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Felix Magath hat seit zehn Jahren nicht mehr in der Bundesliga gearbeitet.

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Update

Felix Magath folgt auf Tayfun Korkut: Hertha BSC versucht es mit Erfahrung

Hertha BSC trennt sich nach der 0:2-Niederlage in Mönchengladbach von Trainer Tayfun Korkut. Mit Felix Magath gelingt den Berlinern immerhin eine Überraschung.

Tayfun Korkut musste sich erst einmal warm anziehen. Als das Spiel in Mönchengladbach beendet war, ging er zu seinem Platz auf der Trainerbank. Er nahm seinen Anorak, dessen er sich irgendwann in der Hitze des Gefechts entledigt hatte, zog ihn an – und verschwand dann im Kabinengang des Borussia- Parks. Es war, zumindest als Trainer von Hertha BSC, ein Abschied für immer.

Am Sonntagmorgen, ziemlich genau 14 Stunden nach der 0:2-Niederlage des Berliner Fußball-Bundesligisten gegen Borussia Mönchengladbach, gab Hertha bekannt, was längst unausweichlich geworden war: Nach nur 105 Tagen im Amt ist Tayfun Korkut, 47, von seiner Aufgabe als Cheftrainer entbunden worden, auch sein Assistent Ilija Aracic muss gehen.

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Und auch Herthas Spieler werden sich künftig wohl warm anziehen müssen. Am Sonntagabend gab der Klub Korkuts Nachfolger bekannt: Bis zum Saisonende übernimmt Felix Magath, 68, die Mannschaft, der dafür bekannt ist, dass er im Umgang mit seinen Profis eine – sagen wir – eher fordernde Herangehensweise hat.

„Die Vita von Felix Magath spricht für sich“, sagte Herthas Sportgeschäftsführer Fredi Bobic über die Wahl des neuen Trainers, mit der ihm zumindest eine Überraschung gelungen war. Mit Magath habe man jemanden gefunden, der eine immense Erfahrung besitze und zudem bereits bewiesen habe, dass er solch kritische Situationen meistern könne. Hertha setzt damit auf ein Modell, das schon einmal – 2004 mit Hans Meyer – funktioniert hat und einmal – 2012 mit Otto Rehhagel – schief gegangen ist.

Magath, der zuletzt 2017 beim chinesischen Verein Shandong Luneng Taishan als Trainer gearbeitet hat, ist gewissermaßen der Gegenentwurf zum Versuch mit Tayfun Korkut, der spätestens am Samstag mit der Niederlage in Mönchengladbach gescheitert war. „Ich trage die Verantwortung für die sportliche Situation“, hatte Korkut am Samstagabend in der Pressekonferenz nach dem Spiel gesagt. Und diese Situation gestaltet sich für Hertha BSC zunehmend desaströser. Durch die fünfte Niederlage nacheinander stürzten die Berliner in der Tabelle auf Platz 17. Im Jahr 2022 ist die Mannschaft nach zehn Pflichtspielen noch ohne Sieg, im Pokal ausgeschieden und dazu mit gerade zwei Zählern das schlechteste Team der Rückrunde. In insgesamt 13 Begegnungen holte Korkut mit dem Team nur neun Punkte.

Man habe die Leistungen und Ergebnisse der neun Rückrundenspiele analysiert und sei danach zu dem Entschluss gekommen, „eine nochmalige Veränderung auf der Trainerposition vorzunehmen“, teilte Herthas Sportvorstand Fredi Bobic am Sonntag mit. Unmittelbar nach dem Spiel in Gladbach hatte er eine Hauruckaktion noch ausgeschlossen. „Wir müssen erst mal einen ruhigen Kopf bewahren“, sagte er auf die Frage nach der Zukunft des glücklosen Trainers, den er zudem weiterhin verteidigte: „Tayfun Korkut haut wirklich alles rein.“

Korkuts Scheitern ist auch Bobics Scheitern

Bobic hat sich lange gegen das Unvermeidliche gewehrt – weil das Eingeständnis, dass Korkut gescheitert ist, auch ein Eingeständnis ist, dass er, Bobic, falsch gelegen hat. Korkut war seine Wahl. Und es war nur eine von vielen Fehlentscheidungen, die der Sportvorstand in seiner erst knapp zehnmonatigen Amtszeit getroffen hat und die nach derzeitigem Stand der Dinge womöglich in den siebten Abstieg der Vereinsgeschichte münden.

