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Bitte nicht mitnehmen: Wer streunende Hunde oder Katzen aus dem Urlaub mitbringt, läuft Gefahr, sich ein infiziertes Tier ins Haus zu holen.

© Getty Images/iStockphoto/Nadtochiy

Gefahren durch "Urlaubstiere": Parasiten im Anflug

Durch Tourismus und Klimawandel treten Wurmerkrankungen vermehrt auch in Mitteleuropa auf.

Eine ganze Weile trottet das niedliche Fellknäuel auf vier Beinen nun schon neben der Familie her, offenbar herrenlos. Und sein Blick sagt „Nimm! Mich! Mit!“. Die Kinder sind ihm bereits völlig verfallen. Kein Wunder, denn ein Hund steht schon länger ganz oben auf ihrer Wunschliste. Was also spricht dagegen, diesen aus dem Spanienurlaub nach Hause mitzunehmen?

Einiges! Professor Georg von Samson-Himmelstjerna, Tierarzt und Direktor des Instituts für Parasitologie und Tropenveterinärmedizin der Freien Universität Berlin rät dringend davon ab. Denn in vielen südlichen Urlaubsländern – darunter Italien, Spanien und Griechenland – sind streunende Tiere mit Parasiten infiziert, die bislang in Deutschland noch nicht „heimisch“ sind: Hautwürmer, Herzwürmer oder Leishmanien. Letzteres sind unter anderem im Blut lebende Einzeller. „Eine der wichtigsten Maßnahmen, um die Ausbreitung dieser Erreger – die zum Teil auch auf den Menschen übertragen werden können – zu verhindern, ist es, keine infizierten Tiere zu importieren“, mahnt Georg von Samson-Himmelstjerna.

Anders als Würmer im Darmtrakt sind Infektionen zum Beispiel mit dem Hautwurm Dirofilaria repens kein Problem mangelnder Hygiene, sondern eher eine Folge von Tourismus und Klimawandel. Denn die Parasiten, die in Südeuropa schon länger verbreitet sind, werden nicht direkt übertragen – etwa durch Kontakt mit Tierkot – sondern von einem Zwischenwirt, dem „Vektor“: der Stechmücke. Sticht sie ein infiziertes Tier, saugt sie die winzigen Wurmlarven mit dessen Blut auf. In der Mücke entwickeln sich diese bis zum dritten Larvenstadium weiter und werden beim nächsten Stich auf ein weiteres Tier übertragen.

„Lange dachte man, dass diese Parasiten nördlich der Alpen keine Chance hätten zu überleben, denn sie brauchen eine bestimmte Temperatur, damit sie sich im Zwischenwirt weiterentwickeln können“, erklärt der Parasitologe. Studien der letzten Jahre, an denen auch die Veterinärmediziner der Freien Universität beteiligt waren, hätten jedoch gezeigt, dass es inzwischen sehr wohl auch bei uns ausreichend viele heiße Sommertage gebe, damit ein, zwei oder gar drei Larvengenerationen in Mücken heranwachsen können.

Leishmanien lösen schwere chronische Infektionen aus

Auch Infektionen mit Leishmanien drohen, sich weiter auszubreiten. Diese einzelligen, rund zehn Mikrometer kleinen Lebewesen, sogenannte Protozoen, werden von winzigen, gefiederten Sand- oder Schmetterlingsmücken übertragen. Diese reisen inkognito, vermutlich mit Lastwagen aus dem Süden ein und können dank der heißen Sommer jetzt auch vermehrt in Deutschland überleben. Leishmanien lösen bei Hunden wie bei Menschen schwere chronische Infektionen aus. Die Symptome: Haut- und Gelenkentzündungen, später auch Veränderungen an inneren Organen.

Dass es kein „normaler“ Mückenstich war, sondern dass möglicherweise Leishmanien übertragen wurden, erkennt man nicht sofort. „An der Stichstelle entsteht eine Entzündung, die mit einer Verfärbung einhergeht und chronisch wird“, sagt Georg von Samson-Himmelstjerna. Über Antikörper im Blut ist die Infektion nachweisbar. Leishmaniose ist beim Menschen heilbar. Infizierte Hunde können ebenfalls therapiert werden, wobei die klinischen Symptome abklingen – die Erreger behalten die Tiere jedoch im Körper. Deshalb brauchen sie eine lebenslange, sehr kostspielige Therapie, und es besteht immer ein hohes Risiko, dass die Erkrankung wieder ausbricht.

