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Von Nintendo zu Nabucco: Wie Berliner Opernhäuser Kinder für Musiktheater begeistern
In Zeiten von Youtube und Tiktok ist es eine Herausforderung, jungen Menschen die Schönheit von Oper nahezubringen. So kann es trotzdem gelingen.
Stand:
Eben noch ist der neunjährige Johann auf dem Sessel hin und her gerutscht, doch jetzt: ein lautes, überbordendes orchestrales Tutti – und entsprechend volle Konzentration.
Die Kinderoper „Die drei Rätsel“ feiert Premiere in der Deutschen Oper und schlägt das Publikum von Beginn an in ihren Bann. „Schon im ersten Bild haut der Komponist alles rein, was er hat“, versprach Regisseurin Brigitte Dethier vorab. Große Sogwirkung ab Takt eins – so lautet das Geheimrezept dafür, medial überreizte junge Menschen für ein traditionell erwachsenes Genre zu gewinnen.
Oper hat das älteste Publikum
Ein Blick in die Statistik zeigt, dass das Opernpublikum tatsächlich eher alt ist: Laut dem KulMon-Publikumsmonitoring sind 60 Prozent der Besuchenden 50 Jahre oder älter, im Vergleich zu anderen darstellenden Künsten hat die Oper das älteste Publikum von allen. Der Anteil der Unter-19-Jährigen liegt bei gerade einmal zwei Prozent. Und dennoch tun Deutsche Oper, Staatsoper und Komische Oper viel dafür, genau diese zwei Prozent anzusprechen.
Der künstlerische Anspruch ist derselbe wie bei jeder Abendvorstellung.
Anja Scholtyssek, Komische Oper
Dabei verfolgen die Berliner Häuser verschiedene Ansätze: Die Deutsche Oper holt die Kinder auf die Bühne, die Komische Oper hingegen setzt auch in ihren Kinderproduktionen auf ein Orchester in voller Besetzung und Opernstars, die auch große Rollen in anderen Produktionen übernehmen.

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„Der künstlerische Anspruch ist derselbe wie bei jeder Abendvorstellung. Eigentlich fehlt nur der Pausensekt“, so Anja Scholtyssek von der Komischen Oper. „Viele Häuser zeigen ihr Angebot für Kinder in kleineren Spielstätten, doch wir wollen das komplette Erlebnis Oper ermöglichen.“
Bewährte Kinderbuchstoffe
Die Komische Oper gibt regelmäßig neue Werke als Uraufführungen in Auftrag, die auf bewährten Kinderbuchstoffen beruhen – aktuell etwa Christine Nöstlingers „Konrad oder Das Kind aus der Konservenbüchse“. Außerdem hat sie Kinderkonzerte im Programm, etwa „Im Zauberwald“, bei dem im Februar 2026 Generalmusikdirektor James Gaffigan dirigiert, sowie Kuscheltierkonzerte und ein Weihnachtsliedersingen.

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Hinzu kommen diverse Vermittlungsformate des musiktheaterpädagogischen Teams und Mitmachmöglichkeiten wie der Kinderchor der Komischen Oper Berlin mit über 100 Kindern zwischen sechs und 16 Jahren.
Kinder sitzen auf der Bühne
Zurück zu den „Drei Rätseln“ an der Deutschen Oper: Nach dem furiosen Auftakt ist die Geschichte von Lasso und Prinzessin Scharada zu erleben – und hier sitzen die Kinder nicht nur im Publikum, sondern auch auf der Bühne. Die beiden Hauptpartien sind für Kinder geschrieben und werden von Mitgliedern des Kinderchores der Deutschen Oper Berlin gespielt.

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„Auf der Bühne steht der 80-köpfige Kinderchor und auch im Orchestergraben sitzen neben den Profis der Deutschen Oper 40 Jugendliche des Landesjugendorchesters und aus verschiedenen Berliner Schulen und Musikschulen“, so Deutsche-Oper-Sprecherin Kirsten Hehmeyer.
Die Oper selbst ist eine Mischung aus Märchen und Sozialdrama – ein Opernerlebnis für alle ab neun Jahren, das von der Deutschen Oper selbst mit „alles andere als knuffig“ beschrieben wird. Weitere Aufführungen folgen am 13. und 15. Februar 2026.
Andocken an die Lebensrealität
Und die Staatsoper? „Wichtige Bausteine unserer Angebote sind das Mitmachen und auch Andocken an die eigene Lebensrealität“, so Pressesprecherin Carolin Bitzer. Über Workshops für Schulklassen mit anschließendem Vorstellungsbesuch konnte die Staatsoper in der vergangenen Saison rund 1300 Kinder und Jugendliche erreichen.

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Hinzu kommen Führungen, Probenbesuche, und Mitmachangebote wie das Kinderopernhaus Berlin, das Opernkinderorchesters mit 90 Kindern und der Jugendchor mit 50 Mitgliedern. Neu in der laufenden Spielzeit ist die „Oper im Klassenzimmer“, die in Schulen stattfindet und einen unmittelbaren Austausch mit den Aufführenden ermöglicht.
Mitsingen erwünscht
Mit dem „Freischütz für Kinder“ bietet die Staatsoper im Januar 2026 außerdem eine Kinderoper zum Mitmachen an: Vom eigenen Sitzplatz aus können sich Kinder an der Aufführung beteiligen, durch selbstgebastelte Requisiten und das Mitsingen bestimmter, vorher einstudierter Stellen.
„Was man selbst einmal gesungen hat, prägt sich ganz anders ein als das lediglich Gehörte“, so Carolin Bitzer. Darum wird in fast allen Kinderkonzerten eine kleine Melodie mit dem Publikum gesungen. Auch das ein Weg, Oper erlebbar zu machen – inklusive Ohrwurm für den Heimweg.
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