zum Hauptinhalt
Noch bis 30. November zeigt das Museum Schöneberg die Sonderausstellung „Zwischen Wellness und Wahnsinn – Dr. Levinsteins Maison de Santé“.

© Foto: Prisca Martaguet/PRISCA MARTAGUET

Berlins Regionalmuseen: Wo sich die Vergangenheit der Stadt erkunden lässt

In den zwölf Bezirken wird die Geschichte der 97 Ortsteile bewahrt. Zahlreiche Dauer- und Sonderausstellungen machen die urbane Vielfalt erfahrbar.

Stand:

Vom Alltag der Köpenicker Fischer über das luxuriöse Leben in einer Pankower Beletage bis zum ältesten erhaltenen Bürgerhaus Berlins in Spandau aus dem 15. Jahrhundert: Insgesamt 97 Ortsteile hat Berlin und jeder erzählt seine eigene Geschichte. Bewahrt wird die puzzleartige Vergangenheit der Stadt unter anderem in den Regionalmuseen der zwölf Bezirke. Organisiert sind die Häuser unter dem Dach des Berliner Museumsverbands.

„Einmal im Monat kommen wir zusammen, beraten uns und besprechen gemeinsame Projekte“, sagt Irene von Götz, im Vorstand des Verbands zuständig für den Arbeitskreis Regionalmuseen. „Aktuell haben wir zusammen zu Berliner Straßennamen geforscht. Daraus ist die Wanderausstellung ‘Umbenennen?!’ entstanden.“ Anlass seien die jüngsten Debatten über belastete Straßennamen gewesen, sagt von Götz. Sie selbst leitet das Regionalmuseum Tempelhof-Schöneberg. Dieses und zwei weitere haben wir besucht.


Tempelhof-Schöneberg

Das Museum hat fünf Standorte: der Hauptsitz in Schöneberg, das Tempelhof Museum in Alt-Mariendorf 43, das Kindermuseum unterm Dach in Lichtenrade und der Gedenkort ehemaliges SA-Gefängnis Papestraße. Ebenfalls zum Museum gehört der Informationsort „Schwerbelastungskörper“ in der General-Pape-Straße, ein 15.000 Tonnen schwerer Betonklotz, der die Belastbarkeit des Berliner Baugrunds in Vorbereitung auf die Germania-Pläne des NS-Architekts Albert Speer testen sollte.

Der Schwerbelastungskörper in der General-Pape-Straße 34A wurde von den Nazis errichtet.

© Paul Zinken

„Unser Ziel ist es, fünf bis sechs Ausstellungen pro Jahr zu stemmen. Damit es möglichst an jedem Standort jedes Jahr etwas Neues zu sehen gibt“, erklärt von Götz. Am Schöneberger Standort in der Hauptstraße 40–42 zeigt das Haus noch bis zum 30. November die Sonderausstellung „Zwischen Wellness und Wahnsinn – Dr. Levinsteins Maison de Santé“. Die Schau widmet sich mit zahlreichen Aufstellern, Dokumenten und anderen Exponaten der Geschichte des umtriebigen Sohns einer Schöneberger Gastwirtsfamilie, die unweit des heutigen Museums ihre Gaststätte betrieb.

Der Sohn, ein junger Arzt, gründete wenige Meter weiter 1861 eine Brunnen- und Badeanstalt, die er im Laufe der Zeit zu einer elitären Privatklinik von internationalem Ruf ausbaute. Eigens mit Pferdeomnibussen wurde das erlesene Publikum damals aus dem nahen Berlin in Levinsteins Sanatorium kutschiert. Zwei der originalen Fassaden des Ensembles sind noch heute in der Hauptstraße 14-16 zu sehen.

Irgendwo auf der Trabrennbahn Mariendorf: Die Fotoschau „Orte ans Licht bringen“ zeigt bis 10. Mai 2026 Aufnahmen von nicht mehr genutzten Industrieanlagen und Gebäuden im Bezirk.

© michaela booth

Im Museum Tempelhof startet am 8. November eine Fotoausstellung. Die Schau „Orte ans Licht bringen“ zeigt bis 10. Mai 2026 Aufnahmen von nicht mehr genutzten Industrieanlagen und Gebäuden im Bezirk. Die Fotos stammen von der Berliner Fotografin Michaela Booth. Am Sonntag, dem 23. November, um 15 Uhr führt Booth selbst durch die Ausstellung.

Museen Tempelhof-Schöneberg, Hauptstraße 40/42, 10827 Berlin. museen-tempelhof-schoeneberg.de


Marzahn-Hellersdorf

Im idyllischen Marzahner Dorfanger leitet seit Juni 2024 Claudia Buchwald die Geschicke. Das frühere Regionalmuseum heißt jetzt Museum Marzahn-Hellersdorf und wird gerade komplett umgekrempelt. Für sechs Millionen Euro wurde das alte „Kulturgut“ im Dorfanger zum „Museumsgut“ umgebaut.

