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Schwere Schäden richtete das Hochwasser 2021 im Ahrtal an.

© dpa/Boris Roessler

Belastung für Hausbesitzer und Mieter: Schwarz-Rot will Pflichtversicherung gegen Elementarschäden einführen

Hochwasser, Erdrutsche, Lawinen: Die wohl neue Regierung plant eine obligatorische Absicherung gegen Naturgewalten. Bislang sind solche Policen freiwillig. Je nach Lage der Gebäude könnte es teuer werden.

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Hochwasser und Starkregen werden weiter zunehmen – auch aufgrund des Klimawandels, darin sind Experten sich einig. Welche dramatischen Folgen dies haben kann, zeigte sich beispielsweise im Sommer 2021, als starke Regenfälle in Teilen Deutschlands zu massiven Überschwemmungen führten – und wie im Landkreis Ahrweiler in Rheinland-Pfalz große Zerstörung anrichteten.

Die materiellen Schäden waren enorm, viele Hausbesitzer standen vor dem Nichts; vor allem, wenn ihr Eigentum nicht gegen Naturgewalten versichert war.

Eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden wie Hochwasser und Starkregen als Zusatz zur Wohngebäudeversicherung ist seit langem sowohl zwischen Bund und Ländern als auch in der Versicherungsbranche umstritten.

Zwar empfehlen wir Eigentümern, eine Versicherung gegen Naturgewalten abzuschließen. Die Pflicht dazu lehnen wir aber klar ab.

Kai Warnecke, Präsident „Haus & Grund“

Dabei geht es vor allem um die Frage, ob sich Staat und Versicherer die Risiken teilten sollten, wer die Kosten übernimmt und ob Versicherungsprämien zu hoch sind.

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Die Ministerpräsidenten hatten sich 2024 unter dem Eindruck sich häufender Hochwasser- und Starkregen-Katastrophen für eine Pflichtversicherung ausgesprochen. Die vermutlich neue Regierung aus Union und SPD will dies nun umsetzen.

„Wir führen ein, dass im Neugeschäft die Wohngebäudeversicherung nur noch mit Elementarschadenabsicherung angeboten wird, und im Bestandsgeschäft sämtliche Wohngebäudeversicherungen zu einem Stichtag um eine Elementarschadenversicherung erweitert werden“, heißt es wörtlich im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD auf Seite 86.

Als PDF-Download: Der schwarz-rote Koalitionsvertrag steht. Worauf sich die Parteien geeinigt haben, können Sie hier nachlesen.

Unklar bleibt, ob Eigentümer die Chance haben sollen, einer solcher Police zu widersprechen. Angaben zu einem möglichen Termin für bestehende Gebäude werden ebenfalls nicht gemacht.

Bayern rät schon länger zu freiwilligen Elementarschadenversicherungen

Wie der Bund der Versicherten (BdV) der „Passauer Neuen Presse“ („PNP“) zufolge erklärt, schützt eine normale Wohngebäudeversicherung nur bei Schäden durch Blitzschlag, Feuer, Sturm und Hagel.

Die zusätzliche Elementarschadenversicherung greift bei Schäden durch Schneedruck, Starkregen, Hochwasser und Erdbeben. Letzter Punkt umfasst dem BdV zufolge demnach auch Ereignisse wie Erdrutsch, Erdsenkung, Lawinen und Vulkanausbrüche.

Das bayerische Wirtschaftsministerium rät schon länger zu freiwilligen Elementarschadenversicherungen, weil viele Hausbesitzer fälschlicherweise glaubten, nicht in Gefahr zu sein, von Schäden durch Naturgewalten betroffen zu werden.

Auf der Homepage heißt es: „Starke Regenfälle in kurzer Zeit können nicht schnell genug versickern oder abgeleitet werden und dringen in Erd- und Untergeschosse über Türen, Fenster oder die Kanalisation ein. Deiche können brechen!“

Hilfe vom Staat bei Naturgewalten nicht gesetzt

Auch sei der Glaube, dass bei Naturgewalten automatisch der Staat unterstütze, falsch. Seit dem 1. Juli 2019 gewähre der Staat keine finanzielle Unterstützung in Form von Soforthilfen mehr, heißt es vom Wirtschaftsministerium aus München.

Die Zahlungen der Regierung in der Vergangenheit seien freiwillig und ohne Rechtsanspruch gewesen. Zudem blieben die Zahlungen meist weit hinter dem finanziellen Niveau zurück, das eine Elementarschadenversicherung gewährt.

