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Thorben Marx war nach dem Aufstieg 1997 der erste Spieler aus der eigenen Jugend, der es bei Hertha BSC zum Stammspieler brachte. An diesem Samstag endet seine Karriere als Profifußballer bei Borussia Mönchengladbach.

© Imago/Eisenhuth

Nach 15 Jahren hört der Berliner als Profi-Fußballer auf: Thorben Marx: Urvater der Jugendbewegung bei Hertha BSC

Mit Thorben Marx begann bei Hertha BSC die Fokussierung auf den eigenen Nachwuchs – jetzt beendet er bei Borussia Mönchengladbach seine Karriere.

Das entscheidende Spiel hat Thorben Marx, wie so oft zuletzt, zu Hause vor dem Fernseher verfolgt. Natürlich hat er sich noch ein bisschen mehr gefreut als sonst, nachdem sich Borussia Mönchengladbach mit dem 2:0 in Bremen die Teilnahme an der Champions League gesichert hatte. "Weil die Jungs sich das verdient haben", sagt Marx. "Und weil ich weiß, was es für den Verein bedeutet." Natürlich weiß er auch, was es für ihn selbst bedeuten könnte.

Die Chance, dass Marx am letzten Spieltag gegen Augsburg noch einmal mit Fußballschuhen auf dem Rasen stehen wird, sind zumindest nicht dramatisch gesunken, seitdem feststeht, dass es für die Gladbacher nicht mehr um alles oder nichts geht. Sollte Marx zum Einsatz kommen, wäre es sein erstes Pflichtspiel seit 14 Monaten, sein 100. Bundesligaspiel insgesamt für Gladbach – und das letzte überhaupt. Nach fast 15 Jahren als Profi beendet der gebürtige Berliner am Samstag seine Karriere. Zum Abschluss noch einmal auf dem Platz zu stehen, "das würde die ganze Sache schon abrunden", sagt er.

Vielleicht wird es wenigstens noch ein Kurzeinsatz. So wie beim ersten Mal im November 2000, als er kurz vor Schluss im Frankfurter Waldstadion für Sebastian Deisler eingewechselt wurde. In derselben Minute erzielte ein gewisser Michael Preetz das Tor zum 4:0-Endstand für Hertha BSC. Ob vor oder nach seiner Einwechslung, das weiß Marx nicht mehr.

Das Spiel ist längst vergessen, obwohl es für Hertha den Beginn einer neuen Zeit markierte. Zum ersten Mal seit dem Aufstieg 1997 schaffte es ein Spieler aus dem eigenen Nachwuchs zu den Profis: Benjamin Köhler. Er war zwei Minuten vor Marx eingewechselt worden. Aber Marx, damals 19 Jahre alt, war der Erste, der später auch Stammspieler wurde – und letztlich eine regelrechte Jugendwelle auslöste, die seitdem immer neue Spieler aus der Akademie in die Bundesliga spülte, von Malik Fathi über Kevin-Prince Boateng bis hin zu John Anthony Brooks und Nico Schulz aus dem aktuellen Kader.

Marx ist kein Produkt der modernen Nachwuchsleistungszentren, er ist Absolvent der traditionellen Berliner Schule. Von Stern Marienfelde wechselte er zu Hertha Zehlendorf, erst in der A-Jugend ging er zu Hertha BSC. Nach 79 Bundesligaspielen für den Klub und drei Jahren bei Arminia Bielefeld landete er 2009 in Mönchengladbach. Kontakte zu Hertha bestehen kaum noch, und selbst den Plan, nach der Karriere nach Berlin zurückzukehren, haben Marx und seine Familie inzwischen verworfen. "Wir haben uns hier festgelebt", sagt er.

Ein Bild aus früheren Tagen. In dieser Saison kam Marx noch gar nicht für Gladbach zum Einsatz, in der vorigen wurde er zweimal eingewechselt.

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Seine Eltern, sein Bruder und ein paar Freunde aus Berlin haben sich zum letzten Spiel angesagt. "Es wird schon weh tun", sagt Marx, der in einer Woche 34 wird. "Aber ich bin nach wie vor sicher, dass es der richtige Schritt wird." Im Grunde weiß er seit anderthalb Jahren, dass sein jetzt auslaufender Vertrag der letzte sein würde. Es hat ein paar Anfragen gegeben, aber nichts, was ihn wirklich interessiert hätte. Weitermachen nur um des Weitermachens willen, "noch irgendwo durch die Welt tingeln", das wollte er nicht. "Ich habe immer Angst gehabt, dass ich den richtigen Zeitpunkt verpasse. Es bringt ja nichts, wenn irgendwann die Mannschaften im Training eingeteilt werden und meine Mitspieler sagen: Och, jetzt spielen wir mit einem Mann weniger."

Marx beginnt nach dem Urlaub ein Praktikum in Borussias Geschäftsstelle

Die Gladbacher haben ihn gefragt, ob er sich vorstellen könne, mit seiner Erfahrung in der U 23 auszuhelfen. Marx fand die Idee ganz charmant, "aber das ist inzwischen auch ein Niveau, das einem alles abverlangt", sagt er. "Ich habe mir nicht mehr zugetraut, dafür noch den hundertprozentigen Ehrgeiz zu entwickeln." Stattdessen wird er ein Praktikum auf Borussias Geschäftsstelle beginnen. Dass er jetzt mit Mitte 30 da ist, wo andere mit Anfang 20 sind, das schreckt ihn nicht. "Ich bin da entspannt. Ich kann neue Sachen kennen lernen. Ich genieße das."

Marx war U-21-Nationalspieler, er gehörte zum Team 2006, einer Art B-Nationalmannschaft mit Perspektivspielern für die WM im eigenen Land. Aber für ganz oben hat es nicht gereicht. "Ich war nie so ein Edeltechniker", sagt er. Sein Spiel hat sich – passend zu seinem Typ – eher durch gesunden Realismus ausgezeichnet. Seine Aufgaben im Mittelfeld hat er meist solide erledigt. So wie 2012/13, als die Gladbacher nach dem Weggang von Roman Neustädter vergebens nach Stabilität im Mittelfeld fahndeten, Neuzugang Granit Xhaka noch mit der Bundesliga fremdelte und Marx plötzlich wieder Stammspieler war. Es war eine durchaus kritische Situation, in der sich für den Klub möglicherweise entschieden hat, ob der Weg dauerhaft nach oben oder wieder nach unten führen würde. "In einer der wichtigsten Spielzeiten unserer jüngeren Geschichte hat Thorben eine ganz wichtige Rolle gespielt", sagt Borussias Sportdirektor Max Eberl. "Er ist ein super Charakter, ein stabiler Spieler und ein stabiler Mensch."

Zur allgemeinen Wertschätzung hat vermutlich auch sein Verhalten in seiner letzten Saison als Profi beigetragen, in der Marx vordergründig keine Rolle gespielt hat. Ein paar Mal stand er noch im Kader, aufs Feld aber hat er es nicht mehr geschafft, nachdem er schon in der vergangenen Saison nur noch zwei Kurzeinsätze hatte. "Er hat das total respektiert", sagt Eberl, "hat nicht ein Mal gehadert, nicht ein Mal gezetert." Etwas anderes hätte wohl auch niemand von ihm erwartet. Thorben Marx sagt: "Das entspricht einfach nicht meinem Charakter."

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