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Früh gestartet, verspätet angekommen: Die krumme Karriere des Neu-Nationalspielers Yann Aurel Bisseck
Yann Aurel Bisseck hat schon mit 16 in der Bundesliga debütiert. Jetzt hat es der Verteidiger von Bayerns Champions-League-Gegner Inter Mailand sogar in die Nationalmannschaft geschafft.
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Dass ein junger Fußballer erst sein Abitur ablegt und danach Profi wird, das ist im Grunde keine außergewöhnliche, sondern eher die natürliche Reihenfolge. Außergewöhnlich ist es allerdings, wenn ein junger Fußballer bereits drei Tage vor seinem 17. Geburtstag zum ersten Mal in der Bundesliga aufläuft – und sein Abitur zu diesem Zeitpunkt schon in der Tasche hat.
Bei Yann Aurel Bisseck, den Bundestrainer Julian Nagelsmann als einzigen Neuling für die anstehenden Nations-League-Spiele in die deutsche Nationalmannschaft berufen hat, war das so. Weil er die zweite Klasse übersprungen hat, hat Bisseck bereits mit 16 sein Abitur bestanden.
Ein Frühstarter also? Im Prinzip ja und das auch fußballerisch – wenn seit seinem Profidebüt bis zur ersten Nominierung für die Nationalmannschaft nicht mehr als sieben Jahre vergangen wären. Der Innenverteidiger des italienischen Meisters Inter Mailand ist inzwischen 24, also gar nicht mehr übermäßig jung, falls er in dieser Woche in der Nations League gegen Italien sein erstes Länderspiel bestreiten sollte.
Blutjung war Bisseck hingegen bei seinem Profidebüt im November 2017: 16 Jahre, 11 Monate und 28 Tage, um genau zu sein, und damit der zum damaligen Zeitpunkt zweitjüngste Spieler überhaupt in der Geschichte der Bundesliga.
Wir sehen sehr viel in ihm und halten große Stücke auf ihn. Ich finde, dass er sehr viel mitbringt.
Julian Nagelsmann, Bundestrainer
Im Heimspiel gegen Hertha BSC stand Bisseck in der Startelf des 1. FC Köln, und trotz der 0:2-Niederlage machte er seine Sache überraschend gut. „Das sind die Momente, die dafür da sind, eine große Karriere zu starten“, sagte Kölns Vizepräsident Toni Schumacher nach dem Spiel.

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Bei Bisseck, damals U-17-Nationalspieler, schien diese Vorhersage nicht allzu gewagt. In jungen Jahren bereits galt der gebürtige Kölner als außerordentliches Talent. „Er war schon sehr weit für sein Alter“, sagt auch Andreas Menger, der Torwarttrainer von Hertha BSC, der zur damaligen Zeit für den FC tätig war.
Er war sehr selbstbewusst, sehr selbstsicher und in der Mannschaft schon akzeptiert.
Andreas Menger, heute Torwarttrainer von Hertha BSC
Bisseck sei technisch super gewesen, habe ein sehr gutes Stellungsspiel gehabt und eine große Ruhe am Ball, erzählt Menger, der den Spieler aus dem Nachwuchs als sehr angenehmen und ruhigen Zeitgenossen in Erinnerung behalten hat. „Er war sehr selbstbewusst, sehr selbstsicher und in der Mannschaft schon akzeptiert.“
Profi in Mailand, Italienischer Meister, Mitglied der Nationalmannschaft: Auf den ersten Blick sieht es so aus, als wären all die verheißungsvollen Prophezeiungen zu Yann Aurel Bisseck tatsächlich wahr geworden. Tatsächlich hat seine Karriere erst nach einigen Umwegen richtig Fahrt aufgenommen.
Er dachte schon ans Karriereende
Dem frühen Debüt für den FC folgten nur zwei weitere Teilzeiteinsätze für den Klub, für den Bisseck seit der U8 gespielt hat. Die Kölner verliehen ihn anschließend zu Holstein Kiel in die Zweite Liga, zu Roda Kerkrade in die Niederlande und an Vitoria Guimaraes aus Portugal. Aber richtig glücklich wurde Bisseck auf keiner dieser Stationen.
Nach mehreren Verletzungen beschäftigte er sich sogar ernsthaft mit dem Gedanken, seine Karriere als Fußballer zu beenden, bevor sie richtig begonnen hatte. „Ich hatte schon einen ausgeklügelten Plan: mit einem guten Freund nach Berlin zu ziehen, eine WG aufzumachen und was zu studieren. Da habe ich mich schon gesehen“, hat Bisseck vor Kurzem in einem Interview mit Sky erzählt.
Erst auf der vierten Leihstation, beim dänischen Erstligisten Aarhus GF, erlebte Bissecks Karriere die entscheidende Wende. Für 1,5 Millionen Euro verpflichteten die Dänen ihn schließlich fest aus Köln, ehe Inter Mailand den Abwehrspieler im Sommer 2023 für die festgeschriebene Ablöse von sieben Millionen Euro unter Vertrag nahm.
Aus heutiger Sicht ein echtes Schnäppchen. Nach 21 Pflichtspielen für Inter in seiner Premierensaison kommt Bisseck in der laufenden Spielzeit bereits auf 30 Einsätze. In der Serie A ist das Team erneut Tabellenführer, in der Champions League trifft es im Viertelfinale auf den FC Bayern München.
Ausgerechnet im San Siro, der Heimspielstätte seines Vereins, könnte Bisseck nun am Donnerstag (20.45 Uhr, live in der ARD) sein Debüt für die A-Nationalmannschaft feiern. „So etwas kann man sich fast nicht ausmalen“, sagt er vor dem Viertelfinal-Hinspiel in der Nations League in Mailand.

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Julian Nagelsmann hat den 1,96-Meter-Hünen schon länger im Blick. Ende des vergangenen Jahres haben beide erstmals miteinander gesprochen. „Wir sehen sehr viel in ihm und halten große Stücke auf ihn“, hat der Bundestrainer bei Bissecks Nominierung in der vergangenen Woche gesagt. „Ich finde, dass er sehr viel mitbringt.“
Robustheit, Zweikampf- und Kopfballstärke, aber auch ein gutes Spielverständnis: Das sind Bissecks Qualitäten. „Führungsspieler zu sein, das ist etwas, das ich mit meinen 24 Jahren ausstrahlen – könnte“, sagt der frühere Kapitän der deutschen U-21-Nationalmannschaft über sich selbst.
Dass seine Karriere nicht geradlinig immer nur nach oben geführt hat, sieht Yann Aurel Bisseck dabei sogar als Vorteil. „Das macht einen nur stärker“, findet er. „Aber ich hab jetzt leicht reden – weil es geklappt hat.“
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