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Clueso hat den deutschen Song für die Sommerspiele geschrieben.

© DSM/Christoph Koestlin

Paralympics-Interview mit Clueso: „Ich war am Anfang ein bisschen tapsig“

Der Sänger hat den deutschen Team-Song für Paris geschrieben – dabei halfen ihm auch Para-Sportler. Zu Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen hatte er bis dahin kaum Kontakt.

Von Carla Vitón Tamayo

Stand:

Clueso, Sie haben für die Olympischen Spiele und die Paralympics den Song für das deutsche Team geschrieben. Beschreiben Sie doch mal den Prozess, wie ein Song bei Ihnen entsteht.
Ich dachte früher, dass es einen einfachen Weg gibt und ich ein gutes Rezept finde, um einen Song zu schreiben. Das ist aber leider nicht so – wahrscheinlich wie mit allem im Leben. Es gibt im Labyrinth der Möglichkeiten wahnsinnig viele Wege.

Zum Beispiel?
Ich habe immer ein Gedichtband dabei. Ich liebe Mascha Kaleko, sie inspiriert mich sehr. Und ich hänge viel mit Leuten herum, die mit Sprache zu tun haben, wie Schriftsteller Benjamin von Stuckrad-Barre oder der Poet Max Richard Leßmann, einem sehr guten Freund von mir. Ich spaziere auch gerne einfach nur durch die Stadt und lasse mich inspirieren. Wenn ich dann Songs schreibe, bin ich hoffentlich vorbereitet, dass mir was einfällt. Der Respekt vorm weißen Blatt – der ist aber nie weggegangen. Ich sitze oft da und suche irgendwelche Themen. Gleichzeitig muss man da ja auch ganz naiv reingehen, ein bisschen spielen.

Wie war das beim Schreiben von „Für immer jetzt“?
Ich hatte zuvor noch nie eine Auftragsarbeit gemacht. Wenn ich einen Song schreibe, dann ist es ein Bedürfnis von mir und meinem Körper und allem, was ich so aufgesaugt habe. Ich bin nicht so der Typ, der sich hinsetzt und sagt: Ich schreibe jetzt einen Song über… Bei dem Song für die deutschen Teams von Olympia und den Paralympics war es aber so, dass wir gefragt wurden, ob wir das machen wollen. Und wir haben da ohne zu zögern zugesagt.

Wie ging es dann weiter?
Ich saß dann vor dem weißen Blatt und dachte: Was mache ich jetzt? Ich habe also überlegt, wie ich es schaffen kann, einen hymnischen Song zu machen, der auch Clueso-mäßig einen doppelten Boden und Tiefgang hat. Wie eine Indie-Hymne. 

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Zwischendrin nahmen Sie Kontakt auf zu olympischen und paralympischen Sportlern.
Ich habe gemerkt, als ich mit den Sportlern gesprochen habe, dass es für das Siegerpodest, für das Event und um sich ready zu machen, schon ein bisschen mehr Energie braucht. Da habe ich mich noch mal hingesetzt. Und der Song, der es jetzt geworden ist, der hat mich so begeistert, dass ich froh bin, dass es den Leuten auch gefallen hat. 

Inwiefern haben sich die Erfahrungen und Geschichten von olympischen und paralympischen Sportlern unterschieden?
Gar nicht so sehr, weil der Traum von Olympia oder den Paralympics ja erstmal der gleiche ist. Aber wir hatten im Vorfeld mit paralympischen Sportlern gesprochen, die uns erzählten, dass sie eine ganz andere Sportart gelernt hatten, die dann abgeschafft wurde, die es plötzlich einfach nicht mehr gab. Und die für ihren Traum, einmal zu den Paralympics zu fahren, dann mit einer anderen Sportart anfingen. Das fand ich beeindruckend! Wenn ich jetzt Gitarre lerne, will ich ja nicht morgen ein Klavierkonzert spielen! Dieser Traum und sein Ursprung – das lässt sich auch mit dem Musikmachen vergleichen. Man hat irgendeine Idee, muss dafür brennen, es leben und durchziehen. 

