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Herthas Heimgesicht: zerknirscht.

© dpa/Andreas Gora

Hertha BSC und das zerknirschte Heimgesicht: Zu Hause ist es doch nicht am schönsten

In der vergangenen Saison waren die Berliner in der Zweiten Liga das Team mit der schlechtesten Heimbilanz. Auch in dieser läuft es im Olympiastadion nicht, dabei steht jetzt die Begegnung mit Münster an.

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Alexander Ende drehte den Kopf nach rechts. Dorthin, wo Stefan Leitl saß. „Euch ‘ne gute Heimreise“, sagte der Trainer von Preußen Münster nach dem Erstrundenspiel im DFB-Pokal. „Und – wir seh’n uns. Wir seh’n uns noch zweimal.“ Dann lächelte Ende. Es wirkte wie ein Haifischlächeln.

An diesem Samstag (13 Uhr/Sky) kommt es in der Zweiten Liga zum ersten Wiedersehen zwischen Ende und Leitl sowie ihren Klubs Preußen Münster und Hertha BSC. Und der Trainer der Westfalen hat tatsächlich einige Gründe, diesem Date freudig entgegenzublicken. Zum einen, weil die Münsteraner nach dem mehr als unglücklichen Pokalaus Mitte August im Elfmeterschießen noch etwas gutzumachen haben.

Zum anderen, weil sie im Olympiastadion auf die Berliner treffen. Das – man muss es leider so deutlich sagen – erhöht ihre Chance, erfolgreich Revanche zu nehmen.

Hertha hat in dieser Saison nicht nur noch kein einziges Spiel auf eigenem Platz gewonnen (ein Unentschieden, zwei Niederlagen), Hertha hat in den drei Spielen auf eigenem Platz auch noch nicht mal ein Tor erzielt. „Das ist natürlich eine Riesenaufgabe“, sagt Trainer Leitl daher über das Duell mit den Münsteranern, die im Pokalspiel vor knapp acht Wochen das deutlich bessere Team waren.

Ohnehin droht sich Herthas Heimschwäche zu einer bedenklichen Phobie auszuwachsen. Auf die Frage, wie man dieser Schwäche begegnen könne, hat Leitl schon in der vergangenen Saison geantwortet: „Indem man nicht darüber redet.“

So ähnlich hat sich Herthas Trainer nun auch wieder geäußert. Wichtig sei gegen Münster, „dass wir die Sache für uns intern gar nicht so groß machen“, erklärte er. Deshalb werde es im Vergleich zu den bisherigen Heimspielen auch keine veränderten Abläufe geben. „Es geht um Kontrolle“, sagte Leitl, darum, „dass wir als Mannschaft geschlossen, von unserem Plan überzeugt sind und nicht in Hektik verfallen“.

1,2
Punkte holte Hertha unter Trainer Leitl im Schnitt pro Heimspiel.

Herthas Heimschwäche ist kein neues Phänomen. Das Problem besteht mindestens seit der vergangenen Spielzeit. Leitl, seit Februar als Cheftrainer für den Berliner Fußball-Zweitligisten tätig, hat es gewissermaßen von seinem Vorgänger Cristian Fiél geerbt.

Unter Fiéls Verantwortung gelangen Hertha in der Vorsaison nur zwei Heimsiege. Zwischenzeitlich mussten die Fans des Klubs fast ein halbes Jahr – von Mitte Oktober bis Ende März – auf einen Erfolg im eigenen Stadion warten.

Leitls Bilanz ist auch nicht wesentlich besser. Er kommt in zehn Spielen bisher auf ebenfalls erst zwei Heimsiege, gegen Karlsruhe und Greuther Fürth. Sein Punkteschnitt in Heimspielen liegt bei 1,2. In Auswärtsspielen sind es knapp 1,8 pro Partie.

