zum Hauptinhalt
Im WM-Halbfinale 1970: Karl-Heinz Schnellinger (links) mit dem Italiener Gianni Rivera.

© Imago/Werek

Karl-Heinz Schnellinger ist tot: Der Volkswagen aus Düren

Karl-Heinz Schnellinger wird vor allem mit dem Treffer im legendären WM-Halbfinale von 1970 gegen Italien verbunden. Dabei war seine Karriere an sich viel spannender.

Claus Vetter
Ein Kommentar von Claus Vetter

Stand:

So langsam verabschieden sie sich, die großen Helden des deutschen Fußballs aus den Jahrzehnten, in denen die Redakteurinnen und Redakteure im Haus gerade mal geboren wurden. Die Frage nach Karl-Heinz-Schnellinger bringt außerhalb der Sportredaktion fast nur Kopfschütteln als Antwort.

Der Autor dieser Zeilen hatte ihn als Schüler in seinem Sammelalbum, das ein deutscher Schokoladenfabrikant in den Siebzigern herausgab. Dort hatte er ein unfassbar schönes Jubelbild von Schnellinger eingeklebt. Es zeigte ihn nach seinem Tor.

Es ist das Tor, das jetzt wieder hervorgeholt wird, und es war das einzige Tor überhaupt, das Verteidiger Schnellinger in 47 Länderspielen erzielt hat. In der Nachspielzeit des Halbfinalspiels bei der WM 1970 in Mexiko traf er zum 1:1 gegen Italien. „Ausgerechnet“, sagte ARD-Kommentator Ernst Huberty. Natürlich, denn Schnellinger spielte seit 1963 als Profi in Italien, 1970 beim AC Mailand.

Das berühmte Tor: Karl-Heinz Schnellinger (rechts) lenkt im WM-Halbfinale den Ball ins italienische Tor und besorgt so in der 91. Spielminute den 1:1-Ausgleich im Aztekenstadion.

© dpa/UPI

Es ranken sich auch noch ein paar Anekdoten rund um dieses Tor, seine Mannschaftskollegen vom AC Mailand sollen „not amused“ gewesen sein, aber am Ende ging ja alles gut aus. Das Spiel wurde zum „Jahrhundertspiel“, weil es eine denkwürdige und torreiche Verlängerung geben sollte, an deren Ende Italien 4:3 gewann.

17 Spiele bestritt Schnellinger bei vier WM-Turnieren. Er hatte nicht das Glück, in einer Phase zu spielen, in der Deutschland einen Titel gewinnen konnte. Auf Vereinsebene wurde Schnellinger 1962 mit dem 1. FC Köln Meister, noch vor Einführung der Bundesliga. Danach ging er nach Italien. Nach einer Saison beim FC Mantua und einer Spielzeit beim AS Rom wechselte er zum AC Mailand. „Volkswagen“ nannten sie den zuverlässigen Deutschen dort. Mit Milan gewann er acht Titel. Zum Ende seiner Karriere bestritt er noch als Mannschaftskapitän mit Tennis Borussia eine Saison in der Bundesliga (1974/1975), an deren Ende die Berliner allerdings abstiegen.

Seinerzeit war es ungewöhnlich und auch etwas verpönt, ins Ausland zu wechseln. Mit Helmut Haller war Schnellinger also einer der ersten Botschafter für den deutschen Fußball und in seiner Wahlheimat ist er auch geblieben.

Mit Deutschland verband den gebürtigen Rheinländer wenig. Im März hatte Schnellinger gesagt, das EM-Turnier in der Heimat nicht besuchen zu wollen: „Zuletzt war ich vor ein oder zwei Jahren da. Ich kenne da kaum noch jemand.“ Am Montag ist Karl-Heinz Schnellinger in Mailand gestorben. Er wurde 85 Jahre alt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })