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Berlins Wasserversorgung: „Die Spree wird ausgeprägte Phasen mit sehr niedrigem Pegel haben“
Ohne die Lausitz sähe die Spree in Brandenburg und Berlin anders aus. Worauf wir uns einstellen müssen, wenn der Braunkohleabbau endet, erläutert Hydrogeologin Irina Engelhardt.
Stand:
Frau Engelhardt, Sie sind Hydrogeologin an der TU. Was kann man sich genau darunter vorstellen?
Geologen erforschen den Untergrund, etwa Vulkane oder Erdbeben, also alles, was in der Erde passiert. Wir hingegen beschäftigen uns damit, wie sich das Wasser im Untergrund bewegt. Damit sind wir ein Teilbereich der Hydrologie, die den Wasserkreislauf insgesamt betrachtet, etwa Versickerung oder Verdunstung. Bisher haben wir uns eher mit Trockenstressgebieten im Nahen Osten befasst, zunehmend aber auch mit Berlin und Brandenburg.
In der Ausstellung „On Water” im Humboldt Labor präsentieren Sie die Geschichte des Braunkohleabbaus in der Lausitz. Welche Rolle spielt die Lausitz für die Wasserversorgung Berlins?
Eine immense. 60 Prozent unseres Trinkwassers gewinnen wir aus Uferfiltration von Spree, Müggelsee, Havel und Wannsee. Da in Berlin die Grundwasserressourcen nicht ausreichen, sind wir auf Uferfiltration angewiesen.
Seit ungefähr 1890 wird wegen des Braunkohleabbaus in der Lausitz das dortige Grundwasser in die Spree gepumpt, rund eine Million Kubikmeter am Tag.
Und das soll 2038 enden. Nicht von einem Tag auf den anderen, aber die Grundwassereinleitung ist jetzt bereits rückläufig.
Wenn in der Spree acht Kubikmeter pro Sekunde strömen, gilt das als ausreichend. Künftig kann es auch mal nur ein Kubikmeter sein.
Irina Engelhardt, Hydrogeologin
Was wird die Spree danach für ein Fluss sein? Nur noch ein Rinnsal?
Nein, aber Modellrechnungen des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung im Rahmen des von mir geleiteten Forschungsprojekts „SpreeWasser:N“ zeigen, dass sie ausgeprägte Niedrigwasserphasen über mehrere Wochen haben wird. Eine aus ökologischer und wasserwirtschaftlicher Sicht ausreichende Wasserführung hat die Spree, wenn am Pegel Große Tränke acht Kubikmeter pro Sekunde strömen.
In künftigen Trockenphasen kann es auch nur ein Kubikmeter oder weniger sein. Allerdings würde eine schlechte Wasserführung nicht sofort durchschlagen, weil es mit dem Müggel- oder dem Wannsee große Puffer gibt.
Kehrt die Spree dann quasi in ihren „natürlichen” Zustand zurück, den sie vor Beginn des Braunkohleabbaus hatte?
Das lässt sich schwer sagen, der aktuelle Klimawandel führt ja auch zur Verschiebung der Niederschlagsraten im Sommer und Winter. Wir wissen nicht, wie viel es in früheren Jahrhunderten geregnet hat, da die Messungen erst um 1900 anfangen. Wir verfügen jedoch über gezeichnete Bilder, die eine gute Wasserführung im 19. Jahrhundert zeigen.
Was wird Berlin tun müssen, um weiterhin genug Trinkwasser zu haben?
Berlin tut ja schon eine Menge. Die Wasserbetriebe reichern das Grundwasser mit Spreewasser an. Ein anderes Thema ist die Wasserqualität. Je weniger Wasser wir haben, desto höher ist die Konzentration von urbanen Schadstoffen wie Arzneimittel.
Deshalb ist es so wichtig, in Kläranlagentechnik zu investieren und eine vierte Reinigungsstufe zu etablieren. Denn das in Ostberlin verbrauchte Wasser kehrt gereinigt in die Spree zurück und wird flussabwärts, in Charlottenburg, wiederverwendet. Es ist quasi ein „geschlossener Kreislauf“.
Wie genau funktioniert Uferfiltration?
