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Jonjoe Kenny traf im Hinspiel beim HSV zum späten 1:1.

© IMAGO/KBS-Picture/IMAGO/KBS-Picture Kalle Meincke

Update

Jonjoe Kenny will weg, darf aber nicht: Der Engländer ist Leistungsträger bei Hertha BSC

Rechtsverteidiger Kenny würde Hertha am liebsten noch im Winter verlassen. Obwohl der Klub letztmalig eine Ablöse kassieren kann, wehrt er sich dagegen. Aus guten Gründen.

Stand:

Jonjoe Kenny und der Hamburger SV: Diese Kombination löst bei Fans von Hertha BSC vermutlich immer noch wohlige Erinnerungen aus. Denn ihrem Rechtsverteidiger aus England hatten es die Anhänger des Berliner Fußball-Zweitligisten in nicht unerheblichem Maße zu verdanken, dass sie sich am Nikolaustag des Jahres 2023 reich beschenkt fühlen durften.

Es war der Tag, an dem Hertha im Achtelfinale des DFB-Pokals den HSV empfing und sich erst durch ein Tor des an diesem Abend überragenden Fabian Reese in letzter Sekunde in die Verlängerung rettete. Eben dieser Reese war es dann, der in der Verlängerung, wiederum nur Sekunden vor Schluss, einen Pass in den Hamburger Strafraum spielte. Jonjoe Kenny grätschte am langen Pfosten in die Hereingabe und traf zum nicht mehr für möglich gehaltenen 3:3.

Dieses Spiel mit dem dramatischen Verlauf und dem Sieg im Elfmeterschießen war für die Berliner der wohl schönste und emotionalste Moment seit dem Abstieg im Frühjahr 2023. Das Gastspiel des HSV an diesem Samstag (20.30 Uhr/Sky, Sport1) in Berlin verspricht nun, ähnlich prickelnd zu werden.

Diesmal geht es um den Aufstieg in die Bundesliga. Mit einem Sieg könnte Hertha den Abstand auf den bisherigen Tabellenführer auf drei Punkte verkürzen. Wieder ist es ein Flutlichtspiel, wieder wird das Olympiastadion prall gefüllt sein, und wieder wird Jonjoe Kenny die rechte Außenbahn seiner Mannschaft beackern.

Das mit Kenny hört sich banal an – ist es aber nicht. Denn wenn es nach ihm selbst ginge, wäre er am Samstag schon nicht mehr in Berlin, sondern längst in Sheffield.

Im Training sieht man von ihm jeden Tag Vollgas. Er hat einen super rechten Fuß, er ist aggressiv im Zweikampf, gibt dir eine gute Flanke und ist dynamisch.

Herthas Trainer Cristian Fiél über Jonjoe Kenny

Der englische Zweitligist Sheffield United, Tabellenzweiter der Championship mit stabilen Aufstiegschancen, hält beharrlich um seine Hand an. Und Kenny ist den Avancen nicht abgeneigt. Er wolle diese Gelegenheit unbedingt nutzen und noch in diesem Winter mit seiner Familie in die Heimat zurückkehren, sagte er dem Fernsehsender Sky.

84
Spiele hat Jonjoe Kenny bisher für Hertha BSC bestritten

Hertha aber will die Gelegenheit nicht nutzen, die im Raum stehende Ablöse von immerhin rund einer Million Euro einzustreichen. Kennys Vertrag läuft im Sommer aus, nur in dieser Transferperiode also haben die Berliner noch die Chance, eine Ablöse für ihn zu kassieren. Doch trotz der bekanntermaßen angespannten Finanzlage will Hertha darauf unbedingt verzichten. Das ist – aus mindestens zwei Gründen – verständlich.

Zum einen ist der 27-Jährige seit dem Abstieg eine der prägenden Figuren in Herthas Spiel. Zum anderen hält der aktuelle Kader keinen adäquaten Ersatz für ihn bereit.

Deyovaisio Zeefuik könnte natürlich wieder von der linken auf die rechte Seite wechseln und Michal Karbownik dann dessen Platz einnehmen. Aber für beide Außenverteidiger gäbe es dann keinen Backup mehr. Und eine Rückkehr von Julian Eitschberger, der bis zum Sommer an den Drittligisten Rot-Weiss Essen ausgeliehen ist, ist zumindest vertraglich nicht möglich.

Seit 2022 spielt Kenny für Hertha

Indizien, dass Jonjoe Kenny gegen den HSV aus Frust über den verhinderten Wechsel nicht mit vollem Herzen auf dem Platz stehen könnte, sieht Herthas Trainer Cristian Fiél bisher nicht. „Stand heute ist er mein Spieler. Stand heute ist er im Training. Und Stand heute trainiert er so, wie ich das sehen möchte“, sagte er. „Aber ich muss schon das Gefühl haben, dass ich seine hundert Prozent bekomme, wenn ich ihn aufstelle.“

Im Sommer 2022 ist Kenny ablösefrei vom FC Everton nach Berlin gekommen. Dass er inzwischen 84 Spiele (fünf Tore) für Hertha bestritten hat, war zwischenzeitlich nicht unbedingt zu erwarten – weil Kenny nach dem Abstieg am liebsten gleich wieder gegangen wäre. Seine Leistungen hatten sich allerdings nicht merklich vom dürftigen Gesamtauftritt der Mannschaft abgehoben, sodass es verständlicherweise an Interessenten fehlte.

In der Zweiten Liga aber ist Kenny zu einem Leistungsträger geworden. Schon in der vergangenen Spielzeit war er an neun Toren (drei Treffer, sechs Assists) beteiligt – eine Bilanz, die er in der laufenden Saison schon nach etwas mehr als der Hälfte fast erreicht hat. Sechs Vorlagen hat er bisher gegeben, dazu ein Tor selbst erzielt, im Hinspiel beim Hamburger SV.

Vor allem aber verfügt Kenny über eine Mentalität, die Herthas Mannschaft als Ganzer gelegentlich abgeht. Trainer Fiél findet, dass man über seine Qualitäten eigentlich gar nicht reden müsse. „Im Training sieht man von ihm jeden Tag Vollgas“, sagt er. Kenny haben „einen super rechten Fuß, er ist aggressiv im Zweikampf, gibt dir eine gute Flanke und ist dynamisch“.

Auf solche Qualitäten verzichtet man ungern. Das sieht man auch an Kennys Einsatzzeiten in dieser Saison. Er ist einer von drei Spielern bei den Berlinern, die in allen bisherigen 18 Partien zum Einsatz gekommen ist. Er ist einer von zwei Spieler, die es immer in die Startelf geschafft haben. Und er ist der einzige, der in jeder Sekunde dieser Spielzeit für Hertha auf dem Feld gestanden hat.

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