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Ein Taktik-Experte. Aber ist das genug für Thomas Tuchel, um mit England Erfolge zu feiern?

© Imago/ActionPictures

Thomas Tuchel als englischer Nationaltrainer: Es braucht nicht viel, um schnell wieder vom Hof gejagt zu werden

Ein Deutscher übernimmt den bedeutendsten Job im englischen Fußball. Kann das funktionieren? Möglich, aber auch ein Scheitern von Thomas Tuchel ist denkbar. Das hat seine Zeit beim FC Bayern zuletzt gezeigt.

Kit Holden
Ein Kommentar von Kit Holden

Stand:

Es könnte natürlich funktionieren. Ein Fußballland, das sich seit Jahrzehnten nach einem großen Titel sehnt, und ein Fußballlehrer, der schon etliche Trophäen gewonnen hat. Eine mit Superstars vollgestopfte Mannschaft und ein Trainer, der schon in Paris, West-London und München mit den größten Egos umzugehen wusste. Ein Mann, der England liebt und nun den größtmöglichen Job im englischen Fußball übernimmt.

Seit Mittwoch ist nun offiziell, was lange als wildes Gerücht im Raum stand: Thomas Tuchel wird neuer englischer Nationaltrainer. Wie der Verband mitteilte, hat der Deutsche sogar schon letzte Woche seinen Vertrag unterschrieben. Es scheint, als ob beide Seiten nicht lange überlegen mussten. Man schwärmt voneinander und redet sogar vom WM-Titel 2026.

Es könnte funktionieren. Es müsste eigentlich funktionieren. Und trotzdem ist es ein gewaltiges Risiko.

Das hat in erster Linie mit Tuchel selbst zu tun. Seine Qualitäten als Taktiker stehen zwar außer Frage und dürften einer Mannschaft, die dringend einen neuen Impuls braucht, durchaus guttun. Gleichzeitig gilt er schon lange als einer, der oft mit den Medien oder sogar mit seinen Arbeitgebern streitet. Und gerade in diesem Job kann das zum Problem werden.

Tuchel mag sich in England wohlfühlen. Doch seine Wahrnehmung des englischen Fußballs ist maßgeblich von seiner Zeit bei Chelsea geprägt. Einem Verein, der zwar außergewöhnlich dysfunktional, aber den meisten auch egal ist. An der Stamford Bridge kann man eigenständig arbeiten, ohne in eine Fehde mit Dietmar Hamann, Rio Ferdinand oder sonst jemandem zu geraten.

Die Rolle des Nationaltrainers ist eine komplett andere. Sie ähnelt vielmehr die Trainerposition beim FC Bayern, mit der Tuchel am Ende nicht ganz klarkam. Jeder Satz wird zur Schlagzeile. Jeder Fehler wird zur Staatskrise. Und wie Gareth Southgate in diesem Sommer erfuhr: Auch historische Erfolge sind oft nicht genug, um die absurde Hysterie rund um die „Three Lions“ zu beschwichtigen.

Bei Tuchel wird all das umso größer sein, weil er ein Deutscher ist. Denn so absurd es im Jahre 2024 auch ist, bleibt das für viele in England ein Problem. Wenn er erfolgreich ist und schöneren Fußball als Southgate spielen lässt, könnte Tuchel all das noch überwinden. Auf der anderen Seite gehört nicht viel dazu, um ganz schnell wieder vom Hof gejagt zu werden.

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