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„Deutlich zu wenig“: Deutsche Bahn bietet vier Prozent mehr Lohn – Gewerkschaft weist dies zurück
7,6 Prozent mehr Geld fordert die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft von der Deutschen Bahn. Der Konzern ist allerdings in einer tiefen Krise. Stehen die Züge bald wieder still?
Stand:
In den Tarifverhandlungen mit der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) bietet die Deutsche Bahn (DB) 4,0 Prozent mehr Lohn sowie 2,6 Prozent mehr für Schichtarbeitende. Die Laufzeit soll 37 Monate betragen, also etwas mehr als drei Jahre, wie der Konzern am Dienstag nach der ersten Verhandlungsrunde in Frankfurt am Main mitteilte. Die EVG wies die vier Prozent als „deutlich zu wenig“ zurück.
Die EVG fordert 7,6 Prozent mehr Lohn und einen Zuschlag für Schichtarbeitende. Sie verhandelt für rund 192.000 Beschäftigte bei der DB.
Der Konzern will den Lohn den Angaben zufolge in zwei Schritten erhöhen. Zwei Prozent mehr soll es zum 1. Oktober 2025 geben, weitere zwei Prozent zum 1. Oktober 2026. Die Zulage von 2,6 Prozent sollen rund 100.000 Schichtarbeitende ab 2027 erhalten.
„Das Angebot gleich zum Auftakt unterstreicht, dass wir an konstruktiven Verhandlungen und einer zügigen Lösung interessiert sind“, erklärte DB-Personalvorstand Martin Seiler.
Der Konzern sei bereit, auf die EVG zuzugehen, etwa beim tariflichen Zusatzgeld für besonders belastete Kolleginnen und Kollegen im Schichtdienst. „Im Gegenzug brauchen wir eine lange Laufzeit und die Möglichkeit, auf Sondersituationen zu reagieren.“

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Die zweite Verhandlungsrunde ist für kommenden Dienstag in Berlin angesetzt. EVG-Co-Verhandlungsführerin Cosima Ingenschay erklärte, die Gewerkschaft habe deutlich gemacht, „dass sich der Arbeitgeber“ in diese Verhandlungsrunde „spürbar auf uns zubewegen muss“.
Sie kündige eine „große Demonstration zur Zukunft der Deutschen Bahn“ am Montag in Berlin an. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
Drohen Fahrgästen nun wieder Warnstreiks?
Mit Warnstreiks legen die Gewerkschaften den DB-Fernverkehr im Laufe von Tarifverhandlungen immer wieder weitgehend lahm. So erhöhen sie den Druck auf die Arbeitgeberseite. Diesmal ist jedoch vieles anders. Der aktuelle Tarifvertrag – und die damit einhergehende Friedenspflicht – läuft noch bis Ende März. Bestenfalls haben beide Seiten sich bis dahin geeinigt.
Die Gewerkschaft sei zu „zügigen und konstruktiven Verhandlungen“ bereit, sagte EVG-Verhandlungsführerin Cosima Ingenschay vor dem ersten Treffen in Frankfurt. Die Beschäftigten brauchten Klarheit in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Ein möglicher Streik ab April sei nur „das letzte Mittel“.
Die Bahn wiederum hat schon zur ersten Runde ein Angebot mitgebracht. „Damit wollen wir ein klares Signal setzen für eine zügige Lösung“, sagte Personalvorstand Martin Seiler in Frankfurt, ohne Details zu nennen.
Wieso wird bei der Bahn ständig über Tarife verhandelt?
Bahnkundinnen und -kunden haben mitunter das Gefühl, Tarifverhandlungen bei der DB seien ein Dauerzustand. Seit 2023 wurde in jedem Jahr um Tarife gerungen. Schließlich kämpfen gleich zwei Gewerkschaften um Einfluss bei der Bahn. Neben der EVG gibt es noch die kleinere, aber umso streitbarere Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL).
