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Vom Missverständnis zum Spielbestimmer: Ryan Gravenberch kehrt mit Holland nach München zurück
In seinem Jahr beim FC Bayern war Ryan Gravenberch nur eine Randfigur. Nun trifft er mit Hollands Nationalelf in München auf die DFB-Elf und seinen früheren Trainer Julian Nagelsmann.
Stand:
Anders als hierzulande wird Jan Mulder in seiner Heimat nicht vornehmlich als der Vater von Youri Mulder, dem früheren Schalker Uefa-Cup-Sieger, wahrgenommen.
Jan Mulder ist in den Niederlanden in erster Linie ehemaliger Nationalspieler, Zeitgenosse des großen Johan Cruyff und zudem einer der anerkanntesten Fußballexperten des Landes. Insofern hat das, was der 79-Jährige zuletzt über Ryan Gravenberch hat verlauten lassen, einiges Gewicht.
Man solle nach Liverpool fahren und sich eine Karte für Anfield kaufen, empfahl Mulder. Aber „nicht wegen des Stadions, sondern um Ryan Gravenberch spielen zu sehen“. Dessen Stil sei von seltener Schönheit, sein Spiel von höchster Klasse, und bei seinen geschmeidigen Bewegungen stehe einem der Mund offen.
Anders als von Jan Mulder wird Ryan Gravenberch hierzulande vor allem als großes Missverständnis wahrgenommen. In der Saison 2022/23 spielte er für den FC Bayern München in der Bundesliga. Wobei: Meistens spielte der Mittelfeldspieler aus den Niederlanden eben nicht, weder bei Thomas Tuchel noch bei dessen Vorgänger Julian Nagelsmann.
Er ist ein fantastischer Spieler.
Bundestrainer Julian Nagelsmann über Ryan Gravenberch
An diesem Montag (20.45 Uhr, live im ZDF) kommt es in der Nations League zum Wiedersehen von Ryan Gravenberch mit seinem früheren Vereinstrainer, sinnigerweise auch noch in der Münchner Arena. Dass der 22-Jährige mehr kann, als er in seiner Zeit bei den Bayern zeigen durfte, das hat Julian Nagelsmann, inzwischen Bundestrainer der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, schon im Hinspiel gegen Holland vor vier Wochen in Amsterdam sehen dürfen.
Der frühere HSV-Spieler Rafael van der Vaart, inzwischen als Experte fürs holländische Fernsehen tätig, feierte Gravenberch nach dem 2:2-Unentschieden als den mit Abstand besten Mann auf dem Platz. „Da haben wir einen fantastischen Mittelfeldspieler für unser Land“, sagte er.
Bei den Bayern hingegen hat Gravenberch seine Qualitäten nie richtig zeigen können. Nur im DFB-Pokal, gegen den Drittligisten Viktoria Köln, gelangen ihm ein Tor und ein Assist. Unter Nagelsmann, der Ende März 2023 als Trainer der Münchner entlassen wurde, kam er an 25 Bundesligaspieltagen nur 15-Mal zum Einsatz. Ein einziges Mal schaffte er es in die Startelf – und wurde zur Pause wieder ausgewechselt.
Gravenberch ist damals ein wenig ein Opfer der Verhältnisse gewesen. Er konkurrierte mit Joshua Kimmich und Leon Goretzka, zwei gestandenen deutschen Nationalspielern, um einen Platz im zentralen Mittelfeld. Julian Nagelsmann, ebenfalls neu in München, wagte es nicht, einen von beiden für den Zugang aus Holland auf die Bank zu setzen.
„Es war kompliziert für ihn, und er hat eine Zeit gebraucht, um sich anzupassen“, sagte Nagelsmann vor dem Länderspiel am Montag, bei dem auch zwei weitere frühere Bayern-Spieler (Joshua Zirkzee und Matthijs de Ligt) im Kader der Holländer stehen. Aber Gravenberchs jüngste Entwicklung bei Liverpool und in der Elftal überrascht den Bundestrainer nicht: „Er ist ein fantastischer Fußballer.“
Liverpool zahlte 40 Millionen Euro für ihn
Für 18,5 Millionen Euro hatten die Bayern Gravenberch im Sommer 2022 verpflichtet. Für 40 Millionen verkauften sie ihn ein Jahr später an den FC Liverpool. Zumindest finanziell also machten die Münchner ein gutes Geschäft.

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In Liverpool wiederum würden sie vermutlich trotzdem nicht sagen, dass sie mit Gravenberchs Verpflichtung ein schlechtes Geschäft gemacht haben. „Der Wechsel nach Liverpool war brillant“, sagt Julian Nagelsmann.
Gravenberch ist unter dem neuen Trainer der Reds, unter seinem Landsmann Arne Slot, zu einer wichtigen Figur für die Mannschaft aufgestiegen. Als Sechser, der er bei den Bayern nicht sein durfte, ist er der Spielmacher aus der Tiefe des Mittelfelds.
Gravenberch, gedankenschnell und druckresistent, bestimmt das Tempo seiner Mannschaft und gibt die großen Linien vor. Bei Passquote, Ballkontakten, Raumgewinn seiner Aktionen gehört er in den fünf stärksten Ligen Europas zu den Besten seines Metiers.
„Für junge Spieler ist es wichtig, Spielrhythmus zu kriegen“, sagt Hollands Bondscoach. „Das war schwierig bei den Bayern. Im Prinzip hat er da zu wenig gespielt.“ Auch nach seinem Wechsel nach Liverpool hat sich das nicht sofort geändert. Aber spätestens seit dieser Saison darf sich Gravenberch unangefochten als Stammspieler fühlen. In allen Spielen in der Premier und der Champions League stand er von der ersten bis zur letzten Sekunde auf dem Platz.
Im Nationalteam ist es inzwischen genauso. Dabei war Gravenberch bei Ronald Koeman fast ein Jahr außen vor, nachdem er im September 2023 eine Einladung zur U 23 ausgeschlagen hatte. Bei der EM im Sommer stand der Mittelfeldspieler zwar im holländischen Kader, kam aber während des Turniers nicht eine Sekunde zum Einsatz.
„Glücklicherweise spielt er dieses Jahr in Liverpool, dann sieht man, dass ein Spieler sich entwickelt“, sagt der Bondscoach. „Er ist ein gewaltiger Spieler für uns. An ihm werden wir noch sehr viel Spaß haben.“
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