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Sightseeing für Segler. Die Spree gehört zu den beliebtesten Wasserstraßen Berlins und führt an der Oberbaumbrücke zwischen Kreuzberg und Friedrichshain entlang.

© Mike Wolff

Wassertourismus: Experten fordern besseren Service für Freizeitkapitäne

Bootsführer aus ganz Europa zieht es auf Berlins Gewässer. Doch das Land schöpft seine Möglichkeiten nicht aus. Vor allem beim Service gibt es noch viel zu tun.

Endlich ist der Sommer da und damit die Wassersportsaison – doch nicht nur Berliner fahren gern als Freizeitkapitäne mit Segel-, Motor- und Ruderbooten auf den hiesigen Gewässern oder steigen als Gäste in die Ausflugsschiffe. Auch Touristen aus ganz Deutschland, den Niederlanden und anderen europäischen Staaten reisen im eigenen Boot an oder mieten sich hier eines. „Immer mehr Besucher wollen die Hauptstadt vom Wasser aus naturnah erleben“, sagt Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke), die Bedeutung des Wassertourismus werde „weiter zunehmen“.

Als wichtige Investitionen nennt die Wirtschaftsverwaltung zum Beispiel den von ihr finanzierten Ausbau des Kladower Hafens oder den geplanten Ausbau des Humboldthafens unter Federführung der Stadtentwicklungsverwaltung. Fachleute meinen dagegen, der Wasssertourismus werde zu wenig gefördert.

„Berlin tut praktisch nichts, die Musik spielt in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern“, sagt Max Hiller, Geschäftsführer des Wirtschaftsverbands Wassersport Berlin. Die „Wassertourismus-Konzeption“ des Senats aus dem Jahre 2003 sei bisher nur teilweise umgesetzt und das Marketing weitgehend „an Brandenburg abgegeben“ worden. Die Nachfrage steige trotzdem, schließlich liege Berlin im Zentrum des größten europäischen Binnenreviers. Die östlichen Bundesländer böten eine „einzigartige Kombination“ aus Flusslandschaften und rund 5000 Seen mit 3600 Kilometern befahrbarer Strecke.

Lange habe Berlin den Wassertourismus „stiefmütterlich behandelt“, sagt auch der Sprecher des Tourismusvereins Berlin Treptow-Köpenick, Michael Diehl. Dies habe sich verbessert, seit Burkhard Kieker zum Chef der Berlin Tourismus Marketing GmbH (BTM) wurde. Noch immer konzentriere sich die Tourismuswerbung aber zu stark auf die Innenstadt, findet Diehl. Ein Problem sei auch die „minimale Infrastruktur“ für Bootskapitäne: Wegen der „extrem restriktiven Handhabung von Baugenehmigungen am Wasser“ gebe es zu wenig Anlegestellen mit Gastronomie, Service- und Campingangeboten. In vielen Ämtern fehle „das Bewusstsein für die Wasserstadt“.

Das Wasser- und Schifffahrtsamt Berlin hat 13 öffentliche Sportbootliegestellen geschaffen, allerdings gibt es dort weder einen Stromanschluss noch Trinkwasser oder Dienstleistungen. Auch bei den Wassertankstellen bestehen Servicelücken: Für benzingetriebene Motorboote steht allein die Tankstelle am größten Jachthafen, der „Marina Lanke“ in Spandau, zur Verfügung. Es liege „in der Hand der Tourismuswirtschaft und privater Unternehmen, neue Tankstellen zu errichten“, heißt es aus der Wirtschaftsverwaltung.

Vor allem die Außenbezirke Treptow-Köpenick, Reinickendorf, Spandau und Steglitz-Zehlendorf werben mit ihren Gewässern. Nach Angaben des Tourismusvereins ist Treptow-Köpenick „das größte Wassersport- und -freizeitparadies“ der Stadt mit dem Müggelsee und sechs weiteren Seen, der Spree, der Dahme und vielen Kanälen. Vom Südosten aus seien auf dem Wasser die Innenstadt und sogar die Ost- und Nordsee erreichbar. Bereits vor zehn Jahren erfand der Verein die „Gelbe Welle“: 69 Schilder weisen in Berlin auf die Ausstattung und das Angebot von Häfen hin. 2004 erwarb der Deutsche Tourismusverband die Rechte und machte die „Gelbe Welle“ bundesweit zum „einheitlichen Informationssystem für wassertouristische Angebote“.

Die BTM bestreitet, dass die Potenziale des Wassertourismus nicht ausgeschöpft würden. „Das grüne Berlin am Wasser ist ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal“, sagt Sprecher Christian Tänzler. Ein Nachteil für Freizeitkapitäne sei allerdings, dass die größeren Berliner Gewässer als Bundeswasserstraßen gelten und man daher – anders als in Brandenburg – einen Bootsführerschein benötige.

Zum Wassertourismus zählen natürlich auch die Ausflugsschiffe. 29 Reedereien sind mit mehr als 90 Fahrgastschiffen auf Berlins Gewässern unterwegs, zu den bekanntesten Anbietern gehören die Stern- und Kreisschiffahrt und die Reederei Riedel. Die Firma „ivent sailing“ lädt neuerdings auch zum „Jazzbrunch“ auf Solarbooten ein. Laut Wirtschaftsverwaltung haben 2009 rund drei Millionen Touristen „die Möglichkeiten des Sightseeings vom Wasser aus genutzt“.

Ärger gab es zuletzt um das 2002 eröffnete Kreuzfahrtterminal am Spandauer Havelufer: Im April sperrten das Bezirksamt und das Wasser- und Schifffahrtsamt die Anlegestelle für große Passagierschiffe, weil sich das benachbarte Seniorenzentrum „Havelgarten“ über Lärm und Schmutz beklagt hatte. Die Genehmigung für die Anlegestelle fehle, hieß es – allerdings hatten Bezirkspolitiker dies anscheinend jahrelang ignoriert oder nicht bemerkt und einst sogar an der Eröffnungsfeier teilgenommen. Vorerst müssen Flusskreuzfahrtschiffe nun an die Tegeler Greenwichpromenade ausweichen.

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