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Chloe Kelly (oben) und Michelle Agyemang haben den K.-o.-im Halbfinale gegen Italien abgewendet.

© dpa/Jean-Christophe Bott

„Super Subs“ machen den Unterschied: Chloe Kelly und Michelle Agyemang sind Englands Edeljoker

England würde ohne seine Einwechselspielerinnen nicht im Finale der Fußball-EM stehen. Immer dann, wenn das Team am Boden wirkt, können sich die Lionesses auf den Energieschub der Stürmerinnen verlassen.

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Vor zwei Jahren reichte Spanien ein einziges Tor, um das WM-Finale gegen England zu gewinnen. Als ein nervenzerreißendes Spiel seinem Ende nahte, warfen die Engländerinnen alles nach vorne auf der Suche nach dem Ausgleich. Doch am Ende fehlte die nötige Durchschlagskraft, vielleicht sogar der nötige Glaube. Die Spanierinnen spielten die Partie clever herunter und wurden Weltmeisterinnen.

Zwei Jahre später treffen sich England und Spanien beim EM-Finale am kommenden Sonntag (18 Uhr, ZDF) schon wieder in einem großen Endspiel, aber diesmal ist alles anders. England ist zwar wieder leichter Außenseiter, doch der Glaube an ein spätes Tor wird diesmal nicht fehlen. Denn genau dafür haben sie bei diesem Turnier ihre Geheimwaffen: Chloe Kelly und Michelle Agyemang.

Bei dieser EM standen Kelly und Agyemang zwar bisher kein einziges Mal in der Startelf. Dennoch sind sie zu Hauptdarstellerinnen geworden, ohne die England wohl nie ins Finale gekommen wäre. Denn als Einwechselspielerinnen − oder auf Fußballenglisch „Super Subs“ − haben sie es schon zweimal geschafft, ein Spiel von der Bank zu drehen und die Lionesses vor dem sicheren Aus zu retten.

Dramatische Wendungen in der K.-o.-Phase

Als Kelly im Viertelfinale gegen Schweden eingewechselt wurde, lag England noch 0:2 zurück, da waren noch elf Minuten zu spielen. Die Spielerin des FC Arsenal brachte neuen Schwung ins Spiel und lieferte schon nach zwei Minuten den Assist für Lucy Bronzes Anschlusstreffer. Kurze Zeit später traf die ebenfalls eingewechselte Agyemang zum Ausgleich. Und am Ende gewann England im Elfmeterschießen.

Im Halbfinale gegen Italien wiederholte sich die Geschichte. Bis zur sechsten Minute der Nachspielzeit lag England 0:1 zurück, ehe Agyemang mit einem späten Ausgleich die Herzen der Azzurre brach. In der Verlängerung war Kelly wieder die Heldin, als sie nach einem zunächst verschossenen Elfmeter im Nachschuss zum Siegtor traf.

Dass ausgerechnet dieses Paar zum Traum-Duo der EM würde, hatte vor diesem Turnier nur wenige auf dem Schirm. Gerade Agyemang, die ihr Länderspieldebüt erst im April feierte, war vielen noch unbekannt.

Vor vier Jahren war sie noch Ballmädchen im Wembley-Stadion, nun hat sich die 19-Jährige mit nur vier Einsätzen zu einer Kult-Heldin gemacht. In der Akan-Sprache ihrer ghanaischen Vorfahren heißt ihr Nachname übrigens „Retter der Nation“.

Chloe ist für diese großen Momente gemacht. Jeder wusste das aus früheren Turnieren, aber nun hat sie noch einen Schritt gemacht.

Mitspielerin Lucy Bronze über Chloe Kelly

Kelly hingegen war schon 2022 zur Heldin geworden, als sie im Finale der Heim-EM gegen Deutschland das Siegtor in der Verlängerung schoss. Doch auch sie hat in den letzten Monaten einen erstaunlichen Weg hinter sich. Im Januar war sie wegen mangelnder Spielzeit bei Manchester City an einen Tiefpunkt ihrer Karriere gekommen.

Ihr Platz im EM-Kader war in Gefahr und sie hat nach eigenen Angaben sogar darüber nachgedacht, den Fußball komplett aufzugeben. Fast aus Verzweiflung wechselte sie zu ihrem Jugendverein Arsenal zurück − und gewann ein paar Monate später die Champions League.

Sollen die Joker von Anfang an spielen?

Für die Lionesses ist sie nun unverzichtbar. „Chloe ist für diese großen Momente gemacht. Jeder wusste das aus früheren Turnieren, aber jetzt hat sie noch einen Schritt gemacht“, schwärmte Mitspieler Bronze nach dem Sieg im Halbfinale. Auch Trainerin Sarina Wiegman zeigte sich begeistert: „Chloe wächst in diesen Momenten“, sagte sie.

Die Niederländerin, die nun zum fünften Turnier in Folge eine Mannschaft ins Finale geführt hat, steht nun vor einer schwierigen Frage. Geheimwaffen sind Kelly und Agyemang schließlich längst nicht mehr, und viele würden sie im Finale gerne von Anfang an sehen. Nach dem Halbfinale rief die frühere Nationalspielerin und heutige TV-Expertin Karen Carney etwa nach „frischen Beinen“ für das Endspiel.

Wahrscheinlicher bleibt, dass sie nach wie vor in der Nebenrolle glänzen werden. „Was nicht kaputt ist, muss man nicht reparieren“, sagte etwa Carneys frühere Teamkollegin Rachel Daly bei der BBC. „Du brauchst auch diese Spielerinnen, die später kommen und erst dann den Unterschied machen. Das ist kein einfacher Job.“

Tatsächlich gehörte es auch immer zur Philosophie von Wiegman, dass man ein paar Asse im Ärmel bereithält, um das Spiel im Notfall drehen zu können. Früher waren es Alessia Russo und Ella Toone. Heute sind es eben Kelly und Agyemang.

Doch wie auch immer Wiegman sich entscheidet: Die Spanierinnen sind gewarnt. Die spanische Sportzeitung „Marca“ beschrieb Kelly zuletzt als „Wiegmans Schlüsselstück“, während die „AS“ Agyemang als „Idol“ lobte. Auch die Weltmeisterinnen wissen also: Diesmal wird es erst vorbei sein, wenn die Schiedsrichterin auch endgültig abpfeift.

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