
© Andreas Klaer PNN/Andreas Klaer
Innovationspreis-Gewinner Digos Potsdam GmbH: „Phosaris“ entgeht nicht der kleinste Hüpfer
Mit Sensoren auf Basis handelsüblicher Glasfaserkabel lassen sich Dehnungen, Vibrationen und Temperaturverläufe in Echtzeit erkennen und Katastrophen vorhersagen.
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Hätte es „Phosaris“ schon ein paar Jahre früher gegeben, wäre der Einsturz der Dresdner Carolabrücke vielleicht verhindert worden. Das neue Messgerät der Digos Potsdam GmbH kann Brücken überwachen und Erdbeben frühzeitig erkennen. Selbst winzige Erschütterungen wie den Hüpfer eines kleinen Kindes registriert „Phosaris“ und stellt ihn mit einem massiven Ausschlag auf dem Monitor dar.
Dabei sieht die Innovation des 35 Mitarbeiter zählenden Systemintegrators für geodätische und geophysikalische Messsysteme, der seit 2014 schlüsselfertige Lösungen für wissenschaftliche, industrielle und sicherheitsrelevante Anwendungen entwickelt, unspektakulär aus: „Phosaris“ ist eine Kombination aus Glasfaserkabel, einem Kasten voller Elektronik und Künstlicher Intelligenz.
Es handelt sich um den Prototyp für „Faseroptische Sensorik für resiliente Infrastrukturen“, so die offizielle Bezeichnung. Der Clou der Lösung: Aus der Datenflut, die die Glasfasern liefern, findet das elektronische neuronale Netz des Gerätes die gesuchten Informationen wie die berühmte Nadel im Heuhaufen heraus. „Die dafür nötigen Rechenprozesse sind unvorstellbar“, sagt André Kloth, Chef des Potsdamer Unternehmens.

© DiGOS Potsdam GmbH/Promo
Die Wiege des Unternehmens stand im Helmholtz-Zentrum für Geoforschung (GFZ) in Potsdam. 2014 wagten André Kloth und Jens Steinborn die Ausgründung aus der renommierten Einrichtung und positionierten sich als Systemintegrator am Markt. Eine Stärke der jungen Firma vom ersten Tag an: die Kombination von Hard- und Software.
Das im GFZ entwickelte Know-how in Sachen Messsysteme eigne sich in der praktischen Anwendung, so erläuterte der studierte Informatiker Kloth damals, perfekt für die Überwachung kritischer Infrastruktur, etwa von Brücken und Bohrlöchern, Deichen und Straßen. Die Technologie kommt aus dem Bereich der Geophysik und wurde an der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung in Berlin entwickelt und patentiert. Kloth erkannte, dass man das System kommerziell verbreiten und anwenden kann.
Das Prinzip: Handelsübliche Glasfaserkabel, wie sie auch für Internetanschlüsse verwendet werden, fungieren als Sensoren, die selbst minimale Veränderungen des Erdreichs, zum Beispiel durch Erschütterungen, registrieren. So lassen sich Dehnungen, Vibrationen und Temperaturverläufe in Echtzeit erkennen. Und das über viele Kilometer. Auf diese Weise sind Frühwarnungen möglich, nachhaltige Planungen und die Schaffung resilienter Infrastrukturen.
Auch in Vulkanregionen einsetzbar
Ein Anwendungsbeispiel ist die Observation von Staudämmen, um Veränderungen des Wasserstandes zu messen und eventuelle Überschwemmungen frühzeitig erkennen und Gegenmaßnahmen ergreifen zu können. Zweites Beispiel: An Autobahnen kann eine gefährlich hohe Abnutzung der Fahrbahn schon so rechtzeitig diagnostiziert werden, dass es nicht erst zu Unfällen kommen muss, damit Konsequenzen gezogen werden. Gleiches gilt für Bahntrassen.
Weitere Anwendungsmöglichkeiten sind etwa die regelmäßige Überprüfung des Zustands von Brücken weltweit, ohne dass Probebohrungen und Laborauswertungen notwendig sind. Auch seismologische Dauerüberwachungen in Erdbeben- und Vulkanregionen sind denkbar. Manja Schüle (SPD), Brandenburgs Wissenschaftsministerin, bezeichnet die Innovation als „nächsten Schritt in die Zukunft“. Für sie war die Vorführung von „Phosaris“ vor geraumer Zeit „nicht nur Wissenschaft, das ist auch Wertschöpfung“.
Erste Kunden für die faseroptische Sensorik hat das Potsdamer Unternehmen bereits gewonnen. Wenn es nach André Kloth geht, ist das erst der Anfang. Er und sein Team wollen das System „made by Digos“ international ausrollen.
Die Truppe hofft, in zwei bis fünf Jahren „ein kleines weltweites Netzwerk an Partnerfirmen zusammengestellt zu haben, die Phosaris für Services und Monitoring nutzen, Schulungen anbieten und Geräte verkaufen“, so der Firmenchef. Erfahrungen mit dieser Art geschäftlicher Partnerschaft hat das Unternehmen schon: Für das seismische Gerät „CUBE“ arbeitet man mit fünf Repräsentanten weltweit zusammen.
„Phosaris“ ist das zweite kommerzielle Projekt des Unternehmens. Vor der Glasfasermessung bestand das Kerngeschäft von Digos aus Laserstationen zur Weltraumbeobachtung. Dafür bekamen die Potsdamer 2019 den Innovationspreis des Landes Brandenburg.
Durch das sogenannte Satelliten-Laser-Ranging (SLR) ist die exakte Beobachtung von Satelliten möglich. Mit diesem geodätischen Verfahren sind Satellitenentfernungen fast millimetergenau zu messen. Digos baut derzeit drei Stationen für die Deutsche Raumfahrtagentur als Teil des Weltraumlagezentrums. Die Stationen sollen vor allem für Weltraumschrott-Beobachtungen genutzt werden.
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