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Erste Bundesliga-Niederlage seit März: Der 1. FC Union lässt Erwartbares außergewöhnlich erscheinen
Nach 14 Spielen verlieren die Berliner gegen Frankfurt erstmals in der Bundesliga. An der herausragenden Saison ändert das nichts, doch ein paar kleine Warnsignale sind zu erkennen.
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Beim 1. FC Union legen sie nicht besonders viel Wert auf Tabellen und Statistiken. Dass die Mannschaft in der Bundesliga 14 Spiele und sechseinhalb Monate ungeschlagen war, dass sie seit drei Wochen Tabellenführer ist, entlockt Urs Fischer nur ein müdes Lächeln. „Ihr kennt meine Meinung“, sagte der Trainer nach der ersten Saisonniederlage am Samstag bei Eintracht Frankfurt.
Vielleicht lässt sich die Entwicklung der Berliner daher besser auf der emotionalen als auf der faktenbasierten Ebene beschreiben. Denn Union ist es in den vergangenen Wochen, Monaten und Jahren gelungen, dass sich etwas eigentlich vollkommen Erwartbares wie eine Niederlage beim Europa-League-Sieger, der mehr als doppelt so viel in sein Personal investiert wie die Berliner, außergewöhnlich anfühlt.
Die letzte Niederlage in der Bundesliga hatte Union am 19. März mit einem 0:4 bei Serienmeister Bayern München kassiert. Danach kletterten die Berliner mit sechs Siegen auf sieben Spielen noch auf Rang fünf und qualifizierten sich damit direkt für die Europa League. Von den ersten sieben Spielen dieser Saison gewann Fischers Mannschaft fünf, gegen die Bayern und Mainz gab es unentschieden. „Ich glaube schon, dass wir es in den ersten sieben Spielen sehr gut gemacht und diese 17 Punkte auch verdient haben“, sagte der Schweizer.
Wenn wir die Basics nicht abrufen und uns nicht am absoluten Limit bewegen, wird es schwer.
Unions Trainer Urs Fischer über die Grundlage des Erfolgs
Dass diese beeindruckende Serie irgendwann reißen würde, war klar, ganz spurlos ging die verdiente 0:2-Niederlage in Frankfurt aber nicht an den Berlinern vorbei. „Es fühlt sich nicht gut an und tut ein bisschen weh“, sagte Mittelfeldorganisator Rani Khedira. Ein Blick auf die Fakten wird die Gefühlslage bei Union aber vermutlich schnell wieder verbessern.
Da Borussia Dortmund in Köln überraschend verlor, bleiben die Berliner mindestens eine weitere Woche Spitzenreiter der Bundesliga – und ganz unabhängig von der Tabellenkonstellation ändert eine Niederlage nichts an der Bewertung dieser bisher herausragenden Saison.
Dass die Frankfurter ihre Taktik vor allem darauf ausrichteten, Unions Stärken einzudämmen, war nur ein weiteres der vielen Indizien für den gestiegenen Respekt in der Branche. „Unsere Idee gegen Union war es, etwas tiefer zu spielen, um Union weniger Räume zu geben“, sagte Eintracht-Trainer Oliver Glasner. „Die Dinge, die Union so stark macht, haben wir sehr gut unterbunden“, freute sich Torwart Kevin Trapp.

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Der starken Frankfurter Leistung stand allerdings auch ein schwacher Auftritt der Berliner gegenüber. Union fehlte in der Offensive die Präzision, die in den vergangenen Spielen Grundlage der beeindruckenden Effizienz gewesen war, und auch die sonst mustergültige Organisation passte in wichtigen Situationen nicht.
„Ich glaube, dass wir ganz gut reingekommen sind ins Spiel. Aber dann standen wir immer öfter in Eins-gegen-Eins-Duellen“, sagte Abwehrspieler Paul Jaeckel. Gegen die Geschwindigkeit von Randal Kolo Muani und Jesper Lindström war Unions Defensive ohne das nötige Doppeln dann hilflos. „Die beiden Tore waren Geschenke von uns“, sagte Kapitän Christopher Trimmel. Fischer störte sich vor allem an der mangelnden Grundeinstellung seiner Mannschaft. „Wenn wir die Basics nicht abrufen und uns nicht am absoluten Limit bewegen, wird es schwer“, sagte der Trainer.
Ein paar Warnsignale wird der Schweizer sicherlich entdeckt haben und im Hinblick auf die zwölf Spiele bis zur WM-Pause Mitte November so schnell wie möglich beseitigen wollen. Auch wenn die Datengrundlage so früh in der Saison noch dünn ist, deutet sich an, dass Union nach Gegentoren die richtigen Lösungen fehlen. In Europa League und Bundesliga gerieten die Berliner drei Mal in Rückstand – sie verloren alle drei Spiele und erzielten dabei kein einziges Tor. Den 0:1-Niederlagen gegen St. Gilloise und Braga folgte nun das 0:2 gegen Frankfurt.
Es ist kein Geheimnis, dass Union vor allem dann erfolgreich spielt, wenn die Mannschaft aus einer kompakten Defensivordnung schnell umschalten kann. Steht der Gegner allerdings selbst tief, wie es oft bei einer Führung passiert, tun sich die Berliner mit dem Ballbesitz schwer.
Auch gegen Frankfurt führte Unions Druckphase in der zweiten Hälfte selbst in Überzahl kaum zu klaren Chancen. Am gefährlichsten wurde es durch Distanzschüsse. So überragend Sheraldo Becker und Jordan Siebatcheu Pefok im Umschaltspiel harmonieren, so schwer tut sich die Berliner Offensive in engen Räumen.
Fischer sieht dennoch keinen Grund für Beunruhigung, schließlich betont der Trainer schon seit Wochen, dass er den Erfolg gut einordnen könne und keineswegs für selbstverständlich halte. Viel Zeit, sich über die erste Bundesliga-Niederlage zu ärgern, haben die Berliner ohnehin nicht.
Schon am Donnerstag ist Union bei Malmö FF zu Gast und um weiter auf das Überwintern in der Europa League hoffen zu können, brauchen die Berliner in Südschweden einen Sieg. „Wir werden versuchen, am Donnerstag unser gewohntes Gesicht zu zeigen“, sagt Fischer.
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