Als Bobic Korkut Ende November zum Nachfolger des Hertha-Urgesteins Pal Dardai machte, löste das im Umfeld des Vereins verwunderte bis skeptische Reaktionen aus. Korkut war seit seiner Entlassung beim VfB Stuttgart drei Jahre lang ohne Anstellung gewesen, hatte zudem auf seinen bisherigen Stationen allenfalls bescheidene Erfolge erzielt. Bobic aber war von seiner Wahl überzeugt, sah in Korkut den richtigen Trainer, um eine komplizierte Saison halbwegs unfallfrei zu Ende zu bringen und um dann im Sommer einen renommierten Coach für den Klub zu verpflichten. Dieser Plan ist krachend gescheitert.

Dreizehn Spiele, nur neun Punkte: Der Plan mit Tayfun Korkut als Nachfolger von Pal Dardai ist gescheitert.
Dreizehn Spiele, nur neun Punkte: Der Plan mit Tayfun Korkut als Nachfolger von Pal Dardai ist gescheitert.

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Die Idee, Korkut könnte aus dem windschiefen Kader, den Bobic zusammengestellt hat, eine Mannschaft formen, die stabil ist und noch dazu ansehnlichen Fußball spielt, hat sich als vermessen herausgestellt. Als Dardai gehen musste, lag Hertha auf Platz 14. Der Abstand auf den direkten Abstiegsplatz, auf dem Hertha am Samstag aufgeschlagen ist, betrug fünf Punkte. Das Team spielte unter Dardai zwar selten berauschenden Fußball, kannte aber seine Stärken und war in sich einigermaßen gefestigt.

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Davon ist wenig geblieben. Umso bezeichnender ist es, dass sich Korkut in Zeiten höchster Not quasi von oben zum fußballerischen U-Turn genötigt sah. Zurück zu den Basics, so lautete die Vorgabe gegen die ebenfalls taumelnden Gladbacher. „Wir haben einen guten Plan gehabt“, sagte Stürmer Davie Selke, einer von sechs Neuen in der Startelf. „Wir wollten gut stehen, hoch anlaufen. Wir wollten sie stressen, viel um die zweiten Bälle kämpfen.“ Doch der Plan funktionierte nicht.

Vor dem Spiel hatte Korkut noch gesagt, dass Hertha ganz sicher nicht den Bus vor dem eigenen Tor parken werde, doch genau das tat er. Er bot acht defensive Spieler auf und ließ seine Mannschaft mit Fünferkette verteidigen. Genau dafür – für seine hasenfüßige Grundhaltung – war Dardai von Bobic immer kritisiert worden. Und trotzdem fehlte Hertha in Gladbach jegliche Sicherheit in der Defensive. Im Mittelfeld hechelten die Berliner nur hinterher, hinten kamen sie immer wieder in Bedrängnis. Erst als Korkut in der Pause seine Aufstellung korrigierte und Suat Serdar für den gewohnt fahrigen Santiago Ascacibar einwechselte, wurde es besser.

Hertha BSC ist ein Meister des Konjunktivs

Es war nicht Korkuts einziger personeller Fehlgriff. In den vergangenen Wochen lag er einigen seiner Entscheidungen spektakulär daneben. Aber das hat er bei Hertha keineswegs exklusiv. Der Abstieg, der immer wahrscheinlicher wird, wäre das Resultat dramatischer Fehleinschätzungen auf allen Ebenen. Hertha ist längst ein Meister des Konjunktivs. Auch nach der Niederlage in Mönchengladbach bewertete Korkut die Leistung seiner Mannschaft wieder viel wohlwollender, als sie es in der Realität gewesen war.

Die immer offenkundiger werdende Gefahr eines Abstiegs hat Herthas sportliche Führung viel zu lange verdrängt. Sie glaubte, dass der Kader eigentlich zu gut sei und Hertha deswegen nichts zu befürchten habe. Dann kamen das ernüchternde 1:4 im eigenen Stadion gegen Eintracht Frankfurt und das 0:2 gegen die sich vermeintlich auf Augenhöhe befindlichen Gladbacher.

Der Realitätsschock, den Hertha gerade erleidet, fällt nun umso heftiger aus. Fredi Bobic hofft, dass durch den Trainerwechsel „alle Beteiligten noch mal intensiver für die Situation sensibilisiert sind“ und setzt „auf die positiven Effekte eines Neuanfangs“. Für die nötige Sensibilität bei den Spielern dürfte Felix Magath schon sorgen. In einer Pressemitteilung des Vereins wurde er mit den Worten zitiert: „Wichtig ist jetzt die volle Fokussierung von allen auf die verbleibenden acht Spiele.“.

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