Die alte Dauerausstellung zur Geschichte des Bezirks wird momentan überarbeitet. „Erste Teile werden voraussichtlich 2026 eröffnet“, sagt Buchwald. „Statt alle Epochen gleichmäßig zu überfliegen, soll sich die neue Dauerausstellung besonders auf die Zeit der Urbanisierung und des Großsiedlungsbaus in der DDR konzentrieren, also das Spezifische des heutigen Bezirks zeigen.“

Für sechs Millionen Euro wurde das alte „Kulturgut“ im Marzahner Dorfanger umgebaut.

© Foto: Museum Marzahn-Hellersdorf

Ein Besuch lohnt sich aber auch so. Bis Ende 2026 ist die Ausstellung „Umbenennen?!“ zu Gast. Zu sehen ist sie im Erdgeschoss in der „Alten Schule“, Alt-Marzahn 51, dem Sitz der Museumsverwaltung.

Auch für den Bezirk hat das Thema große Relevanz. 163 neue Straßen sind allein im Zuge des DDR-Großsiedlungsbaus in den 1970er-Jahren entstanden, benannte wurden sie nicht selten nach Opfern des NS-Terrors, die später in der DDR zu hohen Funktionären wurden. Die teils zwiespältigen Lebensgeschichten sind auf Schautafeln nachzulesen. Dazu werden ausgewählte Exponate gezeigt.

Stelen erinnern an die Opfer des „Zwangsarbeiterlager Kaulsdorfer Straße 90“.

© Foto: Museum Marzahn-Hellersdorf

Ebenfalls zum Museum gehört der Gedenkort „Zwangsarbeiterlager Kaulsdorfer Straße 90“. Seit 2013 erinnert eine Open-Air-Ausstellung am Wuhlewanderweg (Höhe Bismarcksfelder Straße) an die Geschichte des Ortes und die Opfer des Lagers.

Museum Marzahn-Hellersdorf, Alt-Marzahn 51, 12685 Berlin. kultur-marzahn-hellersdorf.de/bezirksmuseum-marzahn-hellersdorf


Friedrichshain-Kreuzberg

Der Backsteinbau in der Adalbertstraße 95 gleich am Kottbusser Tor ist Dienstsitz von Natalie Bayer. Die 48-Jährige leitet das Museum Friedrichshain-Kreuzberg: drei Ausstellungsräume mit je 135 Quadratmetern auf drei Etagen.

Das Museums Friedrichshain-Kreuzberg hat seinen Sitz in der Adalbertstraße 95a, unweit des Kottbusser Tors.

© Foto: FHXB Museum

In der zweiten Etage wird am 13. November die Sonderausstellung „Widerstand und Würde“ eröffnet. „Das ist unser Beitrag zum 80. Jahrestag des Kriegsendes. Wir fokussieren uns dabei auf die Perspektiven der Roma und Sinti während des Kriegs“, berichtet Bayer. Zu sehen sein werden vor allem Dokumente, Bilder und einige „wichtige Objekte“. „Auch die Entstehung des Denkmals für die Roma und Sinti im Tiergarten wird eine Rolle spielen.“ Das Denkmal erinnert an die bis zu 500.000 Sinti und Roma, die zwischen 1933 und 1945 verfolgt und ermordet wurden. Ab Mai 2026 soll dann hier die Ausstellung „Umbenennen“ einziehen.

Eine klassische Dauerausstellung zur Geschichte gibt es nicht. „Keine Ausstellung, auch nicht von meinen Vorgängern, wurde ursprünglich als Dauerausstellung konzipiert. Manche sind es dann aber irgendwie geworden“, sagt Bayer. So kann man seit 2012 in der dritten Etage durch die multimediale Ausstellung „Ortsgespräche – Ferngespräche – Ortsgeschichten“ laufen. An Hörstationen einer großen Straßenkarte auf dem Fußboden erzählen Anwohner von Orten, die sie typisch für den Bezirk finden oder an denen sie etwas Besonderes erlebt haben.

Seit 2012 kann man durch die multimediale Ausstellung „Ortsgespräche – Ferngespräche – Ortsgeschichten“ laufen und den Geschichten der Kiezbewohner zuhören.

© Foto: Ellen Roehner

In der ersten Etage dagegen befindet sich die Sammelausstellung „Ver/sammeln antirassistischer Kämpfe“. In grauen, nach Jahren geordneten Kartons finden sich Dokumente, Flugblätter, Demoaufrufe und weitere Zeitzeugnisse. Dazu informieren große Aufsteller und Fotos von Protesten und anderen Ereignissen. Die 2022 als Archiv angelegte Schau wächst von Jahr zu Jahr.

Auch die sogenannte Fontane-Apotheke in Bethanien gehört zum Museum. Die Krankenhaus-Apotheke am Mariannenplatz, in der Theodor Fontane 1848 und 1849 als Apotheker arbeitete und Schwestern zu Apothekerinnen ausbildete, ist noch in ihrer originalen Ausstattung erhalten und kann ebenfalls besichtigt.

Museum Friedrichshain-Kreuzberg, Adalbertstraße 95a, 10999 Berlin. fhxb-museum.de

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })