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Streber der Liga: Mit Hannover 96 erwartet Hertha BSC die Mannschaft der Stunde
Am Samstagabend gastiert Hertha BSC beim Spitzenreiter Hannover 96. Die Mannschaft von Trainer Christian Titz wurde im Sommer völlig umgekrempelt und ist noch ohne Punktverlust.
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„Sixty-Nine til‘ the end!“, fauchte Innenverteidiger Virgil Ghiță nach dem 2:1-Auswärtserfolg bei Holstein Kiel mit gehobener Faust in die Kamera, und sorgte mit seinem Zahlendreher für einen viralen Clip im Netz. Der Rumäne hatte zuvor selbst den wichtigen Ausgleichstreffer für Hannover 69 – oder war es doch eher Hannover 96? – erzielt, doch auch so hätte ihm diesen Versprecher wohl niemand übel genommen.
Der Sieg an der Kieler Förder markierte vor der Länderspielpause Hannovers vierten Sieg im vierten Spiel. Nach sieben Jahren Zweiter Liga schielen die Niedersachsen in dieser Saison wieder Richtung Oberhaus.
Virgil Ghiță ist dabei, wie so viele, erst seit Sommer Teil des Klubs: Insgesamt 16 Neuzugänge präsentierte 96 zur neuen Saison, bis auf Boris Tomiak und Kapitän Enzo Leopold wurde die Stammelf einmal runderneuert. Allzu große Eingewöhnungszeit brauchte die Mannschaft nach dem Kaderumbruch jedoch nicht. Auch weil die Verantwortlichen in Hannover offenbar genau wissen, was sie tun.
So traf Ghiță bei 96 auf Stürmer Benjamin Källman, mit dem er drei Jahre bei Cracovia in Polen zusammenspielt hatte, Rechtsaußen Daisuke Yokota hat mit Hayate Matsuda einen japanischen Landsmann im Team. Ime Okon, Noah Aseko, Hendry Blank und Nahuel Noll sind alle um die 20 und neu in Hannover. Kurzum, die Teamchemie stimmt: Benjamin Källman lobte unlängst seinen Sturmkonkurrenten Benedikt Pichler in höchsten Tönen, gerade Hannovers Bankspieler sind es, die – anstatt zu murren – derzeit die Spiele nach Einwechslung entscheiden.
Die ersten Wochen machen den Anschein, dass 96 viele richtige Personalentscheidungen getroffen hat – ohne sich dabei finanziell zu verausgaben. Der beste Neuzugang sitzt bei 96 aber womöglich auf der Trainerbank: Dass sich Christian Titz im Sommer trotz zahlreicher Interessenten auf Hannover festgelegt hat, könnte sich in der Nachbetrachtung als Coup erweisen.
So ist es allemal bemerkenswert, wie schnell die neu formierte Mannschaft das System von Trainer Titz begriffen hat und mit welcher Abgeklärtheit sie es bereits umsetzt. Dabei gilt der 54-Jährige als Taktikfuchs, dem – so müsste man meinen – im Normalfall eine gewisse Eingewöhnungszeit eingeräumt werden muss. Die Gegner Kaiserslautern, Düsseldorf, Magdeburg und Kiel waren zudem wahrlich kein Liga-Fallobst.
Die geheime Zutat lautet Qualität
Doch der Unterschied zu Titz’ vorherigen Stationen könnte folgender sein: Ging es beim 1. FC Magdeburg (2021-2025) und dem HSV (2018) in der Regel darum, trotz qualitativem Gefälle im Ligavergleich, attraktiven und erfolgreichen Ballbesitzfußball zu spielen, findet Titz bei Hannover eine Zweitliga-Spitzenmannschaft vor. Der Kader wurde nicht nur nach seinem Geschmack zusammengestellt, sondern verfügt schlichtweg über jede Menge Qualität, gerade mit Ball.
So sprach Titz im Interview mit dem Tagesspiegel Anfang 2024 davon, wie zuträglich „fußballerisch versierte Spieler“ seiner Idee des Fußballs wären. Genau diese Profile hat er in Hannover nun bekommen: Mit Nahuel Noll kam im Sommer ein Keeper, der die anspruchsvolle Torwartrolle in Titz’ System bekleiden kann. Noll reagiert dabei im Spielaufbau fast wie ein weiterer Innenverteidiger, rückt weit aus dem Tor heraus, verteilt Bälle und hilft, das Angriffspressing des Gegners zu überspielen. Etwas, was man dem langjährigen Stammkeeper Ron-Robert Zieler nicht zutraute, den Weltmeister von 2014 ließen die Verantwortlichen nach Köln ziehen.
Mit Bundu, Rochelt, Chakroun und Yokota stehen Titz offensiv gleich mehrere profilierte Eins-gegen-eins-Spieler zur Verfügung. Fast auf jeder Position ist 96 doppelt besetzt, hinten ließ man erst zwei Gegentreffer zu. 96 hat die eigenen Erwartungen zum Saisonstart übertroffen und ist damit in vielerlei Hinsicht eine Antithese zum kommenden Gegner Hertha BSC (Samstag, 20.30 Uhr). So herrschen bei den Berlinern weiterhin Personalnot und qualitative Fragezeichen.
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