
© AFP/Anne-Christine Poujoulat
Erste Rad-WM in Afrika begeistert die Menschen: Ruanda will mehr – kommt bald die Formel 1 ins Land?
Der Stolz, erstmals eine bedeutende Weltmeisterschaft ausrichten zu können, ist in Kigali und überall in Ruanda spürbar. Dabei soll die WM auch helfen, alte Wunden aus der Vergangenheit zu heilen.
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Die Trommelstöcke machten ein noch wilderes Stakkato, die Flagge wurde noch intensiver geschwungen, und auch das Maskottchen der WM, ein Mensch in einem Gorilla-Kostüm, sprang ein wenig höher als sonst, als bei der Mixed-Staffel der Rad-WM das einheimische Team aus Ruanda von der Startrampe fuhr.
Ja, die Fans, die sich im Startbereich rings um das ikonische, elliptisch geformte Kigali Convention Center versammelt hatten, waren stolz auf ihr Team. Und mit wem man auch spricht am Rande der Rennstrecke, überall sind Stolz und Freude die vorherrschenden Gefühle.
„Es ist toll, dass jetzt so viele Menschen mit dem Radsport in unser Land kommen und es kennenlernen“, sagt eine ältere Frau, die sich mit gut einem Dutzend anderer Frauen im blauen Outfit der Hilfsorganisation SEVOTA am Straßenrand versammelt hat.
SEVOTA unterstützt vor allem Frauen, die während des Genozids 1994 vergewaltigt wurden. Inzwischen kümmert sich die Organisation auch um Genozidtäter, die aus der Haft entlassen sind, und deren Familien. „Es ist nicht einfach. Viele kommen aus dem Gefängnis und wollen sofort die Position des Familienoberhaupts einnehmen. Sie vergessen aber, dass ihre Frauen seit 20 oder 30 jahren die Familie zusammenhielten“, beschreibt SEVOTA-Gründerin Godelieve Mukasarasi einen Teil der Probleme. „Sie sind alle Ruandaer“, sagt sie aber auch und begründet so, warum einstige Opfer jetzt auch Tätern und deren Familien bei der Integration ins zivile Leben behilflich sind..
Der Anblick der Radfahrer aus Europa und Amerika, Asien, Australien und den anderen afrikanischen Ländern ist eine willkommene Abwechslung für die Frauen von SEVOTA, und sie feuern ausgelassen die Athleten an.
„Sport spielte eine wichtige Rolle beim Wiederaufbau unserer Gesellschaft nach dem Genozid. Denn Sport kann vereinen“, sagt auch Nelly Mukazayire, Sportministerin des Landes. Sie sieht den Sport mittlerweile aber auch als „wichtigen Faktor bei der ökonomischen Transformation unseres Landes“.
Tatsächlich investiert Ruanda viel in die Sportinfrastruktur. Das Amahoro Stadion, während des Genozids Zufluchtsstätte für viele Menschen, wurde im letzten Jahr runderneuert und auf 45.000 Plätze erweitert. Die BK Arena, 2019 eröffnet und mit einem Fassungsvermögen von 10.000 Personen eine der größten Indoor-Spielstätten in Ost- und Zentralafrika, war auch Startort für die Zeitfahren bei der WM.
In der Nähe des internationalen Flughafens ist eine Formel 1-Rennstrecke geplant. „Ja, wir bewerben uns um einen Grand Prix und hoffen, dass er zu uns kommt“, bestätigte die Sportministerin. Großevents zu veranstalten, soll Ruanda einerseits internationales Renommee verschaffen. Andererseits wird so auch Stolz bei der Bevölkerung erzeugt und der nicht einfache Vereinigungsprozess der während des Genozids furchtbar verfeindeten Bevölkerungsgruppen weiter stimuliert.

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So ist denn die Zustimmung im Lande zu den Weltmeisterschaften auch einhellig. Hinzu kommt: Für Radsport ist Ruanda prädestiniert. Hunderte Fahrradtaxifahrer sind allein auf Kigalis Straßen unterwegs. Auf schweren Eingangrädern transportieren sie jeweils einen Passagier oder Waren aller Art. Das können Getränkekisten sein, aber auch komplette Zimmertüren oder meterlange Dachrinnen. Tatsächlich waren einige Nationalfahrer Ruandas zuvor auch Taxifahrer mit dem Rad.
Ganz einfach war die Transformation in einen Leistungssportler aber nicht, erinnert sich Adrien Niyonshuti, erster Radprofi Ruandas und jetzt Trainer in Benin: „Als Fahrradtaxifahrer entwickelst du viel Muskeln, weil du schwere Lasten transportierst. Die Muskelspannung aber ist eine andere. Und dann musst du lernen, wie man mit Gängen schaltet und wie überhaupt ein professionelles Training aussieht.“
Talente hat Ruanda. Im Wettstreit mit den Besten der Welt landen sie aber auch bei der Heim-WM eher auf den hinteren Rängen. Das beste Ergebnis war bislang ein 25. Platz im Zeitfahren der Männer durch Shema Nsengiyumva.
Wichtiger als das sportliche Abschneiden der eigenen Athleten ist für das Gastgeberland aber der Impuls, der von diesen ersten Welttitelkämpfen auf afrikanischem Boden ausgehen soll. Verbandspräsident Samson Ndayishimiye mahnte jedenfalls schon die internationale Radsportszene: „Kigali 2025 darf keine einmalige Sache sein. Es muss weitere Weltmeisterschaften in anderen afrikanischen Ländern geben.“
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