zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Dicke Luft vor dem Maut-Gipfel

Stolpe will jetzt eine schnelle Entscheidung erzwingen / Telekom lehnt neuen Maut-Partner rundweg ab

Berlin (fo/msh). Zwischen dem MautBetreiber Deutsche Telekom und Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) steht ein handfester Streit um die Forderung Stolpes, andere Anbieter von Maut-Systemen für eine Übergangszeit als Partner einzubeziehen. Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke unterstrich am Mittwoch in Berlin, die Probleme müssten schnellstens gelöst werden, „und zwar durch uns“. Tatsächlich ist das Telekom-Management schwer verstimmt, dass andere Maut-Betreiber wie die Schweizer Firma Fela durch den Minister ins Gespräch gebracht werden. Es sei ein Irrtum zu glauben, dass Fela in kürzester Zeit ein betriebsfähiges System auf die Beine stellen könne, hieß es in Kreisen der Telekomführung.

Stolpe bestätigte am Rande der Sitzung des Bundestags-Verkehrsausschusses, dass es bis zum Wochenende zu einem Spitzengespräch mit Vertretern von Daimler-Chrysler und Telekom und damit zu einer Entscheidung über die Kündigung des Vertrages kommen soll. Der Minister fordert von Toll Collect die volle Haftung für Einnahmeausfälle oder die Aufnahme neuer Partner in das Konsortium, um für die Übergangszeit bis zum engültigen Start des Mautsystems die Einnahmen mit anderer Technik zu sichern. Ein Gespräch mit den zuständigen Vorständen der Konsortialpartner werde hier Klarheit bringen, sagte Stolpe. Gehe Toll Collect auf die Forderungen des Bundes nicht ein, „müssen wir uns trennen“.

Der Haushaltsausschuss des Bundestages hat Stolpe am Mittwoch aufgefordert, „unverzüglich die formalen Voraussetzungen für eine Kündigung zu schaffen“. Dieser Beschluss sei einstimmig erfolgt, teilten die haushaltspolitischen Sprecher von SPD und CDU/CSU, Walter Schöler und Dietrich Austermann, mit. Soweit noch nicht geschehen seien auch „die Vertragsstrafen und Schadensersatzforderungen geltend zu machen und erforderlichenfalls einzuklagen“, heißt es in dem gemeinsamen Beschluss.

Der Minister unterrichtete am Mittwoch den Verkehrs- und den Haushaltsausschuss des Bundestages über seine Bewertung des jüngsten Angebots von Toll Collect, das Mautsystem in zwei Schritten bis Anfang 2006 endgültig zu installieren. Während das Angebot auf der technischen Seite „plausibel“ erscheine, seien die Vorschläge zur Entschädigung für die Einnahmeausfälle und zu den Haftungsfragen angesichts eines um zwei Jahre und vier Monate verspäteten Mautstarts unakzeptabel, wiederholte Stolpe seine Kritik an den neuen Vorschlägen. „Wir werden darüber reden, aber wir haben keine Geduld mehr.“

Auch die Parlamentarier wollen den politischen Druck auf das Mautkonsortium erhöhen. Die Koalitionsfraktionen verlangten im Haushaltsausschuss eine Entscheidung bis Ende Februar. Sollte sich dann keine befriedigende Verhandlungslösung mit Toll Collect abzeichnen, müssten der Mautvertrag gekündigt und Schadenersatzforderungen geltend gemacht werden, verlangten die Haushaltspolitiker von SPD und Grünen in einem gemeinsamen Antrag. Die Entscheidung, ob der Vertrag mit Toll Collect gekündigt werde, werde in den nächsten Tagen fallen, sagte auch der verkehrspolitische Sprecher der Grünen, Albert Schmidt. Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses, Eduard Oswald (CSU), sagte, es müsse noch abgewartet werden, ob das Konsortium dem Bund Nachbesserungen zugestehe. Aber „am Aschermittwoch muss alles vorbei sein“, betonte Oswald. Der Grünen-Politiker Schmidt bezeichnete das Angebot von Toll Collect als „ein Bündel von Zumutungen nach dem Motto: Wir leisten weniger, wollen aber mehr Geld dafür.“ Auf diese Forderungen werde sich der Bund nicht einlassen. Nach Meinung Schmidts will das Konsortium die Kündigung durch den Bund geradezu provizieren. Die Grünen im Bundestag „halten eine Beendigung der Zusammenbarbeit für unausweichlich, wenn nicht in letzter Minute von Toll Collect für Sicherheit gesorgt wird“. Dazu zählt der Grünenpolitiker unter anderem eine Einnahmegarantie durch die Mautbetreiber und den Aufbau einer Übergangstechnik unter Berücksichtigung anderer und „erfahrener Mautbetreiber“.

Die Union hält ein Festhalten am Mautvertrag nur dann für sinnvoll, wenn Toll Collect „die volle Haftung“ für die Einnahmeausfälle übernehme, betonte der verkehrspolitischge Sprecher Dirk Fischer. Diese summieren sich bis Ende 2004 auf 2,8 Milliarden Euro.

Ins Gespräch gebracht als neuer Partner für Toll Collect wird immer wieder die Schweizer Gesellschaft Fela. Dieses Unternehmen arbeitet mit einem elektronischen Mautsystem, das die Satelliten-Technik mit Tachoimpulsen kombiniert. Herzstück dieses Mautsystems ist das im Führerhaus der Lkw installierte Erfassungsgerät Tripon. Es zählt die gefahrenen Kilometer über Impulse des Tachos und ermittelt zusammen mit dem transportierten Gewicht und dem Emmissionsausstoß die Abgabenhöhe. Die Daten werden auf einer Chipkarte gespeichert und per Post oder Internet an die Abrechnungsstelle übermittelt.

Das Satellitenortungssystem GPS dient zur Kontrolle. Das System profitiert technisch davon, dass die Schweiz auf allen Straßen eine Maut erhebt. Damit muss die Technik nicht wie in Deutschland oder Österreich Autobahnen von anderen Straßen unterscheiden können.

Unterdessen wurde bei der Berliner Staatsanwaltschaft eine Anzeige wegen Betrugs gegen Toll Collect erstattet. Die Anzeige gehe auf eine Privatperson zurück, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Weitere Ermittlungsschritte würden nun geprüft.

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false