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Christian Prudhomme hält viel von Deutschland. Ob deswegen 2030 die Tour dort startet, ist aber noch völlig offen.

© dpa/Michel Euler

Start der Tour de France 2030 in Ostdeutschland?: „Man kann eine deutsche Bewerbung nicht einfach vom Tisch wischen“

Tour-Chef Christian Prudhomme erinnert sich bei einem Besuch in Berlin an die Friedensfahrt und macht allen Radsportfans in Ostdeutschland Hoffnung auf einen Start der Frankreich-Rundfahrt 2030 in Dresden.

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Eine Frage treibt Christian Prudhomme bis heute um: „Waren die Radsportler damals bei der Friedensfahrt genauso stark oder sogar stärker als die Profis aus dem Westen?“ Eine befriedigende Antwort hat der heutige Generaldirektor der Tour de France nie erhalten. Die Geschichte war noch schneller als die fliegenden Radamateure aus der DDR und den anderen sozialistischen Ländern.

Nach der Wende allerdings wechselten viele dieser Sportler aus dem Ostblock direkt in den Profi-Radsport – und prägten ihn sofort, wie beispielsweise der Geraer Olaf Ludwig. Der gewann bei seiner ersten Teilnahme an der Tour de France 1990 eine Etappe und wurde bester Sprinter der Rundfahrt. Ludwig war der wohl beliebteste DDR-Radsportler in den 1980er-Jahren, zweimal (1982 und 1986) hatte er die Friedensfahrt gewonnen, dazu gelang ihm 1988 in Seoul der Olympiasieg im Straßenrennen.

„Die Fotos in den Zeitungen von den beeindruckenden Menschenmengen überall, wo die Friedensfahrt vorbeikam, waren natürlich der Maßstab im Osten“, erinnert sich Christian Prudhomme, der als Radsportenthusiast Berichte über das Rennen in der „L’Equipe“ nachlas. Fernsehbilder von der Rundfahrt gab es in Frankreich keine.

Die Friedensfahrt war eine große Nummer in der DDR, das Rennen führte mit wechselnden Start- und Zielorten Jahr für Jahr über Berlin, Prag und Warschau. Nach der Wende verblasste der einstige Ruhm, 2006 fand das Rennen zum Bedauern vieler (N)ostalgiker zum letzten Mal statt.

Prudhomme war am Dienstag Gast einer Diskussionsveranstaltung in der Französischen Botschaft, in der es um die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Tour de France ging. Wobei die nahe Zukunft derzeit geprägt ist von Sicherheitsbedenken. 2026 startet die Tour in Barcelona, die chaotischen Szenen von der gerade zu Ende gegangenen Vuelta haben den Radsport erschüttert.

Man kann eine deutsche Bewerbung nicht einfach vom Tisch wischen.

Christian Prudhomme, Generaldirektor der Tour de France

Proteste von Palästina-Sympathisanten hatten in Spanien zu zahlreichen Störungen des Rennens geführt. Die letzte Etappe in Madrid konnte am vergangenen Sonntag nicht zu Ende gefahren werden, nicht einmal eine richtige Siegerehrung fand statt.

Ob sich derartige Szenen möglicherweise im kommenden Jahr bei der Tour de France wiederholen? „Die einzige Anmerkung, die ich dazu habe, ist, dass Straßenradrennen immer von den Unwägbarkeiten des Lebens abhängig sind und diese auch zu spüren bekommen“, sagt Prudhomme. Man wisse, dass man anfällig sei. Aber Proteste hätte es auch früher schon gegeben.

Die „Steile Wand von Meerane“ als Teil der Tour-Strecke?

Etwas gesprächiger wurde Prudhomme, als es um einen möglichen Tourstart 2030 in Ostdeutschland ging. Zuletzt wurde die Idee publik, das Rennen 40 Jahre nach der deutschen Einheit dort starten zu lassen. Darum bemüht sich eine Initiative aus den Bundesländern Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt. Es wäre nach Köln 1965, Frankfurt am Main 1980, Berlin (damals geteilt und deswegen nur im Westen) 1987 und Düsseldorf 2017 der fünfte Grand Depart in Deutschland.

Was anfangs noch belächelt wurde, ist bei Prudhomme zumindest angekommen: „Wir hatten vor einiger Zeit ein erstes Treffen mit einem Team unter der Leitung von Rudolf Scharping, dem ehemaligen Präsidenten des Deutschen Radsportverbandes, den wir schon seit Langem kennen“, bestätigte der Tour-Chef. Allerdings befinde man sich aktuell noch in einer Frühphase der Evaluation und es würde auch andere Bewerber für 2030 geben.

Aber: „Deutschland zählt für Frankreich, gleichermaßen zählt Deutschland für die Tour de France“, weshalb man eine deutsche Bewerbung „nicht einfach vom Tisch wischen“ könne.

Sollte es tatsächlich den Zuschlag für einen Start in Dresden geben, würden insgesamt drei Etappen in Ostdeutschland stattfinden, mit Zielankünften in Gera, Halle und Magdeburg. Auch angedacht ist, legendäre Streckenabschnitte der Friedensfahrt mit einzubeziehen. Die „Steile Wand von Meerane“ wäre so ein mythischer Ort.

Allerdings ist dieser Mythos ein momentan noch sehr ostdeutscher. Christian Prudhomme jedenfalls hat von der Wand trotz aller Kindheitserinnerungen an die Friedensfahrt noch nie etwas gehört. Das soll sich nach dem Willen vieler Radsport-Fans im Osten aber schon bald ändern.

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