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Erste Geschäftsführerin der Bundesliga: Wie Tatjana Haenni nicht nur bei RB Leipzig den Männerfußball herausfordert
Die Schweizerin hat ihr Leben eigentlich der Entwicklung des Frauenfußballs verschrieben. Nun fängt sie bei RB Leipzig an und möchte dort mit alten Gewohnheiten brechen.
Stand:
Dass Tatjana Haenni zum 1. Januar 2026 die vakante Führungsposition des CEO bei RB Leipzig antritt, sei ein „Coup für die Fußballfunktionärin“. So titelte der Züricher Tages-Anzeiger am Mittwoch, nachdem Oliver Mintzlaff seine Nachfolgerin bei der Eröffnung der neuen Geschäftsstelle in Leipzig bekanntgab. Haenni selbst war nicht vor Ort, immerhin hat die 59-Jährige noch einen Job in den USA zu erledigen.
Bis die 24-fache Nationalspielerin als allererste Frau einen Bundesliga-Verein leitet, wird sie noch ihren dreijährigen Vertrag als Sportdirektorin bei der National Women’s Soccer League (NWSL) erfüllen.
Im Podcast „Team Lisa“, bei dem ausschließlich Frauen aus dem Sport zu Gast sind, hatte Haenni schon im August angekündigt, danach etwas machen zu wollen, wo sie einen „Impact habe, wo es vorwärts geht“. In den USA seien ihr die Entwicklungen zuletzt schlicht zu langsam vorangegangen. Das passt nicht zum Naturell der gebürtigen Bielerin.
Tätigkeiten bei der Uefa, der Fifa und dem Schweizerischen Fußballverband
Tatjana Haenni ist gerne die Erste. Bei Leipzig wird sie die erste Geschäftsführerin in einem Erstliga-Klub sein, in den USA war sie die erste Sportdirektorin überhaupt. Während ihres Engagements für den Schweizerischen Fußballverband von 2018 bis 2022 wurde sie 2020 zur ersten Direktorin ernannt und holte unter anderem die EM 2025 in die Schweiz.
Zuvor war sie die erste Mitarbeiterin der Uefa gewesen, die sich ausschließlich um Frauenfußball kümmerte. Dort arbeitete sie von 1994 bis 1998, ehe sie ein Jahr später zur Fifa wechselte und dort als Managerin und Abteilungsleiterin Frauenfußball bis 2017 tätig war und unter anderem die Fußball-WM 2011 in Deutschland organisierte.
Wirkliche Gleichberechtigung erreichen wir erst, wenn Frauen auch im Männerfußball Führungsrollen übernehmen.
Tatjana Haenni
Die Schweizerin beschreibt sich als positiven, offenen und abenteuerlustigen Menschen. Ihre Auswanderung in die USA sei ein riesiger Schritt ins Unbekannte gewesen, habe sie letztlich aber in ihrem Lebensmotto „No risk, no fun“ bestätigt. Bereits als junges Mädchen und einzige Fußballerin unter Jungs habe es Mut gebraucht, erzählte sie im Podcast „Team Lisa“. Schon damals schreckte sie aber nicht davor zurück, trotzdem eine Führungsrolle zu übernehmen. Der Drang nach Verantwortung und danach, etwas zu verändern, zog sich schließlich durch ihr weiteres Berufsleben.
Haenni scheint eine Frau zu sein, die ganz genau weiß, was sie will und was sie nicht will. „Wirkliche Gleichberechtigung erreichen wir erst, wenn Frauen auch im Männerfußball Führungsrollen übernehmen“, hat sie mal gesagt. In ihren über 30 Jahren Arbeit im Fußball habe sie durchgehend das Gefühl gehabt, Überzeugungsarbeit leisten zu müssen, um Kulturveränderung herbeizuführen. In einem System, das ihr zufolge nicht wirklich offen dafür ist, sondern vielmehr hochgradig diskriminierend.
Die 59-Jährige sorgte 2022 für internationale Schlagzeilen, als sie einen erhaltenen Hassbrief gegen den Frauenfußball mit sexistischen und homophoben Kommentaren in den Sozialen Medien veröffentlichte. „Mit der Publikation dieses Briefes wollte ich die Öffentlichkeit weiter sensibilisieren und aufzeigen, dass Respekt und Toleranz noch immer zu oft mit Füßen getreten werden“, teilte Haenni, die selbst offen lesbisch ist, damals mit.
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Für Oliver Mintzlaff war die Frauenquote kein Thema
Ihre neue Stelle bei RB Leipzig ist trotz ihrer Lebensaufgabe Frauenfußball bei genauerem Hinsehen keine Überraschung. Auch dort möchte sie etwas verändern. Der aktuelle Zweite der Ersten Liga hat, ebenso wie seine Konkurrenten, Nachholbedarf, was Frauen in Führungspositionen angeht. Einzig beim FC St. Pauli (3), Werder Bremen (1) und dem 1. FC Heidenheim (1) besetzen Frauen mindestens eine Position im Topmanagement. „Das ist ein Skandal“, sagte sie im Podcast „Team Lisa“.
Es ist etwas typisch für den Männerfußball, dass Haennis Vorgänger Oliver Mintzlaff nach ihrer Verpflichtung schnell die Frage nach der Frauenquote gestellt wurde. „Das Thema Frauenquote steht bei mir nicht im Vordergrund. Das sind Nebenkriegsschauplätze“, antwortete Mintzlaff. Ihn habe letztlich die große Kompetenz Haennis überzeugt, die Mintzlaff zufällig bei einer Reise nach New York im Rahmen der NWSL kennenlernte.
Wenn Tatjana Haenni über ihre bisherigen Stationen im Fußball spricht, fällt oft das Wort Business. Passt sie deshalb so gut zu RB, das nicht gerade als Traditionsverein gilt, sondern seinen Weg eher aus Marketingründen in den Fußball fand? Ganz so einfach ist es nicht. Den USA und der NWSL kehrt Haenni auch deshalb den Rücken, weil ihr die sportlichen Potenziale nicht genügend ausgeschöpft wurden, indem man etwa Nachwuchsabteilungen und ein Talentförderprogramm aufbaut.
Diesen Aspekt möchte Haenni nun als einen von vielen bei RB Leipzig angehen. Und das ausschließlich in einer entscheidungsfähigen Position. Denn dort seien noch zu viele Menschen beschäftigt, die sich auf ihren Erfolgen ausruhen. „Wer in Entscheidungspositionen sitzt, darf nicht einfach zufrieden bleiben. Wir haben die Verantwortung, andere mitzuziehen und Strukturen zu schaffen, die auch nach uns bestehen.“
Für Haenni geht es nun aber erstmal darum, im Hier und jetzt bei Leipzig Veränderungen herbeizuführen. „Ich kann es kaum erwarten, im Januar zu starten. Gemeinsam wollen wir den erfolgreich eingeschlagenen Weg weitergehen und unsere ambitionierten Ziele verwirklichen.“ Für wen dieses Engagement dann der größere Coup sein wird, bleibt die letzte zu beantwortende Frage.
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