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Robert Habeck beim Deutschen Arbeitgebertag (Archivbild)

© dpa / Bernd von Jutrczenka/dpa

Habeck gegen Lindner gegen Habeck: Ampel streitet über Finanzpolitik

Der Wirtschaftsminister will durch Investitionen die Rezession verhindern, der Finanzminister die Inflationsrate drücken und sparen

| Update:

Ein Koalitionsstreit auf offener Bühne erstaunte am Dienstag die Teilnehmer des diesjährigen Arbeitgebertages. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) erläuterten ihre Vorstellungen über die Krisenpolitik in den kommenden Wochen.

Das betrifft den Umgang mit den drei noch verbliebenen Atomkraftwerken, die Finanzierung von Energiezuschüssen für die Wirtschaft und Maßnahmen gegen die immer wahrscheinlicher werdende Rezession.

Die Rezession kann vermieden werden

Der Absturz der Wirtschaft könne verhindert werden, wenn „wir die Preise runterbringen, die Binnennachfrage stärken und die Unternehmen in ihrer Investitionsbereitschaft unterstützen“, sagte Habeck.

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Für den Finanzminister kommt das nicht infrage. Lindner stuft die Bekämpfung der Inflation als „erste Priorität“ ein und begrüßt die Zinserhöhungen durch die Europäische Zentralbank. „Wenn die EZB die Zinsen erhöht, dann kann ich doch nicht eine expansive Finanzpolitik machen“, sagte Linder. Höhere staatliche Ausgaben würden die Geldpolitik konterkarieren, meinte der FDP-Politiker.

Auch beim Gaspreisdeckel liegen die Ampelpartner weit auseinander. Anders als beim Strom bilde sich der Gaspreis auf dem Weltmarkt, erläuterte Lindner. Die Nachfrage der Bundesrepublik, die bislang für 15 Milliarden Euro die heimischen Gasspeicher befüllt habe, trage zum hohen Preis bei, argumentierte der Finanzminister. Wenn die Speicher geleert werden, habe das wiederum preissenkende Effekte.

Die Senkung des Gaspreises wird die nächste große Aufgabe.

Bundeskanzler Olaf Scholz

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte zuvor einen anderen Anspruch formuliert. Gemeinsam mit der EU strebe man Veränderungen beim Preisbildungsmechanismus auf dem Strommarkt an, und „das wollen wir auch für den Wärme- und Gasmarkt schaffen“.

In einer Kommission werde die Regierung Experten zusammenrufen, um Instrumente zur Absenkung des Gaspreises zu entwickeln. „Das wird die nächste große Aufgabe sein“, sagte Scholz auf dem Arbeitgebertag, zu dem Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) einmal im Jahr nach Berlin einlädt.

95 Milliarden
Volumen der Entlastungspakete

Der dafür zuständige Wirtschaftsminister skizzierte die Grundzüge und brachte seinen Anspruch auf die Formel „klotzen statt kleckern“. An den Veränderungen der Preisfindung auf dem Strommarkt arbeite man mit Hochdruck, spätestens Ende des Jahres sollten die im Gesetzesblatt stehen und dann rückwirkend, womöglich ab September gelten. Neu ist die Öffnung des Hilfsprogramms für den Mittelstand, da dieser die hohen Preise inzwischen nicht mehr an die Kunden weitergeben könne, wie Habeck sagte.

Hilfen für Firmen mit bis zu 250 Mitarbeitende

„Die Energiekosten übernehmen wir anteilig, ein Quorum legt die Politik fest, ein gewisser Anteil muss selbst getragen werden, und darüber liegt ein Anteil der vom Staat übernommen wird.“

Bei Unternehmen mit bis zu 250 Mitarbeitenden sollten die Zuschüsse auch dann gezahlt werden, wenn die Firmen Gewinne erwirtschaften, sagte Habeck. Das sei zwar ähnlich problematisch wie die Gasumlage, von der auch profitable Unternehmen profitierten, aber der einfachste Weg mit der geringsten Bürokratie.

Christian Lindner lehnt eine expansive Finanzpolitik ab, weil die kontraproduktiv wäre zur Zinserhöhungen der EZB, argumentiert der Finanzminister.
Christian Lindner lehnt eine expansive Finanzpolitik ab, weil die kontraproduktiv wäre zur Zinserhöhungen der EZB, argumentiert der Finanzminister.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

„Für den Gasbereich haben wir die große Antwort noch nicht, deshalb Zuschüsse“, sagte Habeck und verwies auf die Gas-Kommission, mit der sich am kommenden Donnerstag auch die konzertierte Aktion befassen wird, zu der Scholz nach einem Treffen Anfang Juli nun erneut die Sozialpartner einlädt.

Gaspreisdeckel kostet ungefähr 40 Milliarden Euro

Ein Gaspreisdeckel ist ganz wichtig für die Verbraucher und für viele Bereiche der Wirtschaft. Das bisherige Energiekostendämpfungsgesetz reicht nicht aus“, sagte der Verdi-Vorsitzende Frank Werneke dem Tagesspiegel. Pro Jahr oder Heizperiode würde der Deckel den Staat rund 40 Milliarden Euro kosten. Für Werneke ist das Geld gut angelegt. „Auch in Dienstleistungsbereichen, im Handel und in den Krankenhäusern, sind Strom und vor allem auch Gas ein großes Thema.“

Scholz betonte beim Arbeitgebertag, dass „die große Tradition der Sozialpartnerschaft“ an die konzertierte Aktion anknüpfe. Man werden beraten, „was gemeinsam zu tun ist“. Die Regierung hat bereits angekündigt, Sonderzahlungen bis zu 3000 Euro pro Kopf von Steuern und Abgaben zu befreien. Damit könne „das Unterhaken in den Betrieben gelingen“, meinte der Bundeskanzler.

Die Gewerkschaften müssen für die Inflationsprämie streiken dürfen.

Verdi-Chef Frank Werneke

Verdi- Chef Werneke hat spezielle Vorstellungen an die sogenannte Inflationsprämie. „Wenn das Ganze Sinn machen und über einen Gnadenbeweis des Arbeitgebers hinausgehen soll, dann muss der Gesetzgeber die Arbeitskampffähigkeit gewährleisten.“ Gewerkschaften müssten für die 3000 Euro streiken zu dürfen. „Kritisch sehe ich die Freistellung von Sozialabgaben. Das bezahlen wir alle in absehbarer Zeit mit höheren Krankenkassenbeiträgen“, sagte Werneke.

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Der Verdi-Vorsitzende verteidigte die Demonstrationen zu denen in diesen Wochen nicht nur Linke und AfD aufrufen, sondern auch Gewerkschaften. „Es ist vollkommen angemessen, dass die Menschen ihre Ängste artikulieren – in einem demokratischen Spektrum mit Bündnispartnern“, sagte Werneke dem Tagesspiegel. Eine hier und da zu beobachtende „Stigmatisierung der Proteste“ sei unangemessen.

„Wann, wenn nicht jetzt, sollte man auf die Straße gehen und für eine solidarische Lastenverteilung in der Krise werben?“, fragte der Verdi-Vorsitzende und machte dem Finanzminister einen Vorschlag. „Jetzt ist die Zeit, um über eine Vermögensabgabe nachzudenken.“

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