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Mitgestalten: Nyima Jadama aus Gambia (rechts) ist Mitglied im Refugee Advisory Board.

© Anita Back

Vom Einwanderungs- zum Teilhabeland : Geflüchtete gehören in die Mitte der Gesellschaft

Was Politik, Gesellschaft und Medien dafür leisten müssen: ein Gastbeitrag von Raphaela Schweiger und Lisa Veyhl von der Robert Bosch Stiftung.

Von
  • Raphaela Schweiger
  • Lisa Veyhl

Stand:

Deutschland ist ein Einwanderungsland. Das ist spätestens seit 2015 keine Frage mehr, sondern Realität. Allein 2024 wurden nach Angaben des Statistischen Bundesamts knapp 292.000 Menschen eingebürgert, darunter 83.000 aus Syrien – 2014 waren es noch 1.800. Viele der Menschen, die in den letzten zehn Jahren als Geflüchtete nach Deutschland kamen, sind heute Nachbar:innen, Kolleg:innen, Freund:innen. Doch wirklich politisch und gesellschaftlich teilhabend sind die allermeisten noch nicht.

Bis spätestens 2035 muss Deutschland also nicht nur Einwanderungsland, sondern auch Teilhabeland für Geflüchtete werden. Menschen, die von politischen und gesellschaftlichen Mitgestaltungsmöglichkeiten ausgeschlossen sind, fühlen sich häufig nicht als vollwertiger Teil der Gesellschaft. Das kann zu Frustration über unsere Demokratie sowie zu einem Rückzug ins Private führen.

Um dem entgegenzuwirken, bemüht sich insbesondere die Zivilgesellschaft, mehr Räume für politische und zivilgesellschaftliche Teilhabe zu schaffen. Auf Grundlage der langjährigen Erfahrung der Robert Bosch Stiftung sollte sich Deutschland über die kommenden zehn Jahren besonders auf drei zentrale Handlungsfelder konzentrieren.

Geflüchtete engagieren sich längst in Vereinen – von Selbstorganisationen bis zur freiwilligen Feuerwehr – und kommunalen Beiräten. Einige Städte setzen darüber hinaus auf besonders innovative Beteiligungsformate. Doch in der breiten Praxis finden die Perspektiven von Geflüchteten in politischen Entscheidungsprozessen kaum Gehör.

Sechs Menschen mit Fluchterfahrung beraten die Regierung

Und es fehlt auch an politischer Repräsentanz: Fast keine Menschen mit Fluchtgeschichte sitzen im Bundestag oder in Landtagen. Natürlich gibt es positive Ausnahmen wie Ryyan Alshebl, der 2023 zum Bürgermeister von Ostelsheim in Baden-Württemberg gewählt wurde. Doch braucht Deutschland eine viel, viel breitere Mitgestaltung.

Zweitens müssen alle gesellschaftlichen Institutionen – also auch Stiftungen und ihre Projektförderung – Teilhabe und Beteiligung ernst nehmen. In Deutschland wurden bereits wichtige Schritte unternommen, beispielsweise mit der Einrichtung des europaweit ersten „Refugee Advisory Boards“. Aktuell beraten sechs gewählte Menschen mit Fluchterfahrung die Bundesregierung zu ihrem internationalen Engagement im Bereich Flucht.

Der Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) empfiehlt sogar, Organisationen der syrischen und afghanischen Diaspora, stärker in die Beratung zur Außen- und Entwicklungspolitik einzubeziehen. Ob auf internationaler oder lokaler Ebene: diese Stimmen sind unverzichtbar, insbesondere wenn es um Lösungen geht, die Menschen mit Fluchterfahrung betreffen.

Demokratie braucht alle Stimmen

Schließlich muss es auch darum gehen, Menschen mit Fluchtgeschichte im öffentlichen Diskurs sichtbarer zu machen. Denn Teilhabe bedeutet auch, gehört zu werden. In Deutschland leben rund 3,3 Millionen Menschen mit Fluchterfahrung. Sie müssen in den Medien nicht nur in Zahlen und als Betroffene, sondern auch als Expert:innen sowie als gesellschaftlich und politisch Mitgestaltende sichtbar sein.

Die Heimaten-Beilage des Tagesspiegels vom 30. August 2025 und unsere langjährige Kooperation mit dem Tagesspiegel sind ein wichtiges Beispiel hierfür. Initiativen, die sich für eine ausgewogene Berichterstattung und mehr Vielfalt in Medienhäusern und -berichten einsetzen, sind unabdingbar und verdienen Unterstützung.

Geflüchtete wollen sich einbringen – mit ihrer Erfahrung, ihren Kompetenzen, ihrer Perspektive. Wir müssen dafür mehr Räume schaffen. Denn Teilhabe ist kein Bonus, sondern Voraussetzung für eine lebendige Demokratie. Die Robert Bosch Stiftung setzt sich seit Jahren dafür ein. Jetzt ist es Zeit, dass Politik, Zivilgesellschaft und Medien gemeinsam handeln.

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