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Iran, Deutschland, Paralympics: „Wir wollen den Geflüchteten auf der Welt Freude machen“
Der Iraner Amir Pour tritt in Paris für das Geflüchteten-Team an. Der Para-Tischtennisspieler lebt seit seiner Flucht in Deutschland und trainiert bei einem Klub in Heuchelheim.
Stand:
Herr Pour, was bedeutet Ihnen die Teilnahme bei den Paralympics in Paris?
2021 in Tokio hatte ich die Qualifikation geschafft, wurde vom Iran aber nicht nominiert. Dementsprechend sind das meine ersten Spiele. Mit dem Flüchtlingsteam bin ich Kandidat für knapp 100 Millionen Flüchtlinge auf der Welt. Für sie wollen wir so erfolgreich wie möglich sein, ihnen eine Freude machen.
Sie haben bereits im Iran im Para-Tischtennis Erfolge gefeiert. Wie ist die Förderung des Behindertensports im Iran?
Bei den Asian Youth Para Games 2021 in Bahrain habe ich zweimal Gold gewonnen. Generell haben Behinderte im Iran mehr Probleme als in Deutschland. Zum Beispiel ist die Krankenkasse in Deutschland kostenlos, im Iran ist das nicht so. Für meinen Sport muss ich dort auch Geld bezahlen. Das war einer der Gründe für meine Flucht. In Deutschland ist die Förderung des Para-Sports größer. Hier habe ich bessere Trainingsmöglichkeiten.
Wie verlief Ihre Flucht nach Deutschland?
Insgesamt bin ich zehn Tage geflohen, das war im Herbst 2022. Erst mit dem Bus und zu Fuß in die Türkei. Dort musste ich drei oder vier Tage bleiben und ohne Essen auskommen. Von der Türkei bin ich dann nach Rom gereist und von dort mit dem Zug nach Frankfurt. Ich hatte einen Iraner am Bahnhof nach einer guten Flüchtlingsunterkunft gefragt, er empfahl mir Gießen. Da bin ich dann mit dem 9-Euro-Ticket hingefahren.
Ihre Familie lebt noch im Iran. Können Sie sie besuchen?
Aktuell versuchen sie ein Visum zu bekommen, dass sie mich für längere Zeit besuchen können. Das geht gerade nur in visafreien Ländern wie der Türkei oder Georgien. Langfristig wollen sie aber im Iran bleiben, um sich um meine Großeltern zu kümmern.
Wie haben Sie sich hier integriert?
Nach drei oder vier Tagen habe ich im Internet nach einem Tischtennisverein für Behinderte gesucht. Dass der TSF Heuchelheim hier direkt in der Nähe ist, war riesiges Glück. Ich hatte Fabian (Lenke, Amirs Trainer, Anm. d. Red.) eine E-Mail geschickt und so kam der Kontakt zustande. Es gab erst Verwirrungen, weil ich dachte, dass ich in Kassel wäre. Schlussendlich habe ich mich dann im Oktober 2022 mit Fabian und seiner Frau Christine in der Halle getroffen. Ich muss mich bei Deutschland, Hessen, Gießen und Heuchelheim bedanken, weil mir hier immer geholfen wurde. Ohne sie wäre meine Paralympics-Teilnahme nicht möglich gewesen. Ich bin erst seit zwei Jahren hier, aber ich konnte schon viel machen. Fabian und Christine haben mir mit der Schule geholfen, sodass ich Deutsch lernen konnte und einen Minijob gefunden habe.
Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?
Wir Flüchtlinge sind es gewohnt, wenig Geld zu haben, in kleinen Wohnungen zu leben und schwer Arbeit finden. Irgendwann möchte ich gerne in Gießen ein iranisches Restaurant eröffnen (lacht). Den Wunsch nach einem Café oder Restaurant hatte ich schon immer und ich kann gut kochen.
Abschließend nochmal zum Tischtennis. Was sind Ihre Stärken und Schwächen?
Wegen meiner Behinderung ist es im Spiel unter Druck schwierig, gelassen zu bleiben. Es funktioniert nur eine Hälfte meines Gehirns richtig. Meine Rückhand muss ich noch mehr trainieren, die Vorhand klappt schon ganz gut.
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