zum Hauptinhalt
Szene aus dem neuen Studienzentrum der Nationalen Kohorte in Berlin.

© Davids/Sven Darmer

Die Nationale Gesundheitsstudie NAKO: Leben unter der Lupe

200 000 Menschen: so viele machen bei der Nationalen Kohorte mit. Sie lassen sich im Rahmen dieser Studie jahrelang regelmäßig untersuchen –  und helfen damit, die Entstehung großer Volkskrankheiten besser erforschen zu können. In Steglitz hat jetzt das dritte Berliner Studienzentrum eröffnet.

Dreimal kräftig zudrücken! Wie viel Greifkraft hat eigentlich meine Hand? Kurz an diesen Duftproben schnuppern! Was ist das für ein Aroma, das man mir da gerade vor die Nase hält? Achtung, bitte tief durch das Mundstück ein- und ausatmen! Wie steht es um meine Lungenfunktion?

Wer sich entschließt, Teil der Nationalen Kohorte, kurz NAKO, zu werden, muss ein paar Stunden seiner kostbaren Lebenszeit investieren: Jeder der insgesamt 200 000 Teilnehmer zwischen 20 und 69 Jahren, die in den nächsten Jahren in ganz Deutschland zusammenkommen sollen, wird zunächst in einem kurzen Gespräch über wichtige Punkte aus der eigenen Lebens- und Krankheitsgeschichte berichten, er oder sie soll am Bildschirm einen Fragebogen zu den aktuellen Lebensumständen ausfüllen, soll Blut- und Urinproben testen lassen, bei verschiedenen weiteren Untersuchungen und Tests mitwirken und in regelmäßigen Abständen Online ein kleines Ernährungsprotokoll ausfüllen. All das im Dienst der Wissenschaft. Denn es geht darum, der Entstehung und den Möglichkeiten zur Vorbeugung großer Volkskrankheiten durch die Langzeit-Beobachtung anfangs gesunder Bürger noch genauer auf die Schliche zu kommen. Und damit Lebenszeit für alle zu gewinnen.

„Die Nationale Kohorte ist ein Beispiel dafür, wie Einzelne einen großen Beitrag zu einem wichtigen Projekt leisten können“, sagte Ministerialdirigent Carsten Feller, Leiter der Abteilung Wissenschaft und Forschung am Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg, anlässlich der feierlichen Eröffnung des NAKO-Studienzentrum Berlin-Süd/Brandenburg am 30. März. Es ist das letzte von drei Berliner Zentren und eines von 18 Zentren bundesweit, und es steht unter Leitung des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (DIfE) in Potsdam-Rehbrücke. Auf dem Gelände des Charité-Campus Benjamin Franklin in Steglitz wurde dafür ein Gebäude aufwendig renoviert und ausgestattet. Insgesamt sollen 10 000 Berliner, die im Südwesten der Hauptstadt leben, aber auch Brandenburger aus den Gemeinden Falkensee, Blankenfelde- Mahlow, Schulzendorf, Rangsdorf und Schönefeld untersucht werden. Rund 600 Eingeladene haben schon zugesagt, rund 400 Teilnehmer wurden bereits untersucht.

Ihre Größe macht NAKO besonders aussagekräftig

Der Erfolg steht und fällt mit diesen Zusagen: Denn ihre Größe macht die NAKO besonders aussagekräftig. Nur wer auf der Grundlage von Daten der Einwohnermeldeämter ausgesucht wurde, darf mitmachen, denn die Bevölkerungsstudie soll repräsentativ sein. Es ist geplant, die Studienteilnehmer über 20 bis 30 Jahre hinweg zu beobachten. Nächster Untersuchungstermin ist auf jeden Fall vier bis fünf Jahre nach dem ersten. Bis dahin sollen auch schon einige Auswertungen der Basisuntersuchung vorliegen. Auf Wunsch werden die Teilnehmer zudem aber auch zeitnah über ihre eigenen Untersuchungsergebnisse informiert. So können sie bei auffälligen Befunden ärztlichen Rat einholen.

Zu den Untersuchungen gehören auch Seh- und Hörtests, außerdem werden Zähne und Mundhöhle inspiziert. Eine kleinere Gruppe bekommt einen Herz-Ultraschall, eine weitere wird in einem Magnetresonanztomografen untersucht, wieder andere im Schlaflabor. Nicht zuletzt wird es aber auch ausführliche Tests zu Gedächtnis und anderen kognitiven Fähigkeiten geben. Denn eines der wichtigsten Themen ist die Altersdemenz: Was schützt davor, was erhöht die Risiken? Welche Rolle spielen die Gene, welche die Umwelt? Weitere Volkskrankheiten, die die Forscher besonders interessieren, sind Herzinfarkt, Diabetes vom Typ II und Krebs. Einige Teilnehmer laufen für etwa eine Woche mit einem Akzelerometer herum, einem tragbaren Messgerät, das bei ihren Alltagsbewegungen jeweils präzise die Beschleunigung aufzeichnet und nun erstmals bei einer derart großen Bevölkerungsgruppe eingesetzt wird. Körperliche Bewegung ist eines der beiden Module, für die das DIfE wissenschaftlich verantwortlich zeichnet.

Jeder von uns bewegt und ernährt sich jeden Tag

Das zweite ist, wie nicht anders zu erwarten, die Ernährung. Das DIfE hat auf diesem Gebiet durch die EPIC-Studie reichlich Erfahrung gesammelt. Für diese „European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition“ wurden 520 000 Männer und Frauen aus 23 Studienzentren in zehn Ländern befragt, außerdem wurden Blutproben genommen. Zudem wurde neben Größe und Gewicht auch der Taillenumfang gemessen, der heute – nicht zuletzt dank der EPIC-Ergebnisse – als bedeutsamer Risikofaktor für verschiedene Volksleiden gilt. 1992 startete die Studie, zu der das DIfE 27 500 Teilnehmer beisteuerte. EPIC zeigte unter anderem, dass Ballaststoffe und Fisch einen gewissen Schutz vor Darmkrebs bieten, während rotes Fleisch das Risiko erhöht

Matthäus Vigl, Leiter des neuen Studienzentrums.
Matthäus Vigl, Leiter des neuen Studienzentrums.

© dpa

„Bei Ernährung und Bewegung handelt es sich um zwei universelle Lebensstilfaktoren: Jeder von uns tut es jeden Tag, deshalb sind die beiden Faktoren auch besonders schwer zu erfassen“, sagt der Mediziner Matthäus Vigl, der das neue Studienzentrum leitet. Die Forscher haben verschiedene Fragebögen ausgetüftelt, um ein möglichst realistisches Bild von den Ernährungsgewohnheiten der Teilnehmer zu bekommen, ohne deren Geduld mit dem Ausfüllen allzu sehr zu strapazieren. Ein Fragebogen bezieht sich auf die letzten zwölf Monate. In einem zweiten dreht sich alles um die am Vortag verzehrten Lebensmittel, er soll auch saisonale Vorlieben und Veränderungen erfassen. Er kann ohne viel Aufwand online ausgefüllt werden. Viermal im Jahr werden die Probanden darum gebeten. „Wir erinnern sie daran aber erst am fraglichen Tag, damit sie an diesem Tag nicht in Versuchung sind ‚besonders gesund‘ zu essen“, erläutert Vigl. Denn darunter würde die Aussagekraft der Studie leiden.

Mehr Informationen zur NAKO unter www.nationale-kohorte.de

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false