Georg von Samson-Himmelstjerna und seine Kolleginnen und Kollegen wollen durch Aufklärung das Bewusstsein für diese neuen, durch Parasiten hervorgerufenen Krankheiten schärfen, denn sie rechnen mit einer weiteren Ausbreitung. Eine Prophylaxe durch Mücken-abwehrende Mittel hilft, das Ansteckungsrisiko zu verringern. Hunde können in Gebieten, in denen Leishmanien vorkommen, auch geimpft werden, wodurch die Krankheitserscheinungen teilweise vermieden werden können. Einen zuverlässigen Schutz vor einer Leishmanien-Übertragung gibt es allerdings weder für Mensch noch Tier. Da die Zwischenwirte hierzulande immer besser überleben könnten, müsse die Zahl der Hauptwirte klein gehalten werden, sagt Georg von Samson-Himmelstjerna: „Es ist absolut wichtig zu verhindern, dass es hierzulande ausreichend viele infizierte Hunde gibt. Andernfalls drohen die Haut- oder Herzwürmer und eventuell auch die Leishmanien, dauerhaft hier bei uns heimisch zu werden.“

Der Fadenwurm ist mit Herz- und Hundehautwürmern verwandt.
Der Fadenwurm ist mit Herz- und Hundehautwürmern verwandt.

© Eye of Science

In den USA hat sich der Herzwurm Dirofilaria immitis rasant ausgebreitet

Was passiert, wenn das misslingt, zeigt sich am Beispiel der USA. Hier hat sich der Herzwurm Dirofilaria immitis, der anfangs nur vereinzelt in Florida anzutreffen war, innerhalb von 50 Jahren rasant über ganz Nordamerika ausgebreitet. In ähnlicher Weise haben sich Dirofilarien in den vergangenen Jahrzehnten auch in der Ukraine und anderen Ländern der ehemaligen UdSSR ausgebreitet. Hier sind inzwischen mehr als 4000 Infektionen bei Menschen mit diesen Würmern dokumentiert worden. Kein Wunder also, dass Ende März, als rund 500 Experten zum 28. Jahrestreffen der Deutschen Gesellschaft für Parasitologie in Berlin zusammenkamen, unter anderem sich ausbreitende parasitische Tierkrankheiten im Fokus standen, die durch Vektoren übertragen werden.

Der Hautwurm Dirofilaria repens wird zehn bis 15 Zentimeter lang, bildet Knoten unter der Haut und wandert am Tag bis zu 20 Zentimeter in der Unterhaut weiter, was starken Juckreiz hervorrufen kann. Keine angenehme Vorstellung, aber er ist eher harmlos und kann operativ entfernt werden. In seltenen Fällen kann sich der Wurm auch in der Augenkammer, in inneren Organen wie der Lunge ansiedeln oder bei Frauen im Brustgewebe. In Deutschland sind bereits mehrere Fälle von Hautwurminfektionen bei Hunden dokumentiert. Im Jahr 2013 steckte sich auch erstmals ein Mensch damit an, ihm wurde ein Wurm aus einem Hautknoten an der Schläfe entfernt.

Im Berliner Umland verbreitet: die Buntzecke, im Bild ein vollgesogenes Weibchen.
Im Berliner Umland verbreitet: die Buntzecke, im Bild ein vollgesogenes Weibchen.

© Freie Universität Berlin

Eine Website klärt zu "Risikogebieten" und Schutzmaßnahmen auf

Weit heftiger fällt eine Infektion mit dem Herzwurm Dirofilaria immitis aus; er befällt die inneren Organe von Hunden und Katzen. Ausgewachsene Exemplare sind 20 bis 30 Zentimeter lang. Sie verstopfen wie ein Spaghettiknäuel die vom Herzen zur Lunge führende Arterie, was zu schweren Herzfunktionsstörungen führt. Über 400 Fälle sind bekannt, in denen sich Menschen mit Herzwürmern infizierten – die meisten in den USA. Um zu verhindern, dass sich die Larven der Haut- oder Herzwürmer in den Tierkörpern zu ausgewachsenen Parasiten entwickeln, können Tiere in den ersten vier Wochen nach der Infektion sehr wirksam mit einem gering dosierten Wurmmittel behandelt werden, denn der Parasit entwickelt sich nur sehr langsam. Spätere Wurmstadien werden damit aber nicht mehr erreicht, weshalb weltweit in Gebieten, in denen Dirofilaria immitis heimisch ist, eine prophylaktische, monatliche Wurmkur bei Haustieren angeraten wird.

„Am besten ist es, wenn man sein Tier nicht in Gebiete mitnimmt, in denen zum Beispiel Leishmanien oder Herzwürmer vorkommen. Besitzer, die ihr Tier dennoch in den Urlaub mitnehmen, sollten sich unbedingt tierärzlich beraten und ihr Tier soweit wie möglich schützen lassen“, sagt Georg von Samson-Himmelstjerna. Er rät, vorher die Website einer Vereinigung europäischer Veterinärparasitologen (www.esccap.de) aufzurufen und anhand der interaktiven Europakarte den „Reisetest“ zu machen. Hier erfährt man, welche Gesundheitsrisiken es für Haustiere gibt und welche Schutzmaßnahmen notwendig sind. Wer trotz aller Warnungen nicht widerstehen kann, einen Hund aus dem Ausland mitzubringen oder von einer dort ansässigen Tierschutzorganisation zu erwerben, findet auf der Website unter dem Stichwort „Auslandshunde“ eine Checkliste. Allein in Berlin warten übrigens Hunderte Hunde und Katzen auf ein neues Zuhause – definitiv frei von Haut- oder Herzwurm und Leishmanien.

Catarina Pietschmann

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