Hinzu kommt das Olympische Dorf in Saint-Denis, aus dem laut der Zeitung „Le Monde“ insgesamt 4000 Wohnungen hervorgegangen sind.
Manche davon sind recht günstige Sozialwohnungen, ein großer Teil aber wird auf dem offenen Mietmarkt angeboten. Laut Recherchen der ARD mit schleppendem Erfolg. Die Mietpreise dieser Wohnungen liegen über dem Schnitt in Paris, und demnach wollen nicht viele finanzkräftige Franzosen nach Saint-Denis ziehen.
Viele Einwohner von Paris und speziell von Saint-Denis stellen sich die Frage, warum nicht alle Wohnungseinheiten den sozial bedürftigeren Menschen zur Verfügung gestellt wurden. In den sozialen Kanälen macht sich Wut breit, weil inzwischen viele Wohnungen des Olympischen Dorfes bei Airbnb für hohe Preise angeboten werden.

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Das ist aber noch längst nicht alles, weshalb die Euphorie vom vergangenen Jahr mehr und mehr in Skepsis umschlägt.
Olympia sollte – so wurde es von der Politik postuliert – den Sport in Frankreich zu einer „großen, nationalen Sache“ machen, wie es Präsident Emmanuel Macron formulierte. Sprich: Viel Geld sollte fließen, nicht nur in den Spitzensport, sondern auch in den Breitensport.
Doch was interessiert die Mächtigen im Lande das Geschwätz von gestern. Trotz Macrons Zusage, die Sportmittel bis 2030 stabil zu halten, kürzte die Regierung das Budget des Sportministeriums deutlich – 2026 droht ein weiteres Minus von fast 18 Prozent, wie „Le Monde“ prognostiziert.
Während der Spitzensport geschont wird, trifft die Sparpolitik den Breitensport hart. So wurde der „Pass’Sport“ – ein Zuschuss für Vereinsmitgliedschaften – von 75 auf 35 Millionen Euro gekürzt und nur noch für 14- bis 17-Jährige geöffnet, wodurch viele Kinder aus ärmeren Familien ausgeschlossen sind.
Die allgemeine Einführung von zwei zusätzlichen Sportstunden pro Woche an weiterführenden Schulen wurde aufgegeben, ebenso die Mittel für die Renovierung von 5000 Sportplätzen eingefroren. „Unter dem Deckmantel der Haushaltsdisziplin wird das Erbe der Spiele zerschlagen“, schreibt „Le Monde“.
All die Olympia-Gegner fühlen sich durch diese Zahlen bestätigt, sowie dadurch, dass die Spiele deutlich teurer waren als zunächst veranschlagt. Viele Franzosen fühlen sich verschaukelt.
Ende Juni veröffentlichte der französische Rechnungshof eine vorläufige Kostenbilanz: Rund sechs Milliarden Euro an öffentlichen Mitteln flossen in Organisation und Infrastruktur der Spiele – mehr als doppelt so viel wie die ursprünglich in der Bewerbung angegebenen 2,4 Milliarden Euro.
Ein Jahr später bleibt: Die Party war groß. Doch Paris ist noch immer so problembeladen – und so schön – wie zuvor.
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