In der vergangenen Saison hat Herthas Heimbilanz sämtliche Vereinsrekorde gebrochen. Sämtliche Negativrekorde. Nie zuvor in ihren insgesamt 17 Zweitligaspielzeiten haben die Berliner so wenige Heimspiele gewonnen (vier), nie haben sie so viele verloren (acht), und nie war ihr Punkteschnitt so niedrig (1,0). In der Heimtabelle war Hertha damit in der vergangenen Saison Letzter.

Wenn man es positiv drehen wollte, könnte man sagen, dass die Berliner damit eine Art Trendsetter für den deutschen Fußball sind. Denn der Anteil der Heimsiege ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich zurückgegangen, sowohl in der Ersten als auch in der Zweiten Liga.

In der Bundesliga fiel dieser Anteil erst im 26. Jahr ihres Bestehens, in der Saison 1988/89, zum ersten Mal unter die 50-Prozent-Marke. In den vergangenen 20 Spielzeiten hingegen lag er kein einziges Mal mehr darüber. In der Zweiten Liga gab es in der vergangenen Saison den zweitniedrigsten Wert (40,5 Prozent) an Heimsiegen überhaupt.

Reagieren fällt Hertha leichter als agieren

Dass der Heimvorteil immer weniger relevant ist, liegt auch an der Entwicklung des Fußballs in der jüngeren Vergangenheit. Wer zu Hause spielt, sieht sich fast zwangsläufig gezwungen, das Spiel zu gestalten und selbst aktiv zu sein. Das aber fällt vielen Mannschaften immer schwerer. Ihr Spiel ist in erster Linie gegen den Ball angelegt, nicht mit dem Ball.

Auch Hertha tut sich leichter, zu reagieren als zu agieren. Das haben die vergangenen Auswärtsspiele gezeigt, als die Mannschaft eher tief verteidigte und der Plan vorsah, über Konter zum Erfolg zu kommen. Das ist ihr sowohl beim damaligen Tabellenführer Hannover gelungen als auch am vergangenen Wochenende in Nürnberg. Beide Spiele gewannen die Berliner mit 3:0.

Wenn wir zum Warm-up gehen, spüre ich schon, dass die Jungs in unserem Stadion etwas Besonderes zeigen wollen.

Herthas Trainer Stefan Leitl

„Wir haben ein gutes Auswärtsspiel gezeigt“, sagte Kapitän Fabian Reese nach dem Erfolg beim 1. FC Nürnberg. Am Samstag im Olympiastadion aber wird auf ihn und seine Mannschaft eine ganz andere Herausforderung zukommen. Mit dominantem Fußball, einem gepflegten Spielaufbau und strukturiert vorgetragenen Angriffen hat sich Hertha bisher schwergetan. All das aber ist vor allem in Heimspielen gefordert.

Gegen Münster hofft Leitl daher auf einen Gegner, der selbst ein bisschen aktiver auftritt, als es die Auswärtsteams zuletzt im Olympiastadion getan haben. Die bisherigen Spiele der Preußen und der generelle Plan ihres Trainers Ende deuten zumindest darauf hin. „Dementsprechend kann es für uns gute Räume geben, um in Umschaltsituationen zu kommen“, sagte er.

Grundsätzlich aber tue es der Mannschaft auch gut, die Erwartungen an die Heimspiele ein bisschen herunterzuschrauben. „Wenn wir zum Warm-up gehen, spüre ich schon, dass die Jungs in unserem Stadion etwas Besonderes zeigen wollen“, berichtete Leitl. Wenn die Dinge dann aber nicht funktionieren, verfallen die Spieler für seinen Geschmack zu schnell in Einzelaktionen, die dann oft auch nicht gelingen. „Das ist wie in so einem Hamsterrad.“

Für das Spiel gegen Münster erwartet er daher von seinem Team, „dass wir nicht immer darauf bedacht sind, guten Fußball und ein Offensivspektakel zu bieten, sondern dass wir Zweitligafußball spielen und Ergebnisse erzielen“. Wobei: Guten Fußball und Offensivspektakel haben die Fans von Hertha in dieser Saison im Olympiastadion bisher ohnehin noch nicht zu sehen bekommen.

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