Sie setzen relativ nah am Flussufer, also in 50, 100 oder 150 Metern Entfernung, eine Brunnengalerie, wie eine Perlenkette, und ziehen das Wasser aus dem Fluss oder See durch das Erdreich in diese Brunnen. In Berlin ist dann eine relativ geringe weitere Aufbereitung nötig. Ich bin immer erstaunt, mit wie wenig wir durchkommen. Aktuell werden nur Schwebstoffe gefiltert sowie Eisen und Mangan entzogen. Offensichtlich ist die Reinigungsleistung, die bei der Uferpassage erfolgt, in Berlin sehr gut.
Ist das Berliner Verfahren einzigartig oder wenden das viele Städte an?
Das wird überall angewendet, das ganze Rheintal hinunter und auch in Hamburg. Am Rhein muss das Wasser aber stark aufbereitet werden, über sieben Stufen.
Stimmt es, dass Berlin seinen Wasserbedarf vollständig aus dem eigenen Gebiet decken kann?
Ja. Aber das ist nicht unbedingt zukunftsweisend. Eine Fernwasserversorgung kann auch der richtige Weg sein. Die Harzer Talsperren beliefern Hannover und sogar Bremen mit hochwertigstem Trinkwasser. Die Berliner Region gibt das nicht her, weil wir nicht die entsprechende Topographie haben.
Diskutiert wird eine Elbüberleitung nach Berlin. Wie realistisch ist das?
Es wird aktuell geprüft, ob das machbar ist. Die Aussagen des zuständigen Brandenburgischen Ministeriums dazu stehen noch aus. Das ist eine politische Entscheidung.
Und dann gibt es dann bestimmt auch viele Elbe-Anlieger, die protestieren werden.
Ja, die Elbe hat ja selbst keineswegs eine kontinuierliche Wasserführung, sondern viele Monate mit Niedrigwasser. Ich persönlich bin kein Fan der Elbüberleitung, auch wegen der Wasserqualität. Und wenn man die Oder anzapft, hat Polen ein gewichtiges Wort mitzureden, das ist ebenfalls brisant. Aber man wird irgendeine Lösung finden müssen.
Welche Maßnahme favorisieren Sie?
Der Norden Brandenburgs hat deutlich weniger Wasserstress als der Süden, auch in Mecklenburg-Vorpommern gibt es noch Gebiete mit ausreichend Ressourcen. Dort gibt es Wasserwerke, die ihre Konzession gar nicht voll ausschöpfen. Wenn es vor Ort nicht genug Abnehmer gibt, könnte man die Förderung hochfahren und das Wasser aus solchen Überschussgebieten nach Berlin transportieren.
In Baden-Württemberg macht man das mittels der Bodenseewasserversorgung so. Die Eingriffe in die Landschaft wären gering, und es gäbe keine politischen Probleme mit Anrainern. Das sind Spielräume, die meiner Meinung nach noch überhaupt nicht ausgeschöpft werden.
Also in irgendeiner Form wird Berlin ab 2038 Wasser von auswärts brauchen, sei es aus dem nördlichen Brandenburg, der Elbe oder der Oder?
So würde ich das nicht formulieren. Was man sagen kann: Dass die Spree ab 2038/40 sehr ausgeprägte Niedrigwasserphasen haben wird, und dass man für diese Situation Vorsorge treffen muss, die Stadt Berlin andere als das Land Brandenburg. Und dass die aktuellen Maßnahmen wie Aufbereitung und Reinigung noch nicht ausreichend sind.
Ein Wort zum Spreewald: Der ist eigentlich auch ein Produkt des Braunkohleabbaus, also eine Schöpfung des Menschen?
Aktuell ist es schwer, hier eine eindeutige Antwort zu geben. Die Wassereinleitung hat sicherlich lange die Effekte des Klimawandels im Spreewald überdeckt. Wir haben gemalte Bilder von 1850, auf denen wir sehen können, dass der Spreewald eine sehr gute Wasserführung aufwies, die deutlich besser als heute war. Derzeit beginnen wir ein neues Forschungsprojekt, um die Entwicklung besser beurteilen zu können.
Wenn die Braunkohleförderung endet und kein Grundwasser mehr in die Spree gepumpt wird, welche Folgen wird das für die Landschaft der Lausitz haben?
Die Lausitz ist eine vulnerable, sich stark verändernde Region. Für sie wird das sicherlich ein großer Vorteil sein, weil der Grundwasserspiegel wieder ansteigt und die wasserabhängigen Ökosysteme dann mehr Feuchtigkeit zur Verfügung haben. Das kann man aktuell schon beobachten.
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