zum Hauptinhalt
Netze sind die Basis der Energieversorgung.

© dpa/Lars Klemmer

Ausbau der Netze reduzieren, weniger Erdkabel: Wie die Energiewende effizienter werden – und 300 Milliarden Euro weniger kosten soll

Im Auftrag der Industrie hat die Beraterfirma BCG das deutsche Energiesystem untersucht und schlägt 20 Maßnahmen vor, um es wettbewerbsfähiger zu machen. Gas soll danach eine wichtigere Rolle erhalten.

Stand:

Die Energiewende kostet Geld. Seit 2010 sind die Kosten des deutschen Stromsystems um 70 Prozent gestiegen, hierzulande ist Strom bis zu 2,5-mal teurer als bei internationalen Wettbewerbern, hat die Beratungsfirma Boston Consulting Group (BCG) ausgerechnet. 36 Prozent der Preissteigerung seien auf die Energiewende zurückzuführen, 34 Prozent erklären sich mit den Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine.

Im Auftrag des Bundesverbandes der deutschen Industrie (BDI) hat BCG das deutsche Energiesystem untersucht und Vorschläge entwickelt zur höheren Effizienz beziehungsweise Kostenreduzierung. Rund 20 Maßnahmen führen die Berater auf, die in Summe zu Einsparungen von „mehr als 300 Milliarden Euro bis 2035“ beitragen sollen.

„Mit besserer Koordination und Planung könnte die Energiewende in den nächsten zehn Jahren mehr als 20 Prozent günstiger werden“, meint Jens Burchardt, Partner bei BCG und Co-Autor der Studie.  

Zu den vorgeschlagenen Maßnahmen gehört vorrangig eine Infrastrukturplanung, die sich am wirklichen Bedarf orientiert. Da die Nachfrage in den nächsten Jahren erheblich geringer wachsen wird als bislang veranschlagt, fallen demnach niedrige Investitionskosten an. Allein beim Strom würden beispielsweise 2030 rund 100 Terrawattstunden (TWh) weniger benötigt als derzeit geplant.

Aktuell liegt der Verbrauch nach Angaben von BCG bei 400 TWh, der Netzausbau bis 2030 sei auf 750 TWh ausgelegt. Und das sei viel zu viel.

15
Millionen Elektroautos sollten 2030 auf deutschen Straßen fahren.

„Wir haben wahnsinnig viel Netz ausgebaut und müssen die Kosten auf zu wenige Verbraucher verteilen“, sagte Burchardt. Die derzeit geplanten Investitionen in Erneuerbare, Stromnetze und Wasserstoff gingen weit über die absehbare Nachfrage hinaus und würden Verbraucher dadurch mit hohen Kosten belasten.

Das eher moderate Wachstum der Stromnachfrage in den kommenden Jahren erläutert BCG anhand von zwei Beispielen: 15 Millionen Elektroautos würden für 2030 veranschlagt; bei der Ausgangslage von derzeit 1,5 Millionen sei das unrealistisch.

Zu wenig Wärmepumpen

Ähnlich ist die Situation auf dem Wärmepumpenmarkt: Derzeit werden in Deutschland 1,7 Millionen Wärmepumpen genutzt, ausweislich der Szenarien und Prognose sollten es 2030 sechs Millionen sein. Auch das kann nicht funktionieren: Im vergangenen Jahr wurden nur knapp 42.000 Wärmepumpen installiert.

Um bestehende Investitionen ins Stromsystem besser auszulasten und dabei die Klimaziele eher zu erreichen, empfiehlt die Studie eine schnellere Umstellung auf Strom in Verkehr, Industrie und Gebäudewärme. „Durch schnellen Zubau gesicherter Leistung und stärkere Flexibilisierung der Nachfrage können mit sehr hohen Kosten verbundene Knappheiten vermieden werden.“

Zu unnötigen Kosten zählt BCG die teure Erdverkabelung, die maßgeblich von der CSU durchgesetzt worden war, sowie relativ teurere Technologien wie etwa Offshore- anstelle von Onshore-Windanlagen. Stärkere regionale Anreize für Produktion und Verbrauch von Erneuerbarer Energie, der zunehmende Einsatz von Speichern sowie eine stärkere europäische Zusammenarbeit „können erhebliche Kosten sparen“. 

Wir versuchen, der Politik eine Brücke zu bauen, realistischere Annahmen zu treffen.

Holger Lösch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des BDI

Die Gasversorgung betreffend empfehlen die Autoren, die Unternehmen von der Finanzierung der saisonalen Gasspeicher zu befreien, da sie „ganzjährig eine gleichmäßige Gasnachfrage haben“. Die diskutierte Grüngasquote, die auch im Sondierungspapier von Union und SPD genannt wird, „wäre vor einer möglichen Einführung sorgfältig auf ihre kostensteigernde Wirkung auf den Gaspreis zu prüfen“.

Stattdessen geben BDI und BCG eine Ausweitung der heimischen Gasförderung zu bedenken, die „angebotssteigernd und damit potenziell preissenkend wirken würde“. Das bedürfte allerdings des Einsatzes der umstrittenen Fracking-Technologie.

Der Aufbau der Wasserstoffwirtschaft – für die Dekarbonisierung der Industrie unverzichtbar – wird ohne staatliche Unterstützung nicht gelingen, das räumen BDI und BCG ein. Allerdings bleibe grüner Wasserstoff in vielen Anwendungen langfristig teurer als Alternativen. Um unnötige Kosten zu vermeiden, plädieren BCG und BDI für blauen Wasserstoff auf der Basis von Erdgas. Das dabei anfallende CO₂ würde aufgefangen und gespeichert.

„Wir versuchen, der Politik eine Brücke zu bauen, realistischere Annahmen zu treffen“, formulierte BDI-Vize Holger Lösch das Ziel der Studie. Positiv bewertet der Industrieverband die im Sondierungspapier von Union und SPD genannten Entlastungen beim Strompreis. Das Thema Gas sei dagegen im Grundlagenpapier der künftigen Koalitionäre unterbelichtet.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })