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Zum Abschied von Lina Magull: Das Nationalteam verliert einen kreativen Geist
Bei der Europameisterschaft in England lässt sie auch die letzten Zweifler verstummen und spielt das beste Turnier ihrer Karriere. Nun verlässt Lina Magull das DFB-Team. Eine Würdigung.
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Es läuft die 48. Minute im wohl wichtigsten Spiel für die deutschen Fußballerinnen der jüngeren Geschichte. Deutschland gegen England, das große Finale der Europameisterschaft 2022 in Wembley, nach dem der Frauenfußball sich weltweit rasant weiterentwickeln wird. Lina Magull bekommt in der gegnerischen Hälfte unter Druck den Ball. Die meisten Fußballerinnen hätten ihn wohl direkt in den Strafraum gespielt, auch wenn dieser voller Gegnerinnen ist. Es ist in der Situation immerhin der einfachste Weg.
Doch Lina Magull ist nicht wie die meisten Fußballerinnen. Sie war schon immer eine Spielerin, die für einen besonderen Moment auf dem Rasen sorgen kann, etwas Unvorhergesehenes. Und so leitet die deutsche Nationalspielerin den Ball per Hacke in die Mitte weiter, nur um ihn kurz darauf im Strafraum wiederzuerhalten und damit zu einer Großchance zu kommen. Während Magull diese Möglichkeit noch auslässt, rettet sie das DFB-Team kurz vor Schluss mit einem Treffer schließlich doch noch in die Verlängerung.
Am Ende verliert Deutschland 1:2 und auch Lina Magull kann die Tränen kaum zurückhalten. Daran ändert es auch nichts, dass sie das EM-Finale in Abwesenheit von Kapitänin Alexandra Popp geprägt hat wie keine Zweite und das wohl beste Turnier im Nationaltrikot ihrer Karriere gespielt hat. Auf ihrem absoluten Leistungs-Peak bleibt ihr der große Triumph verwehrt.
Seit Mittwoch steht fest, dass Magull ihre Laufbahn im DFB-Team ohne einen großen Titel beenden wird. Die 30-Jährige, die viele Jahre beim FC Bayern München unter Vertrag stand, seit der Winterpause der Saison 2023/24 aber für Inter Mailand aufläuft, tritt aus dem Nationalteam zurück. „Es fällt mir unglaublich schwer. Es ist der Abschied von einem Kapitel, das mein Leben in so vieler Hinsicht geprägt hat, voller intensiver Höhen, Herausforderungen, aber auch unvergesslicher und magischer Momente“, schreibt Magull in einem Statement auf Instagram. Letztlich lief die Mittelfeldspielerin in 77 Länderspielen auf und erzielte dabei 22 Tore.

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Mit ihr verliert das deutsche Nationalteam einen kreativen Geist, eine hoch veranlagte Technikerin und eine Spielerin, die in jeder noch so schwierigen Situation eine Lösung zu finden schien. Entweder brachte sie den Ball selbst im Tor unter oder sie ermöglichte den Treffer mit einem Geistesblitz. Kaum jemand konnte ein Spiel so lesen wie Magull.
Zu ihrer Karriere im Nationaldress gehören auch Spiele, in denen sie abtauchte und nicht immer in der Lage war, das Geschehen zu prägen. War das Gegenteil der Fall – und das war es überwiegend – machte sie den Unterschied aus. Spielerinnen wie Magull sehen sich aufgrund ihrer lockeren und teilweise sorglosen Art auf und neben dem Platz schneller mal Kritik ausgesetzt als andere. Mit ihren Leistungen bei Turnieren und insbesondere bei der EM 2022 in England brachte Magull allerdings auch die letzten Zweifler zum Verstummen.
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Die gebürtige Dortmunderin hat nun entschieden, nicht mehr um einen Kaderplatz bei der diesjährigen EM in der Schweiz zu kämpfen. Unter Bundestrainer Christian Wück war sie im vergangenen Herbst nur einmal nachnominiert worden, nachdem andere Spielerinnen verletzt ausgefallen waren, ihre Chancen standen also nicht mehr allzu gut.
Doch statt sich darüber zu ärgern, bleibt Magull natürlich optimistisch. „Ich blicke mit Freude auf die Zukunft des deutschen Frauenfußballs, auf all die talentierten Spielerinnen, die diesen Weg weitergehen werden, um ihre eigene Geschichte zu schreiben. Die kleinen Linas, die mit großen Träumen die Welt erobern.“
Für Lina Magull geht die Reise nun in Italien weiter. Mit der Freude am Spiel, die sie immer begleitet hat.
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