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Hürden für queere Fans im Fußball: „Als trans Frau habe ich Angst in dieser Männerdomäne“
Frauen und queere Fans müssen sich ihren Platz in den Fußballstadien erkämpfen – auch bei der Europameisterschaft. Dabei gäbe es Möglichkeiten, die Hürden zu senken.
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Langsam geht die Sonne unter und taucht den Fußballplatz in sanfte Orangetöne. Allmählich füllen sich die Zuschauertribünen des Berliner Poststadions am Dienstagabend. Auf dem Rasen ist eine große Leinwand aufgebaut. Gleich wird hier das Halbfinalspiel Spanien gegen Frankreich übertragen, doch zunächst wird der Kurzfilm „Queere Fans - Vielfalt im Stadion“ gezeigt.
Die Regisseurin Josephine Kuthning hat die beiden Fußballfans Julia und Anny bei ihrem Besuch des Olympiastadions begleitet. Sie berichten von den Herausforderungen, vor denen insbesondere queere Fans stehen, wenn sie zum Fußball gehen.
„Als trans Frau habe ich Angst in dieser Männerdomäne mit Gewaltpotenzial und sehr viel Alkohol“, sagt Julia. Anny stimmt ihr zu. „Ich gehe immer mit einem mulmigen Gefühl ins Stadion, weil ich Angst habe, angegriffen zu werden.“
Anny identifiziert sich als trans nicht-binär und benutzt keine Pronomen. Die Sorgen beginnen für Anny nicht erst beim Anpfiff, sondern bereits bei den Einlasskontrollen und dem Weg zur Toilette. „Ich muss mit der S-Bahn hinfahren und habe Angst vor Übergriffen“, sagt Anny. „Alleine würde ich nicht ins Stadion gehen.“
Anlaufstellen in den Stadien
Auch Julia wurde in der Vergangenheit im Fußballkontext schon transfeindlich beleidigt. „Man kann nicht völlig unbedarft ins Stadion gehen, das ist immer mit einem großen Planungsaufwand verbunden“, sagt sie. Um mehr Sicherheit für queere Fans zu schaffen, schlägt sie sogenannte „Safe Spaces“ vor, also Orte im Stadion, an die man sich explizit wenden kann, wenn man Hilfe oder Unterstützung benötigt. „Das kann ein Kiosk sein, bei dem eine Regenbogenfahne hängt.“
Anny wünscht sich mehr Solidarität von anderen Menschen. Außerdem müsste es beim Ticketkauf neben „Mann“ und „Frau“ eine weitere Option geben. „Ich habe bei einer Auswärtsfahrt Herr ausgewählt, weil ich Angst hatte, nicht ins Stadion zu kommen, wenn ich Frau angebe. Beides passt aber nicht zu mir.“
Auch Regisseurin Josephine Kuthning hebt hervor, dass man immer wieder auf Hürden stoße, „wenn man sich nicht in das binäre Geschlechtersystem einordnet“. „Ich finde es sehr mutig von Anny und Julia, die eigene Geschichte zu teilen. Es ist wichtig, dem Ganzen ein Gesicht zu geben, um Menschen zu erreichen, die davon noch nie gehört haben. Aber es ist auch mutig, weil Angriffe gegen queere Menschen zunehmen.“
Frauen sind wichtig für Fangruppen
Bei der Fußball-Europameisterschaft gibt es im Olympiastadion, wo am Sonntag das Finale ausgetragen wird, geschlechtersensible Einlasskontrollen. Außerdem gibt es im Berliner Poststadion das Pride House, wo man sich keine Sorgen um Einlasskontrollen, Toiletten und mangelnde Solidarität machen muss. Hier werden All-Gender-Toiletten zur Verfügung gestellt und es gibt ein Schutzkonzept.
Neben den Fußballspielen finden während der EM regelmäßig Veranstaltungen statt, wie Filmvorführungen und Podiumsdiskussionen. Aktuell ist dort außerdem die europäische Wanderausstellung „Fan.Tastic Female“ zu sehen, die über 90 weibliche Fans aus 21 Ländern porträtiert.
Fußball ist wie ein wunderschöner Klebstoff, der dein Leben komplett macht.
Anastasia aus Russland
In den Zitaten der Fans wird deutlich, wie vielfältig die Motivationsgründe sind, zum Fußball zu gehen, und wie bestärkend Stadionerlebnisse gerade für Frauen sein können. Anastasia beispielsweise ging früher zu Sparta Moskau und spielt mittlerweile in der einzigen Frauenfußballakademie Russlands. Sie sagt: „Ich würde sagen: Fußball ist wie ein wunderschöner Klebstoff, der dein Leben komplett macht.“
Auch in Fanszenen erlangen Frauen zunehmend Sichtbarkeit. Gerade Frauen würden einen Unterschied machen, sagt Svenja, Fan vom FC St. Pauli, „weil sie einfach noch mal ‘ne andere Blickrichtung in die Gruppe mitbringen“.
Sophie Cook, die Fan des AFC Bornemouth ist und als erste trans Frau in der Premier League arbeitet, berichtet: „Jedes Mal, wenn ich von jemandem angegriffen werde, stehen da einhundert Leute zu meiner Verteidigung bereit.“ Das wäre auch in anderen Stadien wie dem Olympiastadion wünschenswert. Damit trans Personen sich überall im Fußball sicher fühlen können – nicht nur im Pride House.
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