Und alles für diesen einen kurzen Moment bei den Spielen, über den Sie in dem Song singen.
Das Mindset spielt bei fast allen eine extrem wichtige Rolle, was im Kopf vor sich geht. Da reicht ein Vorfall in der Familie, in der Beziehung oder irgendwas, was dich die Goldmedaille kostet. Diese Geschichten kennen sowohl Para-Athleten als auch die olympischen Sportler.

Was haben die Gespräche in Ihnen ausgelöst?
Erstmal habe ich hauptsächlich zugehört, um alles aufzusaugen. Die Hoffnung war dann, wenn der Beat läuft und etwas Musikalisches entsteht, dass das dann alles wieder rausfließt. Was ich erst mal gut fand, war dieser Denkanstoß: Du kannst alle Sportler zusammensetzen und die verstehen sich alle miteinander – aber wenn sie in den Wettkampf gehen, dann kämpfen sie um jede Millisekunde und Medaille. Die wünschen sich vorher viel Glück und nicht viel Erfolg. Und das ist etwas, was ich in der Musikszene genauso erlebe. Wenn ich Leute treffe im Musikbereich, dann wünsche ich denen alles – aber wenn ich auf die Bühne gehe, dann gehört die mir.

Sie hatten erzählt, dass Sie Schwierigkeiten beim Schreiben für den Song hatten. Können Sie da rückblickend sagen, woran genau das lag?
Am zu viel wollen? Ich glaube, da gibt es auch eine Parallele. Irgendwas zwischen hoch konzentriert sein und loslassen ist das perfekte Mindset. Mir haben die Gespräche geholfen, loszulassen und mit dem Beat zu gehen. Die Leute wollen Mucke hören und sich pushen, die brauchen nicht die ganze Lebensgeschichte von irgendeinem Sänger oder Sportler. Ich habe auch gedacht, ich schreibe eigentlich einen Song für den Fan. Gleichzeitig geht es in der zweiten Strophe schon um den Erfolg, um Sport und auch um Musik. Auch, dass es immer zwei Seiten der Medaille gibt. Aufmerksamkeit, Personenkult und was der Erfolg mit sich bringt. Wenn man mal Erfolg hatte, dann will man da natürlich anknüpfen, und das steckt alles drin in dem Song. 

Im Refrain singen Sie: „Keiner hätte auf uns gesetzt“. Passt das auch zu Ihrer Geschichte?
Ja, natürlich. Weil man sehr viel verlieren muss, um zu gewinnen. Vor allem anfangs gibt es immer einen Moment, in dem man überlegt: Warum mache ich das eigentlich? Vor allem, wenn der Erfolg nicht sofort da ist. Der kann ja auch nicht da sein, weil man sich alles erarbeiten muss. Da gibt es auch Freunde und Familie, die dann sagen: Ach komm, Musik? Mach doch etwas anderes, etwas Sicheres. In meinem Fall waren das vor allem meine Eltern. Und bei den Sportlern ist das genauso. Da braucht es schon irgendeine Verrücktheit, dass man das durchzieht – und ein Team. 

Inwiefern hat die Arbeit an dem Song Ihre Wahrnehmung auf Menschen mit Beeinträchtigungen beeinflusst?
In meinem näheren Umfeld gibt es nicht viele Menschen mit einer körperlichen Beeinträchtigung – deswegen war ich am Anfang auch ein bisschen tapsig, was das Thema angeht. Wir können uns nicht ausmalen, was es bedeutet, eine Beeinträchtigung zu haben, wie man da umdenken muss. Ich habe dann gelernt, da einfach so normal reinzugehen wie es geht, Leute zu begrüßen und gemeinsam eine gute Zeit zu haben. Das ist auch das, was ich mitnehme und versuche, weiterzugeben: Leute, geht da angstfrei drauf zu und feiert den Moment. 

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