Die Tarifverträge mit den beiden Arbeitnehmervertretungen haben stets unterschiedlich lange Laufzeiten. So dauerte es nach der Einigung zwischen Bahn und EVG im Jahr 2023 nur wenige Monate bis zum Beginn der GDL-Tarifrunde im November. Diese zog sich über Monate bis weit ins Folgejahr hinein. Die Auseinandersetzungen waren jeweils von längeren Arbeitskämpfen geprägt. Ein kleiner Trost: Sollten sich die EVG und die Bahn nun tatsächlich innerhalb weniger Wochen einigen, haben Fahrgäste noch bis Ende Februar 2026 Ruhe. Erst dann endet die Friedenspflicht für die GDL.
Mit welchen Forderungen geht die EVG in die Verhandlungen?
7,6 Prozent mehr Geld sollen es nach dem Willen der Gewerkschaft für die rund 192.000 Beschäftigten werden, für die die EVG-Tarifverträge gelten. Schichtarbeiter sollen außerdem ein Zusatzgeld von 2,6 Prozent bekommen, das zum Teil in freie Tage umwandelbar sein soll. Für EVG-Mitglieder soll es zudem eine Bonuszahlung in Höhe von 500 Euro geben. Und: Alle Beschäftigten sollen ihren Job garantiert bis Ende 2027 behalten. Eine bestimmte Laufzeit fordert die Gewerkschaft nicht.
„In dieser Tarifrunde sind uns mehr Wertschätzung für harte Arbeit und die Sicherheit von Einkommen und Beschäftigung wichtig“, sagte EVG-Verhandlungsführerin Cosima Ingenschay. Zugleich machte die Gewerkschafterin klar, dass man das Druckmittel Streik nicht aus der Hand lege. Es werde keinen Abschluss um jeden Preis geben. Wenn man in den Verhandlungen nicht weiterkomme, sei vom 1. April an alles möglich
Welche Rolle spielt die vorgezogene Bundestagswahl?
Die Wahl am 23. Februar ist zumindest maßgeblich dafür verantwortlich, dass die Verhandlungen heute schon beginnen. Aufgrund der Ungewissheit, die eine neue Bundesregierung für die Bahn bringen könnte, bat die EVG um vorgezogene Verhandlungen. Denn die Union, die die nächste Regierung anführen könnte, fordert schon lange die Zerschlagung der Bahn.
„Für mehr Wettbewerb müssen Infrastruktur- und Transportbereich stärker als bisher voneinander getrennt werden“, heißt es im Wahlprogramm. Die EVG lehnt das vehement ab und argumentiert, dass damit keines der Probleme bei der Bahn gelöst werde.
Damit die Verhandlungen möglichst schnell Tempo aufnehmen, fordert die Gewerkschaft von der Bahn, dass sie schon heute ein Angebot vorlegt. Man müsse „die wenige Zeit, die uns bleibt, nutzen“, um bis zur Bundestagswahl voranzukommen, sagte Ingenschay.
In welchem Zustand ist die Bahn?
Die Bahn steckt in der Krise – wirtschaftlich und betrieblich. Im vergangenen Jahr waren die Fernzüge unter anderem aufgrund der maroden Infrastruktur so unpünktlich wie seit zwei Jahrzehnten nicht mehr. Mehr als jeder dritte ICE und ICE war mit Verspätungen unterwegs.
Die Bahn will wichtige Teile des Schienennetzes in den nächsten Jahren umfassend sanieren. Doch nach dem Aus der „Ampel“-Regierung aus SPD, Grünen und FDP ist unklar, ob der Bund die notwendigen Milliarden weiter zur Verfügung stellt.
Gleichzeitig hat die Bahn finanzielle Probleme. Sie ist hoch verschuldet. Wichtige Sparten, wie die Güterverkehrstochter DB Cargo, fahren seit Jahren hohe Verluste ein. Auch hier will die Bahn sanieren. Tausende Stellen sollen in den nächsten Jahren wegfallen. In den Tarifverhandlungen mit der EVG dürfte der finanziell enge Spielraum ein Knackpunkt werden. (dpa, AFP)
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