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Zu schnell für die meisten Gegner. Aber auch für die Bayern? RB Leipzig steht vor dem vielleicht größten Spiel der jungen Vereinsgeschichte.

© dpa

Spitzenspiel der Fußball-Bundesliga: Leipziger Jagdhunde gegen Bayerns Ballzauberer

RB Leipzigs Spiel beim FC Bayern ist aus taktischer Sicht die interessanteste Konstellation, die der deutsche Fußball gerade bietet. Eine Analyse.

Mit dem Spiel des FC Bayern gegen RB Leipzig ist es gefühlt wie mit einem Geburtstag kurz vor Weihnachten. Es geht ein wenig unter. Es fühlt sich einfach etwas versteckt an, so ein Spitzenspiel Erster gegen Zweiter, das am Mittwochabend um 20 Uhr läuft, live zu sehen nur im Bezahlfernsehen (bei Sky) und als Zusammenfassung erst zu nachtschlafender Zeit in der ARD.

Schade deshalb, weil Bayern gegen Leipzig so ziemlich das spannendste und interessanteste Aufeinandertreffen ist, das der deutsche Fußball derzeit zu bieten hat. Jedenfalls aus taktischer Sicht.

Grob vereinfacht treffen zwei Spielphilosophien aufeinander, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Bayerns Positionsspiel, das darauf basiert, den Ball zu haben und durch die eigenen Reihen zirkulieren zu lassen, wird sich dem atemraubenden Anrennen der Leipziger erwehren müssen, die hauptsächlich auf schnelle Ballgewinne und noch schnelleres Umkehrspiel setzen. Oder, etwas fachspezifischer ausgedrückt, trifft das Spiel mit Ball auf das Spiel ohne Ball.

Ballbesitz gegen Konterfußball hat sich in den vergangenen Jahren zur Gretchenfrage der Fußball-Moderne entwickelt, wobei die Mehrzahl der Klubs in Deutschland Letzterem vertraut. Pep Guardiola, der Hüter des heiligen Grals in Sachen Ballbesitz, hat die Bundesliga während seiner drei Schaffensjahre in Deutschland immer wieder als „Konterliga“ bezeichnet. Das war keineswegs despektierlich gemeint und sollte lediglich die bevorzugte Vorgehensweise der meisten Trainer hierzulande beschreiben.

In dieser neuen deutschen Traditionslinie stehend, hat RB das Spiel ohne Ball auf eine neue Stufe gehoben. Alles was Leipzigs Spieler machen, ist einen Tick extremer. Die Intensität der Laufwege, die Aggressivität gegen den ballführenden Gegner und die Bereitschaft zu Sprints im allerhöchsten Tempo erinnern an den Dortmunder Powerfußball auf dem Höhepunkt der Ära Jürgen Klopp. Dafür hat Ralf Rangnick als Verantwortlicher die jüngste Mannschaft der Liga zusammengestellt. Sie ist (noch) in der Lage, die hohe körperliche Belastung des eigenen Stils zu verkraften.

Keine Mannschaft in der Bundesliga legt pro Spiel mehr Kilometer zurück als RB

Diese extreme Spielweise lässt sich an extremen Fakten belegen. Keine Mannschaft in der Bundesliga legt pro Spiel mehr Kilometer zurück als RB, auf der Gegenseite hat aber auch kein Spitzenteam eine so hohe Fehlpassquote. Die Leipziger nehmen diesen Makel bewusst in Kauf, weil sie ein anderes Ziel verfolgen, als die gegnerischen Reihen mit Passstaffetten zu durchbrechen. Jagdhundgleich wollen sie den Kontrahenten über den Platz hetzen, bis er bildlich zusammenbricht, und ihn treffen, wenn er am verletzlichsten ist. Das ist der Moment, wenn er sich in der Vorwärtsbewegung befindet. Gewinnt Leipzig dann den Ball, sind die so wahnsinnig schnellen Spieler Timo Werner, Yussuf Poulsen, Marcel Sabitzer oder Naby Keita nicht zu halten.

In der Theorie ist Bayern aus Leipziger Sicht der perfekte Gegner. Nur beherrscht, abgesehen vom FC Barcelona, keine Mannschaft weltweit das Spiel mit dem Ball so perfekt wie der Deutsche Meister. Weil Leipzig ein 4–2–2–2–System bevorzugt, mit zwei defensiven Mittelfeldspielern und Zweien davor, die sich eher außen positionieren (Emil Forsberg und Sabitzer), wird Bayern im Zentrum verhältnismäßig viel Platz vorfinden. Entscheidend wird sein, wie Thiago und Thomas Müller den zu nutzen wissen. Gerade Thiago, dessen Ballsicherheit in der Bundesliga unerreicht ist, dürfte zum Schlüsselspieler werden. Gelingt es ihm, unter größtem Druck der heranpreschenden Forsberg und Sabitzer den Ball fehlerfrei auf Müller, Arjen Robben oder Franck Ribéry weiterzuleiten, dürfte es für die Leipziger Verteidiger immer schwer werden, sich der Münchner Angriffe zu erwehren. Seit Trainer Carlo Ancelotti von seinem bevorzugten 4–3–3-System abgerückt ist und Müller wieder in der Mitte spielen darf, strahlt der FC Bayern mehr Offensivkraft aus.

Sollten Forsberg, Sabitzer, Keita und Diego Demme damit beschäftigt sein, die Bayern im Zentrum unter Druck zu setzten, werden Philipp Lahm und David Alaba viel Platz auf ihren Seiten bekommen. Mit Außenverteidigern dieser Klasse bekam es RB in dieser Saison noch nicht zu tun. Sabitzer und Forsberg werden sich entscheiden müssen, ob sie die Mitte attackieren oder ihre Außenverteidiger unterstützen. Dazu sind Lahm und Alaba in der Lage, bei Bedarf den Spielaufbau im Zentrum zu unterstützen, was Bayern dort eine ständige Überzahl verschaffen würde. Leipzig wird also noch mehr laufen müssen als sonst schon.

Hertha BSC setzte am Sonnabend auf eine komplett andere Strategie und versuchte, den Raum vor dem eigenen Tor zu verengen, spielte also von Beginn an auf Schadensbegrenzung. Das hat Bayern nicht nötig. Die Mannschaft ist es gewohnt, das eigene Spiel gegen jeden Gegner durchzubringen. Ganz egal, welche extreme Strategie der sich einfallen lässt.

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