zum Hauptinhalt
Kati Thiemer führt für den Anbieter „Berlin on Bike“ Touristinnen und Touristen auf dem Fahrrad durch die Stadt.

© Mario Heller

Berliner Geschichte auf dem Fahrrad: Eine Schauspielerin auf Mauertour mit Schülern aus aller Welt

Kati Thiemer führt Touristen mit dem Fahrrad durch Berlin. Im Interview spricht sie über ihre Lieblingsstrecke und die Geheimnisse für Fahrten mit Schulklassen.

Stand:

Kati Thiemer, Sie führen Menschen auf dem Fahrrad durch die Stadt. Wie reagieren Touristinnen und Touristen auf den Berliner Straßenverkehr?
Das hängt ganz davon ab, woher sie kommen und wie vertraut sie mit dem Fahrradfahren sind. In der Hauptsaison haben wir sehr viele Schulklassen, die machen 70 bis 80 Prozent unserer Fahrten aus. Viele davon kommen aus dem ländlichen Raum. Manche Schüler:innen denken, der Verkehr in Berlin wäre so wie bei ihnen zu Hause. Die muss man dann öfters darauf hinweisen, dass sie nicht ganz so viel Platz auf der Straße haben. Andere wiederum sind verunsichert vom vielen Verkehr in der Stadt.

Welche Strecke eignet sich am besten, um Berlin auf dem Fahrrad zu zeigen?
Mit Schulklassen fahre ich am liebsten die Berliner-Mauer-Tour. Die führt von der Bornholmer Straße über den Mauerweg ins Regierungsviertel und dann zur Mauergedenkstätte an der Bernauer Straße. Als gebürtige Berlinerin habe ich die Teilung noch selbst erlebt. Durch persönliche Geschichten wird diese Zeit für Schüler:innen viel greifbarer als aus dem Buch. Wenn ihnen aufgeht, dass das wirklich erlebte Geschichte und erlebte Realität ist, bekommen sie einen ganz anderen Bezug zur Stadt und zu den Orten. Das macht dann richtig Spaß.

Was ist das Geheimnis für Touren mit Schulklassen?
Man muss flexibel darauf reagieren, wie die Schüler:innen drauf sind. Klassenfahrten sind ja häufig sehr vollgepackt und die Köpfe der Schüler:innen nicht immer aufnahmefähig. Wenn ich merke, dass eine Klasse wirklich gar keine Lust hat, sage ich schon mal: Wir können die Tour erst mal beginnen und dann schauen, wie es euch gefällt. Dadurch, dass ich auf Augenhöhe mit ihnen kommuniziere, bekommen die Schüler:innen nicht das Gefühl, dass sie von ihren Lehrkräften zu etwas gezwungen werden.

Aus welchen Ländern kommen die anderen Gäste?
Überdurchschnittlich viele sind aus den Niederlanden, daher haben wir auch einige niederländische Guides bei uns im Team. Aber es ist insgesamt eine sehr bunte Mischung, andere kommen zum Beispiel aus England, Italien, Spanien, Frankreich, Skandinavien oder den USA. Ich hatte aber auch schon Gäste aus Lateinamerika, die mit mir gefahren sind.

Wie sind Sie dazu gekommen, Menschen auf dem Rad durch die Stadt zu führen?
Für mich ist es eine zweite Einnahmequelle. Wie viele meiner Kolleg:innen bin ich künstlerisch aktiv, arbeite als Schauspielerin und Drehbuchautorin. Vor zehn Jahren hat mir ein Kollege von den Stadtführungen auf dem Rad erzählt. Da ich vorher schon Führungen zu Fuß angeboten habe, war das für mich spannend. Und ich bin bis heute dabeigeblieben.

Welche besonderen Perspektiven bieten Touren mit dem Fahrrad, die man sonst nicht bekommt?
Es ist ein anderes Erleben der Stadt. Man sieht Berlin einfach ganz anders, als wenn man läuft. Man kann mehr Orte erreichen und ganz schnell von einem Kiez in den nächsten gelangen. Und es ist auch etwas anderes als mit dem Bus, wo man keinen Einfluss darauf hat, wo es langgeht. Mit dem Rad kann man spontan sagen: Oh, hier ist es doch nett, hier machen wir mal eine Pause.

Kati Thiemer am Standort von Berlin on Bike in der Kulturbrauerei.

© Mario Heller

Wo sind Sie am wenigsten gern unterwegs?
Auf Strecken ohne eigene Fahrradspur. Man fühlt sich einfach sicherer, wenn man entspannt mit seiner Gruppe fahren kann. Aufregend wird es immer in der Nähe vom Alex, weil dort auch die Autofahrer sehr gestresst sind und gerne mal auf die Hupe drücken. Da ist immer die Frage, ob alle es gut über die Kreuzung schaffen.

Gibt es eine Fahrt, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?
Auf einer Tour mit einer Schulklasse gab es einen Unfall. Ich hatte den Schüler:innen vorher noch gesagt, dass wir gleich zum Höhepunkt unserer Tour kommen. Ich meinte damit die Berliner Mauer an der Bernauer Straße. Wir haben grade die Straße am Nordbahnhof überquert und da ist ein Autofahrer ohne zu warten abgebogen. Der ist mit Karacho rum und hat das Fahrrad einer Schülerin hinten erwischt. Das war sehr unschön.

Auf die Räder, fertig, los! Dieser Beitrag stammt aus der neuen Ausgabe von „Tagesspiegel Unterwegs Radfahren“. Das Magazin kostet 10,80 Euro und ist versandkostenfrei bestellbar unter shop.tagesspiegel.de.

© Getty Images/pixdeluxe

Welche Touren gibt es bei Ihrem Anbieter noch nicht, die es aber geben sollte?
Ich würde gerne mehr im alten West-Teil der Stadt fahren. Von unserem Standort in der Kulturbrauerei in Prenzlauer Berg ist das leider recht weit weg. Wir haben nur dreieinhalb Stunden Zeit für eine Tour und müssen auch immer hin- und wiederzurückkommen. Selbst bei unserer Tour nach Kreuzberg müssen wir schauen, dass wir das in der Zeit schaffen.

Haben Sie eigentlich ein besseres Fahrrad als die Gäste?
Nein, ich nutze das normale Rad von „Berlin on Bike“ als Arbeitsfahrrad. Außer es ist mal so viel los, dass ich gefragt werde, ob ich nicht mit meinem privaten Rad fahren kann. Es gibt bei uns aber auch Guides, die grundsätzlich lieber mit ihrem eigenen Bike unterwegs sind.

Was gefällt Ihnen an Ihrer Arbeit besonders?
Jeder Tag ist anders. Du weißt nie, wer als Nächstes vor dir steht, wie der Verkehr aussieht, wie die Leute reagieren auf dich und das, was du erzählst. Das macht es spannend. Und man ist draußen an der frischen Luft und bewegt sich.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })