
© WDR/Thomas Kierok
TV-Kritik „Maischberger“: Die Brandmauer? „Eine billige Diskussion um irgendeinen Begriff“, sagt der CDU-Ministerpräsident
Polit-Prominenz bei „Maischberger“: Michael Kretschmer hadert mit der Brandmauer, Österreichs Ex-Kanzler Kurz prahlt mit seinem neuen Job – und wird von einem anderen Gast belehrt.
Stand:
Eine Talkshow wie ein Krimi: Maischberger gelingt es am Dienstagabend, ihre Sendung derart mit spannenden Gästen und Themen vollzupacken, dass Abschalten keine Option ist. Die ARD-Sendung in der TV-Kritik.
Die Gäste
- Michael Kretschmer (CDU), sächsischer Ministerpräsident
- Sebastian Kurz, ehemaliger österreichischer Bundeskanzler
- Jean Asselborn, ehemaliger luxemburgischer Außenminister
- Franca Lehfeldt, Journalistin und Unternehmerin
- Michael Mittermeier, Comedian
- Nicole Diekmann, ZDF-Journalistin
Michael Kretschmer: Der Unentschlossene
Sachsens CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer erhofft sich ein „freundliches Gespräch“. Was das bedeuten soll, bleibt offen. Unfreundlich wird es jedenfalls nicht, auch wenn Maischberger ihren Gast bisweilen in Erklärungsnot bringt.
Kretschmer hat sich offenkundig ein Leitmotiv überlegt, das ihn durch das ganze Gespräch begleitet. „Wie oft hört man heute in der Politik: ‘Wir müssen besser erklären’“, fragt er. Stattdessen müsse man den Bürgern aber besser zuhören „und dann auch ab und zu genau das tun, was sie wollen“.
Wie könnte das am Beispiel Wehrpflicht konkret aussehen? „Das Entscheidende ist, was die Menschen in diesem Land wollen“, wiederholt Kretschmer. „Aber Sie würden keinen Volksentscheid machen, oder?“, fragt die Moderatorin. „Doch“, antwortet der Ministerpräsident. Angesichts der fehlenden rechtlichen Möglichkeiten zumindest auf Bundesebene ist das erstaunlich.
So ganz sicher scheint sich Kretschmer dann doch nicht zu sein. „Was denn, wenn die Mehrheit jetzt sagen würde, nee, wir wollen weder ne Wehrpflicht, noch wollen wir ein soziales Pflichtjahr?“, hakt Maischberger nach. „Ich denke, dass wir gewisse Sachen als repräsentative Demokratie auch vorgeben müssen“, erwidert Kretschmer.
Volksentscheid ja, aber wenn das Ergebnis nicht passt, wird eben doch im Parlament entschieden? Dass es angesichts der Bedrohung aus Russland Verteidigungsbereitschaft brauche, sei klar, so lässt sich Kretschmer verstehen. „Aber über das Wie muss ganz anders mit der Bevölkerung gesprochen werden.“
Die Bürger müssen also wollen, dürfen aber aussuchen, wie sie wollen? Es bleibt diffus. Von einem Volksentscheid ist jedenfalls keine Rede mehr. Kretschmer spricht lieber von einer „Volksbefragung“. Ein Volksentscheid sei „schwierig, das gibt unsere Verfassung nicht her“, räumt er ein. Eine späte Erkenntnis.
Auch bei der Frage nach der Brandmauer bleibt Kretschmer unentschlossener, als er vorgibt zu sein. Der bisherige Umgang mit der AfD habe nicht funktioniert, die Partei werde immer größer, argumentiert er. „Deshalb muss man einen anderen Umgang finden.“ Die Brandmauer-Diskussion sei eine „billige Diskussion um irgendeinen Begriff“, wirft er Maischberger vor.
Es bleibt unklar, was das nun für die Kooperation mit der AfD bedeutet. Die Partei sei rechtsextrem, betont Kretschmer. Aber: „Das Verstecken hinter einer Brandmauer“, sagt er, „hilft uns nicht weiter“. Eindeutiger wird er nicht.
Sebastian Kurz: Der Besserwisser
Das einstige Wunderkind der österreichischen Politik, Sebastian Kurz, erklomm die Karriereleiter wohl schneller, als Jens Spahn „CDU-Vorsitz“ sagen kann. Mit 27 Jahren wurde Kurz zum Außenminister ernannt, mit 31 als Bundeskanzler vereidigt, und mit 35 Jahren trat er bereits infolge von Korruptionsermittlungen zurück.
Nach dem (vorläufigen?) Ende seiner politischen Laufbahn ist Kurz weich gefallen, und das möchte er offenbar auch die Zuschauer wissen lassen. Wenn der Ex-Kanzler über seine neue Berufung spricht, platzt er fast vor Stolz. „Ich verbringe die Hälfte meiner Zeit im Middle East, ich habe ein Unternehmen gegründet in Tel Aviv und in Abu Dhabi“, erzählt er.