Zu den Kosten einer solchen Versicherung heißt es vom Ministerium: „Eine Elementarschadenversicherung kostet häufig weniger als die Kasko-Versicherung für einen Pkw.“

Der konkrete Beitrag richte sich aber nach mehreren Faktoren. Eine Rolle spielen beispielsweise der Wert eines Gebäudes, wie gefährdet es an seinem Standort statistisch ist – etwa wenn es sich direkt an einem Fluss befindet – und wie hoch der vereinbarte Selbstbehalt ist.

„Selbst mehrere hundert Euro im Jahr sind zur Absicherung eines Hauses im Wert von mehreren hunderttausend Euro nicht zu teuer“, heißt es auf der Homepage.

Bisher nur jedes zweite Haus gegen Naturgefahren abgesichert

André Boudon, Geschäftsführer für Wohngebäudeversicherungen beim Vergleichsportal Check 24 sagte der „Bild“: „Aktuell sind die Beiträge für eine Elementarschadenversicherung danach gestaffelt, wie wahrscheinlich eine Naturkatastrophe in der jeweiligen Lage ist.“

Die Interessenvertretung der privaten Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer „Haus & Grund“ positioniert sich klar zu dem Vorhaben der geplanten neuen Regierung.

„Zwar empfehlen wir Eigentümern, eine Versicherung gegen Naturgewalten abzuschließen. Die Pflicht dazu lehnen wir aber klar ab“, sagte „Haus & Grund“-Präsident Kai Warnecke der Zeitung. „Das ist ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Eigentum.“

Aktuell ist dem Bericht zufolge nur jedes zweite Haus in Deutschland gegen Naturgefahren abgesichert. Warnecke warnt: „In den Hochrisikogebieten, wie zum Beispiel dem Ahrtal, könnte eine Elementarschadenversicherung für die Anwohner unbezahlbar werden.“

Vier Gefahrenzonen für Berechnung relevant

Je nach Lage könnten die Kosten dem Bericht zufolge um bis zu rund 1600 Euro pro Jahr steigen. Und: Auch Mieter könnten betroffen sein, denn Vermieter dürfen die Kosten umlegen.

Das Portal hat für die Zeitung Beispiele für ein Einfamilienhaus (130 Quadratmeter Wohnfläche, kein Keller) berechnet:

  • In der Gefahrenzone 1 (nach aktueller Datenlage nicht von Hochwasser betroffen, rund 90 Prozent aller Wohnhäuser) würden demnach rund 120 Euro mehr pro Jahr fällig.
  • In der Gefahrenzone 2 (Hochwasser seltener als einmal in 100 Jahren) wären es rund 305 Euro pro Jahr Aufschlag für die Elementarschadenversicherung.
  • In der Gefahrenzone 3 (Hochwasser mindestens einmal in zehn bis 100 Jahren) müssten Hauseigentümer rund 1420 Euro pro Jahr mehr bezahlen.
  • In der Gefahrenzone 4 (Hochwasser mindestens einmal in zehn Jahren) wären es demnach mehr als 1600 Euro pro Jahr mehr. Rund 0,4 Prozent der Wohnhäuser liegen demnach in dieser Zone.

Peter Wegner, Präsident des Verbands Wohneigentum, sagte der Zeitung: „Wohneigentümer müssen die Freiheit haben, je nach ihren individuellen Möglichkeiten zu entscheiden, welche finanziellen Verpflichtungen sie eingehen möchten.“

Und er forderte: „Statt einer Versicherung, die die Schäden nur nachträglich finanziell ausgleichen kann, braucht es vor allem Prävention – zum Beispiel Dämme und bessere Kanalsysteme.“

Der Bund der Versicherten (BdV) forderte der „PNP“ statt einer reinen Versicherungspflicht eine öffentlich-private Partnerschaft: Der Verband mache sich eigenen Angaben zufolge für ein kollektives Pflichtsystem stark, das als Basis eine Naturkatastrophenversicherung habe und das die Bundesländer zusammen mit der Versicherungswirtschaft als Poollösung bereitstellen, über die Grundsteuer verwalten und durch einen Zuschlag finanzieren.

Solche öffentlich-privaten Partnerschaften wie in Frankreich und der Schweiz finden sich dem BdV zufolge weltweit in unterschiedlichen Formen.

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