Aus dieser unternehmerischen Tätigkeit leitet er ein umfangreiches Wissen über den Nahen Osten ab. Mit Blick auf das Abkommen zwischen Israel und der Hamas betont Kurz etwa: „Ich kenne ganz viele, die da Tag und Nacht daran gearbeitet haben.“
Jeder vor Ort wisse, dass die USA „hochprofessionell“ an einer Einigung gearbeitet hätten. Professioneller als mit dem häufig kritisierten Steve Witkoff geht es in Kurz’ Augen wohl kaum (selbst Trump gab letztens zu, dass Witkoff keine Ahnung über Russland und Putin gehabt habe). Für die Europäer hat der Ex-Kanzler dagegen nur harsche Kritik übrig. Während die Amerikaner verhandelt hätten, seien europäische Regierungen mit einer „PR-Show“ beschäftigt gewesen.
Es habe vonseiten der EU-Staaten eine „völlige Themenverfehlung“ gegeben, „weil man überhaupt nicht in Kontakt ist mit den Playern vor Ort“. Wie froh können wir sein, dass immerhin Sebastian Kurz es ist.
Über seinen ehemaligen Chef, den US-Techmilliardär und Paypal-Mitgründer Peter Thiel, möchte der Ex-Kanzler so wenig wie möglich sprechen. „Ich habe kein Problem mit einem Tech-Giganten, wenn er ein Demokrat ist, und ich habe auch kein Problem mit einem, wenn er ein Republikaner ist“, bekennt Kurz, ganz allgemein gesprochen.
Und was ist mit dem Tech-Giganten Peter Thiel, der Demokratie und Freiheit für unvereinbar hält und über den „Antichristen“ fabuliert? Leider fragt Maischberger nicht weiter nach.
Es wird langfristig Frieden nur mit und nicht gegen Russland geben können.
Sebastian Kurz, ehemaliger österreichischer Bundeskanzler
„Es ist immer im Nachhinein einfach, zu sagen, diese Linien wäre richtig gewesen“, sagt Kurz, angesprochen auf die Russland-Politik auch seiner damaligen Regierung. Jetzt gelte jedenfalls: „Der einzige Weg ist Dialog.“ Es sind die alten, wohlbekannten Phrasen, die Kurz hier wenig überraschend drischt.
Schockierend ist allerdings, dass Österreichs ehemaliger Kanzler selbst das zu Recht verstaubte ehemalige Motto (west-)europäischer Russlandpolitik wieder aus der Mottenkiste holt: „Es wird langfristig Frieden nur mit und nicht gegen Russland geben können“, behauptet er. Das sage einer mal den Ukrainern, die von Russland seit über 1300 Tagen mit Raketen, Panzern und Drohnen terrorisiert werden.
Jean Asselborn: Der Europäer
Erfrischend ist, dass Kurz nicht alleine befragt wird. Neben ihm sitzt Luxemburgs ehemaliger Außenminister Jean Asselborn, der seinem österreichischen Freund häufig entschieden widerspricht und etwas Witz in die Sendung bringt.
Asselborn hat geschlagene 19 Amtsjahre hinter sich und strotzt dennoch vor Energie. „Sebastian!“, ruft er nicht nur an einer Stelle, halb empört, halb belustigt. „Saudi-Arabien wird nie Israel anerkennen, solange die Palästinenser keinen Staat haben“, belehrt er Kurz, der das Gegenteil behauptet.
Asselborn unterstellt außerdem, Kurz habe die EU erniedrigt; er wirft ihm gar „Trumpismus“ vor und sagt zu Kurz: „Dein Freund Trump“. Sowieso macht der US-Präsident Asselborn fuchsig, womöglich gerade weil Kurz kein böses Wort über Trump zu entlocken ist. „Das ist doch verrückt, dass ein Präsident Amerikas sich einmischt“, klagt Asselborn mit Blick auf Trumps Forderung an Israels Präsidenten, Premierminister Benjamin Netanjahu zu begnadigen.
Der ehemalige Außenminister schwankt mitunter zwischen Pathos und Realismus. Anders als Kurz kritisiert er Trumps Russland-Zickzackkurs scharf. Er betont aber auch: „Dieser Krieg wird nicht mit Waffen zu Ende zu bringen sein.“
Angesichts ihrer fehlenden Geschlossenheit und ihres mangelnden Einflusses in Nahost stellt er zudem fest: „Die EU hat sich irrelevant gemacht.“ Für den leidenschaftlichen Europäer Asselborn ist das eine ernüchternde Erkenntnis.
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